# taz.de -- Umwelthilfe verklagt Niedersachsen: Beim Klimaschutz ungenügend
       
       > Nach dem Bund verklagen Aktivist:innen jetzt auch Niedersachsen auf
       > mehr Klimaschutz. Das Land gibt sich motiviert – außer bei der
       > Erdgasförderung.
       
 (IMG) Bild: Der Erfolg von Protestaktionen vor dem Umweltministerium in Hannover war mäßig. Jetzt wird geklagt
       
       BREMEN taz | Ehrgeiz ist da, zumindest in Worten: „Niedersachsen soll
       Klimaschutzland Nr. 1 werden“, heißt es auf der Seite des
       Landesministeriums für Umwelt. Doch aller Ambitionen zum Trotz hat das Land
       nun eine Klage von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und Fridays for Future
       am Hals: Das niedersächsische Klimaschutzgesetz, so der Tenor der Klage,
       ist nicht ausreichend, um das Pariser Klimaschutzziel von 1,5 Grad zu
       erreichen.
       
       Tatsächlich ist in dem Gesetz vom Dezember 2020 von „Nr. 1“ nicht viel zu
       spüren. Zwar hat Niedersachsen sich bei der Verabschiedung den Klimaschutz
       gleich auch noch in die Landesverfassung geschrieben, doch als
       [1][übergeordnetes Ziel ist im Gesetz noch Klimaneutralität bis 2050
       verankert.] Die Ziele der Bundesregierung, Klimaneutralität bis 2045,
       werden damit nicht erreicht, die Pariser Ziele und Empfehlungen der
       Wissenschaft schon gar nicht.
       
       „Wie will Niedersachsen 2050 rechtfertigen?“, fragt DUH-Anwalt Remo
       Klinger, „will das Land aus der Bundesrepublik aussteigen? Ansonsten müsste
       es nämlich Bundestreue beweisen und mitziehen.“ Tatsächlich kann der Bund
       alleine seine Klimaziele nicht erreichen, Abstände zwischen
       Windkraftanlagen, Solarkraft auf den Dächern, der Bau neuer Radwege, all
       diese Bausteine können nur auf Landesebene und in den Kommunen entschieden
       und umgesetzt werden.
       
       Auch das neue, ehrgeizigere Bundesgesetz hatten die Deutsche Umwelthilfe
       und junge Umweltaktivist*innen freilich [2][erst vor Gericht
       erstreiten müssen.] Ende April hatte das Bundesverfassungsgericht
       entschieden, dass die Bundesregierung ihre Anstrengungen zum Klimaschutz
       beschleunigen müsse, damit nicht alle Lasten an den nachfolgenden
       Generationen kleben blieben.
       
       ## Niedersachsen hat nur noch CO2-Budget für sechs Jahre
       
       Niedersachsen ist nicht das einzige Land, das nun eine Folgeklage erwartet.
       „Wir gehen jetzt in den Häuserkampf“, meint die stellvertretende
       DUH-Geschäftsführerin Barbara Metz. Nach Bayern, Brandenburg, Hessen,
       Mecklenburg Vorpommern, Nordrhein Westfalen, dem Saarland, Sachsen Anhalt
       und Sachsen sind jetzt eben Niedersachsen und Baden-Württemberg an der
       Reihe.
       
       Klageführer*innen sind als Betroffene der unzureichenden Maßnahmen
       fünf junge Menschen aus ganz Niedersachsen. Eine von ihnen ist Emily Karius
       aus der Region Verden, die sich seit Anfang 2019 bei Fridays for Future
       engagiert. „Jetzt muss auf jeden Fall an allen wichtigen Schrauben gedreht
       werden“, fordert sie. „Es reicht nicht, sich einzelne Sektoren
       rauszupicken.“
       
       Denn gehandelt werden muss nach einer Rechnung der Deutschen Umwelthilfe
       schnell und radikal: Heruntergerechnet auf die Bevölkerung dürfte
       Niedersachsen vom nationalen Restbudget an CO2 nur noch einen Anteil von
       etwa 403 Millionen Tonnen ausstoßen. Und wenn alles [3][weiter läuft, wie
       bisher,] wird das Land dieses Budget schon in den nächsten sechs Jahren
       verbraucht haben.
       
       ## Umweltminister Olaf Lies begrüßt die Klage
       
       Das mögliche Aufregerpotential, das in der Klage steckt, versucht das
       Umweltministerium politisch umzulenken. Minister Olaf Lies (SPD) zeigt sich
       über den Angriff vor allem dankbar und sucht den Konsens mit den
       Kläger*innen: „Diese Verfassungsbeschwerde bestärkt uns noch einmal in
       unserem Streben, noch in dieser Legislatur unser niedersächsisches
       Klimagesetz zu novellieren“, so der Umweltminister, „Wir werden in allen
       Bereichen einen noch konsequenteren Weg gehen.“
       
       Das bereitwillige Zugeständnis aus Niedersachsen überzeugt Anwalt Klinger
       vor allem aus einem Grund nicht: Es kommt zu langsam. Bis Sommer nächsten
       Jahres will das Ministerium ein neues Gesetz verabschieden, noch in dieser
       Legislaturperiode also.
       
       Das Bundesverfassungsgericht hatte das Bundesgesetz aber schon im April für
       grundgesetzwidrig erklärt und der Bundesregierung damit ein beschleunigtes
       Gesetzesverfahren auferlegt: Im August stand das neue Gesetz. „Da kann es
       doch nicht sein, dass Niedersachsen mehr als ein Jahr später so weit sein
       will“, findet Klinger. „Die sind vom Urteil auch betroffen.“
       
       ## Engagement der Landesregierung umstritten
       
       Die Grünen schlagen in eine ähnliche Kerbe: Selbst die unzureichenden Ziele
       aus dem bisherigen Klimagesetz habe die Landesregierung nicht verfolgt:
       Auch ein Jahr nach der Verabschiedung, so bemängeln sie, gebe es weder die
       versprochene Klimaschutzstrategie, noch Pläne zur Klimafolgenanpassung oder
       für eine klimaneutrale Landesverwaltung.
       
       Nicht alle sehen das neu aufgeflammte Engagement der Landesregierung so
       kritisch. „Ist doch prima“, lobt DUH-Geschäftsführer Sascha
       Müller-Kraenner. „Die Reaktion auf unsere Klage ist konstruktiv. Gar kein
       Vergleich mit der pampigen Umweltministerin von Baden-Württemberg, die
       gesagt hat, sie wisse gar nicht, was die DUH von ihr will.“
       
       ## Land will Zwischenziele für den Klimaschutz definieren
       
       Im neuen Klimagesetz, das jetzt bis Sommer erarbeitet und beschlossen
       werden soll, sollen die Reduktionsziele auf 65 Prozent bis 2030 und 100
       Prozent bis 2050 erhöht werden. Und vor allem verspricht das Ministerium,
       Zwischenschritte einzubauen, damit frühzeitig erkannt wird, wenn die Ziele
       nicht erreicht werden. Das ist eine wesentliche Forderung der Deutschen
       Umwelthilfe.
       
       Konkret ist von einer Photovoltaikpflicht auf allen Neubauten die Rede,
       sowie von einem besseren ÖPNV-Angebot die Rede. Und im
       Landesraumordnungsprogramm, so ein Sprecher des Ministeriums, könnte der
       strikte Vorrang landwirtschaftlicher Flächen weichen: Auf einem mittelguten
       Ackerboden könne dann in Zukunft statt eines Maisfeldes auch ein
       Solarprojekt genehmigt werden.
       
       Die Klage dürfte trotzdem noch sinnvoll sein, um Druck aufzubauen.
       Interessanter als die Vorschläge aus der Landesregierung sind ohnehin die
       Maßnahmen, die in den Vorschlägen des Ministeriums bisher nicht zu finden
       sind: Der Ausstieg aus der Erdgas- und Erdölförderung, zum Beispiel.
       „Niedersachsen prahlt gerne damit, dass sie bei allem möglichen Nummer 1
       sind“, meint Aktivistin Karius, „aber sie sind es halt vor allen bei der
       Erdgasförderung.“ 94 Prozent des deutschen [4][Erdgases kommen aus
       Niedersachsen.]
       
       10 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
 (DIR) [2] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
 (DIR) [3] https://indikatoren-lanuv-2.nrw.de/liki/index.php?liki=A2
 (DIR) [4] https://www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/forderung-von-erdol-und-erdgas-in-deutschland-sinkt-weiter-lbeg-legt-jahresbericht-fur-2020-vor-201415.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
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