# taz.de -- Gesundheitsschäden im Harz: Im Nebel der Rauchfahnen
       
       > Im nördlichen Harzvorland klagen Anwohner seit Jahren über
       > Beeinträchtigungen durch Metall verarbeitende Betriebe. Nun startet eine
       > Untersuchung.
       
 (IMG) Bild: In der Umgebung stinkt es gewaltig: Werksgelände der Norzinco GmbH in Bad Harzburg
       
       Viele Anwohner und auch Touristen sind genervt, denn von Oker und
       Harlingerode aus ist die Sicht auf den Harz an manchen Tagen regelrecht
       vernebelt. Auch stinkt es, wenn der Wind ungünstig bläst, hier im
       nördlichen Vorland des Mittelgebirges bisweilen gewaltig. Die Gerüche seien
       dann „kaum noch zu ertragen“, klagt seit Jahren die „Aktivgruppe Gesunde
       Luft“, eine Initiative mehrerer Umweltverbände.
       
       Als Verursacher der schlechten Luft gelten Metall verarbeitende Betriebe in
       der Region, die über ihre Schornsteine Schadstoffe an die Luft abgeben.
       Seit zwei Jahren geht ein vom niedersächsischen Umweltministerium
       eingesetzter Expertenkreis dem Ausmaß der Belastungen nach, 2022 sollen die
       Ergebnisse vorliegen.
       
       Bereits angelaufen ist eine Gesundheitsstudie der Universität München. Die
       Wissenschaftler wollen herausfinden, wie stark Grundschüler und ihre Eltern
       aus den beiden Orten mit [1][den giftigen Schwermetallen Blei] und Cadmium
       belastet sind. Blei kann besonders bei Kindern die Hirnfunktion schädigen,
       Cadmium die Nieren angreifen. Die Behörden gehen davon aus, dass sich etwa
       400 Personen testen lassen.
       
       In der Zinkhütte Harlingerode wurde bis zum Jahr 2000 Zink aus Erz und
       Recyclingrohstoffen produziert. Die Zinkoxydhütte Oker stellte aus
       Schlacken und Rückständen anderer Metallbetriebe Zinkoxid her, einen
       Ausgangsstoff für Farben und andere chemische Produkte. Von 1527 bis 1970
       war außerdem die Bleihütte Oker in Betrieb. Rechtsnachfolger dieser Anlagen
       war zunächst die Harz-Metall GmbH, über Jahre einer der führenden
       europäischen Recycler für blei- und zinkhaltige Abfälle.
       
       ## Alarmierende Messergebnisse
       
       Wegen des coronabedingten Rückgangs der Metallpreise stellte das
       Unternehmen vor anderthalb Jahren Insolvenzantrag. Neue Eigentümer sind ein
       belgisch-mexikanisches Joint Venture und die Hildesheimer
       Bettels-Unternehmensgruppe. In der Region sind weitere Fabriken und
       Müllverbrennungsanlagen ansässig, die mit gesundheitsschädlichen Substanzen
       hantieren.
       
       In Unterlagen des Gewerbeaufsichtsamtes Braunschweig fand die
       Umweltschutzorganisation BUND nach eigenen Angaben teilweise alarmierende
       Messergebnisse: Grenzwerte für das hochgiftige Dioxin in der Abluft seien
       teilweise um das 18-fache überschritten worden. [2][„Über zehn Jahre lang
       duldeten die Behörden die hohe Dioxinbelastung am Nordharz“, kritisierte
       der BUND]. Harz-Metall räumte ein einmaliges Überschreiten von Dioxinwerten
       im Sommer 2017 ein und entschuldigte sich auch dafür. Das sei jedoch eine
       Ausnahme gewesen.
       
       Auch unter dem Druck der Öffentlichkeit beschloss der Goslarer Kreistag die
       umweltmedizinische Untersuchung der Anwohnerinnen und Anwohner aus den
       genannten Ortschaften. Zweimal musste das Vorhaben wegen Corona verschoben
       werden, Anfang November wurden die Testkits nun an die Schülerinnen und
       Schüler verteilt.
       
       ## Teilnahme ist freiwillig
       
       Für die als Blenca-Studie (Blenca steht für Blei und Cadmium) betitelte
       Untersuchung werden Urin- und Blutproben benötigt. „Die Blutproben
       untersuchen wir auf Blei, aus den Urinproben bestimmen wir Cadmium“,
       erklärt die Uni München. Während die Erziehenden beide Proben zu Hause
       entnehmen sollen, werden die Blutproben der Kinder durch die
       Umweltmediziner in der Schule genommen. Lediglich die Urinprobe müssen die
       Kinder daheim erledigen.
       
       „Natürlich hätten wir uns schon zu einem früheren Zeitpunkt Ergebnisse
       gewünscht“, sagt der Goslarer Landrat Alexander Saipa. „Die Coronapandemie
       hat uns da aber wie bei so vielen weiteren Vorhaben einen gehörigen Strich
       durch die Rechnung gemacht.“
       
       „Die Teilnahme ist freiwillig“, betont die Grundschule Harlingerode auf
       ihrer Internetseite. Alle Familien seien aber aufgefordert, mitzumachen.
       Der Amtsarzt des Landkreises Goslar hofft im Sinne möglichst
       aussagekräftiger Resultate, dass sich viele Menschen an der Studie
       beteiligen. Erste Ergebnisse dieser Untersuchungen werden dann im kommenden
       Frühjahr erwartet.
       
       Kritiker aus der Region sind erleichtert, dass die Untersuchung nun endlich
       anläuft. Sollten sich auffällige Schwermetallwerte in Blut und Urin der
       Testpersonen zeigen, könnten die Unternehmen vor Ort zu besseren
       Schutzmaßnahmen gezwungen werden.
       
       13 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Reimar Paul
       
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