# taz.de -- Konsens beim Sex: Männer wollen nicht immer
       
       > Frauen machen sich zu wenig Gedanken darüber, ob sie Grenzen bei Männern
       > überschreiten. Auch Männer haben nicht immer Lust auf Sex.
       
 (IMG) Bild: Vielleicht warten wir noch ein bisschen?
       
       Es ist noch ein langer Weg, doch in meinem Umfeld begegne ich immer mehr
       Männern, die sich Gedanken darüber machen, die Grenzen von Frauen beim Sex
       nicht zu überschreiten. Dass Frauen, die mit Männern schlafen, sich die
       gleichen Gedanken machen, nehme ich hingegen kaum wahr. Beim [1][Thema
       Konsens] scheint auch in feministischen, linken Kreisen oft noch ein
       traditionelles Männerbild zu herrschen: Männer wollen doch eigentlich immer
       Sex, es ist fast unmöglich, dass wir als Frauen ihre Grenzen überschreiten.
       
       Das ist natürlich Bullshit. Doch ich gebe zu, dass dieses Denken auch in
       meinem Kopf noch tief verankert ist. Das musste ich erst kürzlich
       schmerzhaft feststellen. Mein Sexpartner und ich hatten beide sehr viel
       Lust aufeinander, doch als ich ihn in mich aufnehmen wollte, sagte er:
       „Vielleicht warten wir damit lieber noch ein bisschen?“
       
       Ich weiß, dass er auf diese Weise manchmal schnell kommt. Ich dachte, er
       sagte es meinetwegen, er wollte mir die Möglichkeit geben, zuerst zu
       kommen. Daran, dass er sich gerade einfach nicht bereit für
       Penetrationssex oder Ejakulation fühlte, dachte ich nicht. Auch seine
       vorsichtig formulierte Frage nahm ich nicht als Nein ernst. Dabei sollte
       ich als Feministin eigentlich wissen: Nur Ja heißt Ja. „Vielleicht später“
       heißt nein. Auch wenn es von einem Mann kommt.
       
       Ich überschritt seine Grenze. Auch wenn er unseren Sex in dem Moment
       genoss, fühlte er sich im Nachhinein unwohl, verletzlich, nicht gesehen.
       Das tat mir zutiefst leid. Ich kenne ähnliche Gefühle nach dem Sex allzu
       gut. Gerade deshalb erschrak ich vor mir selbst: Wie konnte mir das so
       leicht passieren? Und wie oft war es mir vielleicht schon mit anderen
       Sexpartnern passiert?
       
       Ich weiß, dass die patriarchale Gesellschaft, in der wir leben, sexuelle
       Grenzüberschreitungen durch Männer begünstigt: Männer lernen oft früh, sie
       hätten ein Anrecht darauf, über weibliche Körper zu verfügen.
       [2][Sexualisierte Übergriffe] dienen oft dazu, männliche Macht zu
       demonstrieren und zu erhalten. Es ist kein Zufall, dass die überwältigende
       Mehrheit der Sexualstraftäter Männer sind. Ich habe das alles am eigenen
       Leib erfahren.
       
       Doch das Patriarchat hält durchaus auch Botschaften bereit, die die
       Überschreitung männlicher sexueller Grenzen begünstigen. Wir alle lernen,
       dass es zu Männlichkeit dazugehört, immer Sex haben zu wollen und zu
       können. Interviews, die ich in der Vergangenheit zu diesem Thema geführt
       habe, haben mir gezeigt, wie schwer es Männern dadurch manchmal fällt, ihre
       Grenzen zu artikulieren.
       
       Keinen Sex zu wollen, stellt schnell ihre Männlichkeit infrage. Oft kommt
       es vor, dass wir als Frauen eher denken, es liegt an uns, wenn ein
       männlicher Partner keinen Sex will, als dass er vielleicht … einfach keinen
       Sex will. Um uns wirklich vom Patriarchat zu emanzipieren, müssen wir
       anerkennen, [3][dass auch Männer Grenzen haben – und sie ernst nehmen].
       
       15 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sexszenen-am-Filmset/!5790805
 (DIR) [2] /Sexualisierte-Gewalt-anzeigen/!5813725
 (DIR) [3] https://www.nytimes.com/2018/09/07/style/modern-love-he-asked-permission-to-touch-but-not-to-ghost.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lou Zucker
       
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