# taz.de -- Leidenschaft fürs Drinnen sein: 26 Stunden im Bett
       
       > „Drinnie“ nennt man Menschen, die sich am liebsten drinnen aufhalten.
       > Manche finden das faul, unsere Autorin hat dafür einen eigenen Begriff
       > gefunden.
       
 (IMG) Bild: Was Drinnies mögen: auf dem Sofa chillen, Serien schauen, Junkfood gönnen
       
       Dass ich ein sogenannter [1][Drinnie] bin, daraus habe ich ja noch nie ein
       Geheimnis gemacht. „Drinnie“, das ist die Bezeichnung für eine Person, die
       sich am liebsten drinnen aufhält. Logischer Gegenpart ist: der Draußi. Über
       diesen Typus kann ich wenig sagen, da ich mich ausschließlich als Drinnie
       identifiziere. An dieser Stelle ein Shoutout an den [2][Podcast „Drinnies“]
       von Giulia Becker und Chris Sommer, der so was wie eine Bibel ist für jeden
       ernstzunehmenden Drinnie.
       
       Vor einigen Wochen hatte ich Geburtstag und pünktlich zu meinem 33. habe
       ich die Fähigkeit verloren, zweimal am Wochenende auszugehen und am Montag
       frisch und erholt in die Arbeitswoche zu starten. Seit Oktober gilt: Gehe
       ich Freitag raus oder Samstag? Ich muss mich entscheiden. Beide Tage gehen
       nicht. Mit „rausgehen“ meine ich sowieso schon lange nicht mehr
       ausgelassene Tanznächte – wie auch? Dank Corona-Moroni war ich das letzte
       Mal Ende 2019 im Club. Ich meine Dinner mit Freunden, vielleicht ein
       Barabend oder einen Geburtstag zu Hause feiern.
       
       Die Kombination aus Drinnie und über 30 ist fatal für mein soziales – und
       vermutlich auch für mein romantisches Leben. Ich kenne keinen Menschen, der
       freiwillig das ganze Wochenende im Bett verbringen, essen bestellen und
       Serien schauen will. Klar, jetzt wo der Winter kommt, wollen es plötzlich
       alle. Das kann ich aber nicht ernst nehmen. Es fühlt sich fast an wie
       [3][kulturelle Aneignung]. Im Winter, bei zwei Stunden Sonnenzeit am Tag,
       ist es leicht, ein Drinnie zu sein. Wir Hardcore-Drinnies verbringen auch
       im Sommer unsere Wochenenden im Haus.
       
       ## Zwei Tiefkühlpizzen am Tag
       
       Ich halte es für Drinnie-Diskriminierung, dass man rausgehen muss, um am
       sozialen Leben teilzunehmen. Ich versuche mir eine Welt und Gesellschaft
       auszumalen, in der es normal wäre, alles drinnen und im Bett zu machen.
       Klingt bescheuert und ist es vielleicht auch. Sehen wir es mal so: Der
       erste Mensch, der Pilze gegessen hat, wurde bestimmt auch von allen anderen
       belächelt und nicht ernst genommen. Jetzt freuen wir uns, dass es diese
       eine mutige Person gab, weil uns sonst kulinarisch einiges fehlen würde.
       Ich meine ja nur. Wenn in ein paar Jahrzehnten Drinnies Deutschland und die
       Welt regieren, würde ich mich über ein bisschen Credit freuen.
       
       Neulich habe ich 26 Stunden im Bett verbracht, ohne irgendwas Nennenswertes
       zu machen, und es war wie ein Kurzurlaub. Manche nennen es Faulheit, ich
       nenne es Drinnie-Selfcare. Und im Bett kam mir die Idee einer Dating-App,
       die nur für Drinnies ist. Keine Sport-Emojis in der Bio, kein Vergleichen
       der Runtastic-Strecken, kein Kletterngehen beim ersten Date.
       
       In der Drinnie-Dating-Welt sind wir stolz darauf, wenn wir zweimal am Tag
       Spinat-TK-Pizza essen und dabei eine komplette Serie zu Ende schauen. Keine
       schlechte Idee, oder? Ich lege gleich los, aber erst mal ruft mein Bett.
       
       14 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://drinnies.de/
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