# taz.de -- Niedersachsens neues Wassergesetz: Läuft für die Industrie
       
       > In Niedersachsen soll ein neues Wassergesetz verabschiedet werden.
       > Kritiker:innen bemängeln die vielen Ausnahmen bei der
       > Gebührenpflicht.
       
 (IMG) Bild: Billiges Wasser für Coca Cola: Der firmeneigene Brunnen im Landkreis Lüneburg im Januar 2021
       
       GÖTTINGEN taz | Es ist eine trockene Angelegenheit – die Debatte über das
       niedersächsische Wassergesetz. Die anstehende Novelle soll die [1][Qualität
       der Gewässer] verbessern und die Grundwassernutzung regeln. Doch wo
       Umweltminister Olaf Lies (SPD) einen „großen Schritt“ sieht, bemängeln
       Kritiker den Entwurf als unzureichend. Trotzdem soll das Gesetz im Dezember
       im Landtag verabschiedet werden.
       
       Einer der häufigsten Kritikpunkte: die vielen Ausnahmeregelungen bei der
       Gebührenpflicht. So sind zum Beispiel Unternehmen aus der Erdöl- und
       Erdgasindustrie, dem Kies- und Sandabbau oder Wasserkraftwerke von den
       Gebühren befreit. Imke Byl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, sagt:
       „Es kann einem doch niemand mehr erklären, weshalb ich als Bürgerin für
       mein Wasser bezahle, die Industrie aber in weiten Teilen von der Gebühr
       befreit ist.“
       
       Der BUND und andere Verbände forderten, die Ausnahmeregelungen ganz
       abzuschaffen. Aus dem Umweltministerium heißt es, diese Änderungsvorschläge
       würden nicht weiter verfolgt, da das System der Wasserentnahmegebühr nicht
       Gegenstand des Gesetzentwurfs sei.
       
       Unverändert bleibt deshalb auch die Tatsache, dass öffentliche
       Wasserversorger fast genauso viel für den Kubikmeter Trinkwasser zahlen wie
       Firmen wie Coca Cola, die [2][in Lüneburg Grundwasser abpumpen], in
       Flaschen füllen und mit Gewinn weiterverkaufen. „Der Gesetzgeber bezeichnet
       Tiefengrundwasser als 'besonders schützenswertes Gut’, tut aber wenig für
       dessen Schutz“, kritisiert Marianne Temmesfeld von der Bürgerinitiative
       „Unser Wasser“ aus Lüneburg.
       
       Die Initiative bemängelt auch, dass als Grundlage für wasserrechtliche
       Genehmigungsverfahren, die regeln, wer wie viel Wasser nutzen darf, eine
       „völlig überaltete Datengrundlage herangezogen wird“, nämlich die Jahre
       1961 bis 1990. In Zukunft sollen Wasserbestände mithilfe der Periode 2021
       bis 2050 prognostiziert werden. Es sei vor dem Hintergrund der Klimakrise
       falsch, die Trockenjahre 2018 bis 2020 auszulassen, sagt Temmesfeld. Denn
       diese seien maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich die
       Grundwasserspeicher in Niedersachsen nicht erholen. Aus dem
       Umweltministerium heißt es dazu, die aktuellen Daten vom Deutschen
       Wetterdienst lägen bisher nicht vor.
       
       Die niedersächsischen Grünen fordern die Landesregierung auf, die Novelle
       des Wassergesetzes noch einmal zu überarbeiten. „Die jetzige Fassung ist
       nicht zukunftsträchtig“, sagt Imke Byl. Es fehle ein Maßnahmenplan, um
       drohende Nutzungskonflikte um Wasser zu verhindern. Die Grünen fordern
       einen „Klimapuffer“ gegen die Übernutzung von Grundwasserreserven.
       
       „Schleswig-Holstein ist Niedersachsen im Gewässerschutz mindestens einen
       Schritt voraus“, sagt Byl. Dort müssen zum Beispiel Firmen, die mit der
       Gewässerpflege beauftragt werden, nachweisen, dass sie umweltverträglich
       arbeiten. In Niedersachsen komme es immer wieder vor, dass Gehölzer an
       Gräben oder Flüssen einfach abgemäht werden. Dort fehlt dann der Schatten,
       der wiederum wichtig für bestimmte Fischarten ist.
       
       Auch das Thema Starkregenvorsorge bleibt unangetastet. Dabei habe es einen
       konkreten Vorschlag vom Wasserverbandstag gegeben, so Byl. Kommunen sollen
       demnach einen Zuschlag auf die Abwassergebühr erheben dürfen, um davon zum
       Beispiel Rückhaltebecken zu bauen oder spezielle Grünflächen anzulegen. In
       Nordrhein-Westfalen wurde das bereits umgesetzt, die zusätzlichen Gebühren
       betragen dort 2,40 Euro pro Haushalt und Jahr. „Das ist zwar nicht gratis,
       aber doch sehr günstig“, sagt Byl.
       
       Der BUND Niedersachsen findet immerhin eingeschränkt lobende Worte für das
       neue Wassergesetz. Er begrüßt die Schaffung von sogenannten
       Entwicklungskorridoren entlang von Fließgewässern. Diese können Lebensräume
       für verschiedene Arten schaffen und als natürliche Überschwemmungsgebiete
       dienen. Weniger sinnvoll sei, dass die Korridore starre 25 Meter breit sein
       sollten. Die Breite müsse flexibel bestimmt werden.
       
       Seit dem ersten Gesetzentwurf im Mai 2017 gab es zahlreiche Stellungnahmen
       und Änderungsvorschläge. An der Fassung vom September 2021 ändert sich
       trotz Kritik nichts mehr. In der Sitzung des Umweltausschusses am Montag
       wurde der Entwurf durchgewinkt.
       
       23 Nov 2021
       
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