# taz.de -- Geisterspiel am Totensonntag: Frauen werden nicht gefeiert
       
       > Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg müssen gegen Essen ohne Publikum
       > spielen. Grund ist der Totensonntag. Professionell wirkt das nicht.
       
 (IMG) Bild: Totensonntagsstimmung ohne Publikum: die Wolfsburgerin Eva Pajor (l.) steigt zum Kopfball hoch
       
       DFB und Liga treiben die Professionalisierung im Frauenfußball voran.“ Die
       Überschrift könnte von morgen stammen, ist jedoch genau so schon vor gut 20
       Jahren im Januar 2002 als Titel einer Agenturmeldung erschienen. Die
       Beschreibung der Fortschritte des deutschen Frauenfußballs wirken stark
       ritualisiert, wenn man die aktuellen Zuschauerentwicklungen [1][in
       England,] Spanien oder Italien im Auge hat. Oder auch, wenn man auf die
       Champions-League-Niederlage schaut, die der VfL Wolfsburg am
       Donnerstagabend gegen den vermeintlichen Außenseiter Juventus Turin (0:2)
       im eigenen Stadion hinnehmen musste.
       
       Aber in der Bundesliga, so lautet die neueste Fortschrittserzählung, geht
       es so spannend zu wie nie zuvor. Sechs eng beieinander liegende Teams
       können sich nach acht Spieltagen Hoffnung auf den deutschen Meistertitel
       machen. Wer wollte sich da nicht die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg
       anschauen, die sich vergangene Woche überraschend mit einem Sieg beim
       Titelverteidiger Bayern München an die Tabellenspitze setzen konnten?
       
       Das geht aber leider nicht. Zuschauer:innen sind für die Partie gegen
       die SGS Essen am Sonntag (18 Uhr) ausgeschlossen. Das teilte der VfL
       Wolfsburg bereits Ende Oktober mit. Grund ist nicht etwa die Coronalage,
       die den Verantwortlichen nicht geheuer war, sondern ein protestantischer
       Feiertag, der sich dem Publikumsvergnügen scheinbar unüberwindbar in den
       Weg stellt: der Totensonntag.
       
       Nach dem niedersächsischen Feiertagsgesetz, [2][so erklärte der Verein],
       seien „öffentliche Sportveranstaltungen gewerblicher Art“ eigentlich
       untersagt. In Absprache mit der Stadt Wolfsburg und dem Land Niedersachsen
       habe man es aber geschafft, „dass das Spiel unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit – also ohne Zuschauende – stattfinden darf“.
       
       ## Gegen das Feiertagsgesetz
       
       Diese Erfolgsmeldung erschließt sich vielleicht nicht allen, denen an der
       Professionalisierung des Frauenfußballs etwas gelegen ist. Die männlichen
       Fußballprofis des VfL Wolfsburg „durften“ noch nie am Totensonntag unter
       Ausschluss der Öffentlichkeit spielen. Etwa 115 Kilometer weiter
       südwestlich in Niedersachsen freuen sich derweil die Männerbasketballfans
       der BG Göttingen auf ein Highlight dieser Saison.
       
       Bayern München ist an diesem Totensonntag zu Gast. Mehr als 3.000 Karten
       sind bereits verkauft. Die Stadt Göttingen, teilt die Presseabteilung des
       Vereins mit, habe das Spiel trotz des Feiertagsgesetzes genehmigt. Im Jahr
       2017 bejubelten am Totensonntag gar in Wolfsburg 3.194 Männereishockeyfans
       den 5:2-Erfolg der Grizzlys gegen die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven.
       
       Eine Ausnahmegenehmigung habe man damals nicht erteilt, erklärt die Stadt
       Wolfsburg. Offenbar hat der Verein Sanktionen billigend in Kauf genommen,
       so wie einst die Männerfußballabteilung von Eintracht Frankfurt.
       Wissentlich verstieß 2011 der damalige Zweitligist gegen das Verbot, ließ
       seine Profis gegen Alemannia Aachen spielen und musste zur Strafe darauf
       500 Euro von den Zuschauereinnahmen für das Ordnungsamt abzwacken.
       Angezeigt wurde der Fall von der Grünen Jugend in Hessen, die eigentlich
       darauf aufmerksam machen wollte, wie unzeitgemäß in einer zunehmend
       säkularisierten deutschen Gesellschaft dieses Feiertagsverbot ist.
       
       Einen derartigen Ablasshandel, um für seine Sünden zu zahlen, wollte man
       beim VfL Wolfsburg offenbar nicht etablieren. Vielleicht geschah dies ganz
       in dem häufig postulierten Sinne: Frauenfußball ist anders. Möglich wäre
       allerdings auch gewesen, dass sich der Verein und der für die Spielplanung
       zuständige Deutsche Fußball-Bund weit im Voraus für einen anderen
       Spieltermin oder Spielort entschieden hätten.
       
       Die Stadt Wolfsburg erklärt, man habe den Verein bereits im Mai 2021 auf
       die Feiertagsregeln und damit auch auf den Totensonntag hingewiesen. Ein
       Heimrechttausch (in Essen darf am Totensonntag ab 18 Uhr auch vor
       Zuschauern Profifußball gespielt werden) oder eine Verlegung auf einen
       anderen Tag sei im Gespräch gewesen. Der VfL Wolfsburg lehnte diese
       Optionen aber ab. Diese seien wegen der Belastung des Teams inmitten vieler
       englischer Wochen „leider nicht umsetzbar“. Eine Zugfahrt von Wolfsburg
       nach Essen dauert gut zweieinhalb Stunden. Der Verzicht auf eigenes
       Publikum wurde vom Verein offenkundig als das geringere Übel betrachtet.
       Der DFB nannte die Wolfsburger Begründung nachvollziehbar.
       
       Auch eine Vorverlegung der Partie gegen Turin war offenbar nicht zu
       realisieren. Auf die Frage, ob es nicht ein schlechtes Zeugnis für die
       Professionalität des Frauenfußballs wäre, wenn eine Bundesligapartie ohne
       Zuschauer stattfindet, wollte der VfL Wolfsburg nicht antworten. Der DFB
       erklärte, der Vorgang sei nicht Frauenfußball-spezifisch.
       
       20 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Profifussballerin-ueber-Englands-Liga/!5793071
 (DIR) [2] https://www.vfl-wolfsburg.de/newsdetails/news-detail/detail/news/am-totensonntag-ohne-zuschauende/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Frauenfußball
 (DIR) VfL Wolfsburg
 (DIR) Feiertage
 (DIR) Frauen-Bundesliga
 (DIR) Kolumne Frühsport
 (DIR) WM-Qualifikation
 (DIR) Frauenfußball
 (DIR) FC Bayern München
 (DIR) Frauenfußball
 (DIR) Fußball-EM 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Titelrennen in der Frauen-Bundesliga: Wolfsburg, die zweite Macht
       
       Der VfL Wolfsburg redet den Erfolg der Spielerinnen gerne klein. Doch die
       Wahrheit ist: Das Team ist mit Bayern gleichauf.
       
 (DIR) Europas Frauenfußball und Deutschland: Spitze auch im Desinteresse
       
       Das neue Format der Champions League beschwingt den Frauenfußball. Nur in
       Deutschland ist trotz Sternstunden in Wolfsburg und Hoffenheim alles
       anders.
       
 (DIR) Bilanz der deutschen Fußballerinnen: Mehr Fortschritt wagen
       
       Nach dem 3:1-Sieg in Portugal ist das DFB-Team bei der WM 2023 wohl dabei.
       Die Entwicklung der jungen Spielerinnen lässt schon für die EM 2022 hoffen.
       
 (DIR) Fußball-Rekordspielerin Formiga hört auf: Die Unermüdliche
       
       Die brasilianische Fußballnationalspielerin Formiga, 43, nimmt Abschied.
       Sie blickt als Rekordhalterin auf sieben WM- und Olympia-Turniere zurück.
       
 (DIR) Unterschätzter Frauenfußball: Hochklassiger Geheimtipp
       
       Nur wenige verfolgten das Spitzenspiel zwischen Wolfsburg und München. Auch
       sonst wird Frauenfußball weiter stiefmütterlich behandelt.
       
 (DIR) Gewalttat im Frauenfußball: Konkurrenzkampf mit Metallstangen
       
       Schläger verletzen die Fußballerin Kheira Hamraoui von Paris
       Saint-Germain. Eine Teamkameradin soll das veranlasst haben.
       
 (DIR) Fußball-EM 2022 in England: Aufbruch in ein neues Zeitalter
       
       Die deutschen Fußballerinnen haben für die EM in England schwierige Gegner
       zugelost bekommen. Das Turnier soll Maßstäbe für zukünftige setzen.