# taz.de -- Rechtsradikale in der Ukraine: Klare Kampfansage
       
       > Nach dem Überfall auf eine Bar in Kiew protestieren Jugendliche gegen
       > rechte Gewalt. Der Angriff ist nur einer von vielen.
       
 (IMG) Bild: Die LGBTQ-Community in Kiew wird regelmäßig von Rechten angegriffen, hier bei der Gay Pride 2019
       
       KIEW taz | Mit Plakaten wie „Stoppt den rechten Terror“ und „we dance
       together, we fight together“ haben über 200 Menschen am Montag Abend in der
       ukrainischen Hauptstadt Kiew gegen zunehmende rechte Gewalt protestiert.
       Die vorwiegend jugendlichen Demonstrierenden forderten eine Aufklärung des
       Überfalls auf die Bar „Chwyljovyj“ im Kiewer Stadtteil Podil.
       
       Am vergangenen Freitag Abend hatten zwanzig Rechtsradikale versucht, in die
       Bar einzudringen, weil diese angeblich ein Treffpunkt von Drogensüchtigen
       und [1][Angehörigen der LGBTQ-Community] sei. Dank einer beherzten
       Verteidigung des Wachpersonals konnte das Eindringen verhindert werden.
       
       Die anschließende Belagerung der Bar durch die Rechtsradikalen wurde für
       die Barbesucher:innen indes zu einem traumatisierenden Erlebnis, als
       diese mit Steinen und Brandsätzen auf die Fenster warfen. Nach Angaben des
       ukrainischen Dienstes von BBC seien unter den knapp 20 Gästen auch drei DJs
       aus Berlin gewesen. Die Belagerer hätten auch Sätze wie „White Power“ und
       „Tod den Päderasten“ gebrüllt.
       
       Die meisten Besucher:innen hatten sich auf die Toiletten zurückgezogen,
       um dem Gas, das Angreifer wie Verteidiger eingesetzt hatten, zu entkommen.
       Als die Polizei 15 Minuten nach dem Anruf am Ort des Geschehens eintraf,
       waren die Angreifer verschwunden. Trotzdem wurden an diesem Abend 12
       Verdächtige vorübergehend festgenommen. Gegen sie wird jetzt wegen
       „Rowdytums“ ermittelt.
       
       ## Konkrete Taten
       
       Bei der Demonstration am Montag Abend berichtete der Besitzer der Bar
       „Chwyljovyj“, die Polizei habe mit ihm Kontakt aufgenommen und ihrer
       Besorgnis Ausdruck verliehen. „Aber uns reicht ihre Besorgnis nicht“
       erklärte er auf der Versammlung. „Wir wollen konkrete Taten sehen.“
       
       Der Überfall am Freitag, so berichtet das ukrainische Portal graty.me,
       reihe sich ein in eine Serie von Angriffen und Beschimpfungen, die einige
       Bars, in denen sich [2][die LGBT-Szene] gerne trifft, seit Monaten ertragen
       müssten. Mit einem „Kreuzzug gegen Drogennester“ wollten rechtsradikale
       Gruppierungen den Kiewer Stadtteil Podil „säubern“.
       
       Auf Twitter verurteilte die deutsche Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen,
       am Dienstag Abend den Überfall „der rechten Extremisten“ auf die Bar. Nun
       sei es an den Behörden, so Feldhusen, den Fall unverzüglich aufzuklären.
       
       Einer, der die rechte Szene schon seit geraumer Zeit beobachtet, ist Sergey
       Movchan, Koordinator des Projektes violence-marker.org.ua. Für ihn ist die
       Reaktion der staatlichen Behörden auf diese Gewalt völlig unzureichend.
       „Offiziell spricht man nicht von rechter Gewalt, weil man ja nicht der
       russischen Propaganda in die Hände spielen will.“ Leite die Polizei ein
       Verfahren ein, werde kaum ermittelt. Wenn Rechtsradikale, was selten der
       Fall sei, verurteilt würden, erhielten sie meist Bewährungsstrafen wegen
       weniger schwerer Vorwürfen wie Rodwdytums. Eine ähnliche Tendenz sieht
       Movchan auch in der ukrainischen Gesellschaft. „Sogar die Vertreter der Bar
       Chwyljovyj sprechen von ´Unbekannten´ oder ´Banditen´ und entpolitisieren
       somit diese Gewalt.“
       
       ## Chanuka-Leuchter umgeworfen
       
       Unterdessen berichtet das jüdische Portal jewishnews.com.ua von Übergriffen
       gegen jüdische Symbolik. So seien auf dem Kreschtschatik, der zentralen
       Einkaufsmeile Kiews, und im Zentrum der ostukrainischen Stadt Dnipro
       Chanuka-Leuchter umgeworfen worden.
       
       Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet am
       vergangenen Montag von [3][Übergriffen Rechtsradikaler gegen Roma] in dem
       Kiewer Vorort Irpin. Dort hätten, so HRW, Mitte Oktober 50 Rechtsradikale
       gezielt Wohnungen von Roma aufgesucht, die Bewohner:innen beschimpft
       und Wände beschmiert. Roma seien in der Ukraine häufig Opfer von Gewalt, so
       HRW. Nur selten würden die Täter bestraft. Noch immer gebe es kein Urteil
       zu dem Tod des Roma-Sprechers Nikolaj Kaspizkij 2017 in der Ortschaft
       Wilschany, beklagt HRW.
       
       1 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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