# taz.de -- Boom des Secondhand-Handels: Die Mode von morgen ist von gestern
       
       > Textilriesen steigen groß in den Secondhand-Markt ein. Für gemeinnützige
       > Altkleidersammler:innen könnte das zu einem enormen Problem werden.
       
 (IMG) Bild: Es muss nicht unbedingt in die Samnmeltonne: Immer mehr Händler nehmen alte Kleider zurück
       
       BERLIN taz | Wer beim irischen Textil-Discounter Primark shoppen geht, kann
       dort jetzt auch seine alten Kleider abgeben – egal, wo er sie gekauft hat.
       Primark habe sich zu diesem Schritt entschieden, weil es ein nachhaltigeres
       Unternehmen werden wolle, teilt der Händler mit. Im Juli vergangenen Jahres
       hat die Modefirma ein Recyclingprogramm in Großbritannien gestartet und
       seitdem eigenen Angaben zufolge 23 Tonnen Kleidung eingesammelt.
       
       Auch die anderen Großen der Branche sind aktiv: H&M und Zalando nehmen
       getragene Kleidung zurück und geben Kund:innen einen Gutschein. Die
       Moderiesen nehmen Altkleidung nicht nur an, sie verkaufen sie auch auf
       eigenen Plattformen: Im Mai hat H&M 70 Prozent der Aktienanteile des
       Secondhand-Onlineshops Sellpy für gut 20 Millionen Euro erworben. Zalando
       bietet unter dem Namen „Pre-Owned“ gebrauchte Stücke in seinem Onlineshop
       an.
       
       [1][Altkleiderhändler:innen] sehen das mit Skepsis. Ein Motiv der
       Unternehmen sei, sich ein nachhaltiges Image zu verschaffen, sagt Thomas
       Ahlmann von FairWertung, dem Zusammenschluss für gemeinnützige
       Altkleidersammler:innen. Auch spielten finanzielle Interessen eine große
       Rolle, so Ahlmann. „Secondhand wird in den kommenden Jahren ein
       Riesengeschäft sein. Deswegen steigen alle massiv ein.“
       
       Laut einer Studie der amerikanischen Boston Consulting Group aus dem Jahr
       2020 hat der globale Altkleidermarkt ein Volumen von 30 bis 40 Milliarden
       US-Dollar. Die Unternehmensberater vermuten, dass dieser Markt in den
       nächsten Jahren um 15 bis 20 Prozent wachsen wird. Damit ist Secondhand
       einer der am schnellsten wachsenden Geschäftszweige in der Modeindustrie.
       
       ## Der Hauptgrund zum Kauf gebrauchter Kleidung: Nachhaltigkeit
       
       Eine Gefahr für das eigene Geschäft mit Neuware sehen die Modefirmen nicht.
       Das Interesse an Secondhandmode in Europa sei hoch und steige
       kontinuierlich, sagt ein Sprecher von Zalando. Durch die Implementierung
       von Secondhand im Zalando Onlinestore seien über 180.000 Artikel
       hinzugekommen. Auch H&M möchte das Geschäft ausbauen: „Wir werden die
       Entwicklung von Kreislaufgeschäftsmodellen fortsetzen, bei denen Produkte
       mehr genutzt und der Ressourcenverbrauch reduziert wird, während
       gleichzeitig neue Einnahmequellen geschaffen werden“, sagt ein Sprecher.
       
       Genaue Zahlen zur Größe des Secondhandmarktes in Deutschland gibt es bisher
       noch nicht. Die Gebrauchtwaren-Plattform Momox hat in einer repräsentativen
       Umfrage ermittelt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen schon einmal
       Secondhand gekauft hat. Fast zwei Drittel der Kund:innen erwerben
       gebrauchte Kleidung vor allem im Internet.
       
       „Der Onlinehandel löst einige strukturelle Probleme des Secondhand-Marktes:
       Es handelt sich bei gebrauchter Kleidung immer um Einzelstücke.
       Online-Angebote bieten eine viel größere Auswahl, als es Läden können“, so
       Ahlmann von FairWertung. Der Hauptgrund zum Kauf von gebrauchter Kleidung:
       die Umwelt. Momox zufolge geben 86 Prozent der Befragten an, Secondhandware
       aus Nachhaltigkeitsaspekten zu kaufen.
       
       ## Ein Drittel der gespendeten Ware wird downgecyclet
       
       Den Trend zu Secondhandware begrüßt Ahlmann vom Verband FairWertung
       grundsätzlich. Vor allem Plattformen, auf denen die Menschen ihre Kleidung
       privat untereinander weitergeben können, ließen Textilien länger im
       Nutzungskreislauf und seien damit zu begrüßen. Wiederverwendung und
       Recycling allein reichen aber nicht, betont Ahlmann. Eine ökologische
       Kehrtwende könne nur stattfinden, wenn weniger produziert werde. Eine
       Hochrechnung aus dem Jahr 2019 geht von 230 Millionen Kleidungsstücken pro
       Jahr in Deutschland aus, die nicht verkauft werden.
       
       Probleme bereitet der [2][Secondhand-Boom] gemeinnützigen Organisationen.
       Sie leben von direkten Kleiderspenden oder kaufen gebrauchte Kleidung von
       professionellen Sammler:innen. Laut FairWertung sind nur 3 bis 5 Prozent
       der gebrauchten und gespendeten Kleidung sogenannte Cremeware. Das sind
       Stücke, die noch gut erhalten sind und einen guten Preis erzielen.
       
       Etwa ein Drittel der gespendeten Ware wird zu Putzlappen verarbeitet. Das
       ist teuer und hat sich bisher aus den Erlösen der Cremeware finanziert. Die
       wird aber immer mehr von den kaufkräftigen Plattformen aufgekauft.
       
       ## Das Geld könnte bald knapp werden
       
       Für die Organisationen von FairWertung bleibt deshalb immer weniger
       verkaufbare Kleidung übrig. Wenn Kund:innen von Händler:innen oder
       Plattformen für ihre abgelegten Kleidungsstücke noch ein paar Euro
       bekommen, spenden sie sie nicht mehr. Das habe einige Organisationen schon
       an den Rand der Wirtschaftlichkeit gebracht, berichtet Ahlmann.
       
       Aus den Erlösen der alten Kleider werden von Organisationen wie [3][Oxfam]
       oder Caritasverbände auch andere soziale Projekte finanziert, etwa
       Jugendfreizeiten, Sanitätsdienste und Entwicklungshilfeprojekte. Setze der
       Trend sich wie bisher fort, könnte das Geld dafür bald knapp werden.
       
       17 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kleiderkammern-in-Hamburg/!5756292
 (DIR) [2] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/warenhaeuser-breuninger-und-karstadt-werben-mit-secondhand-mode-um-junge-kunden/27727088.html?ticket=ST-6772396-boiGGXbrfVKPIMsEQORY-cas01.example.org
 (DIR) [3] /Oxfam-Bericht-zu-Coronafolgen/!5743142
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Nickel
       
       ## TAGS
       
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