# taz.de -- Impfskepsis, Querdenker und Chatgruppen: Verwurmter Wunderglaube
       
       > Die einen kaufen sich Entwurmungsmittel, andere lassen sich einen nicht
       > zugelassenen Impfstoff impfen. Woher kommt das Vertrauen in Chatgruppen?
       
 (IMG) Bild: Skeptisch: Impfgegner und Querdenker in Nürnberg
       
       Wenn es um Impfungen geht, bezeichnen sich manche [1][Menschen selbst als
       „skeptisch“]. Das ist nicht erst seit den Corona-Impfstoffen so. Die
       Weltgesundheitsorganisation benannte bereits vor der Pandemie 2019 das
       Zögern bei Impfungen als eine der [2][zehn globalen Bedrohungen] für die
       Gesundheit – neben der Klimakatastrophe, HIV oder einer Influenzapandemie.
       Den einen Grund für die „Skepsis“ bei Impfstoffen gibt es nicht. Aber bei
       manchen ist es offenbar ein rebellischer Akt gegen die Institutionen. Als
       skeptisch lässt sich ihr Verhalten jedoch dann nicht einstufen, wenn sie
       blind dem vertrauen, was sie in Chatgruppen oder auf
       Social-Media-Plattformen lesen und Medikamente nehmen, die weder zugelassen
       noch medizinisch geprüft wurden. Das ist gefährlich, aber nicht rebellisch.
       
       Am vergangenen Wochenende wollten sich mehr als 200 Menschen in Lübeck
       einen mutmaßlich nicht zugelassenen Impfstoff spritzen lassen, wie Polizei
       und Medien berichten. Am Samstagnachmittag hatten 50 Personen bereits eine
       Spritze bekommen, als die Polizei am Flughafen eintraf. Die Beamten
       beendeten die Aktion und stellten Impfproben und Spritzen sicher. Um
       welchen Impfstoff es sich handelt, ist bisher unklar, noch wird ermittelt.
       Die Annahme liegt jedoch nahe, dass es der angebliche Corona-Impfstoff ist,
       den der AfD-nahe Mediziner und Unternehmer [3][Winfried Stöcker] entwickelt
       hat.
       
       Stöcker gehört der Flughafen in Lübeck, an dem geimpft wurde. Spiegel TV
       berichtete im März über den „Corona-Tüftler“. Er bekam eine Anzeige, weil
       er sich und weiteren Menschen den Impfstoff verabreichte, ohne die nötigen
       Genehmigungen und Sicherheitsprüfungen. Wie wirksam sein Impfstoff ist und
       welche Nebenwirkungen in seltenen Fällen auftreten können, kann er nicht
       belegen. Seinen Impfstoff den zugelassenen vorzuziehen, lässt sich nicht
       rational begründen. In solchen Fällen von „Skepsis“ zu sprechen, ist
       verharmlosend.
       
       Ähnlich Irritierendes zeigt sich in Österreich. Dort nehmen Menschen
       offenbar ein Entwurmungsmittel für Pferde gegen Corona. Dabei wirkt das
       Mittel nicht gegen die Virusinfektion. Doch Anfang November hatte das unter
       anderem der Chef der rechten FPÖ, Herbert Kickl, verbreitet. Skeptisch wäre
       in diesen Fällen, die Behauptungen misstrauisch zu hinterfragen und Belege
       einzufordern, statt dumpf gegen die Institutionen zu wettern und sich
       selbst in Gefahr zu bringen.
       
       29 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Impfgegner-und-die-Coronapandemie/!5735702
 (DIR) [2] https://www.who.int/news-room/spotlight/ten-threats-to-global-health-in-2019
 (DIR) [3] /Rassismus-in-Goerlitz/!5016286
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Muschenich
       
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