# taz.de -- Mit Friedrich Küppersbusch durch 2021: 20 Jahre kein Arsch in der Hose
       
       > War dieses das schlechteste Jahr bisher – oder sind wir nur verwöhnte
       > Blagen? Was wir jedenfalls brauchen für 2022, ist: eine Idee für Julian
       > Assange.
       
 (IMG) Bild: 26. Dezember: Diese Flüchtlinge werden von der Sea-Watch im Mittelmeer gerettet
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht im vergangenen Jahr? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Bundesregierung wie ihre eigene
       Schwangerschaftsvertretung.
       
       Und was wird besser im nächsten? 
       
       Die neue ist da!
       
       Mit dem 1. Januar 21 [1][fällt für 90 Prozent der bisherigen Zahler der
       sogenannte Soli weg.] Was haben Sie mit dem gesparten Geld angefangen? 
       
       Da war gerade die Mehrwertsteuer wieder erhöht worden und kurz drauf sprang
       die Inflation an: Nix! Ich hab’s nicht mal gemerkt. Empörenderweise gehöre
       ich nicht zu den 4 Prozent Topverdienern, die auch weiterhin Soli zahlen.
       Ursprünglich kassierte hier Kanzler Kohl für den „Zweiten Golfkrieg“, um
       statt Soldaten Geld schicken zu können. Das verkaufte man als
       irgendwie-solidarisch-mit-dem-Osten, seitdem ist der Begriff „solidarisch“
       am solidarsch. Das Jahr endet mit einem Koalitionsvertrag, in dem Steuern
       trotz SPD nicht erhöht und trotz FDP nicht gesenkt werden. Das Wort
       „Solidaritätszuschlag“ kommt auf den 177 Seiten gar nicht vor. Von einer
       Kriegsabgabe über ein finanzielles Hütchenspiel zu einer Reichensteuer:
       Respekt!
       
       Ende Februar werden vom Bundesinstitut für Arzneimittel die ersten
       Coronaschnelltests zugelassen. Wie viele haben Sie seitdem gemacht? Und
       welcher war der erleichterndste, welcher der überflüssigste? 
       
       Ich bin mehr so der Nasentyp, um die vulgäre Frage „schniefen oder kotzen?“
       zu überspringen. Erschüttert hat mich, dass da, wo ich mein Gehirn
       vermutete, noch erhebliche Hohlräume auszuloten sind.
       
       Am 24. März stellt das Paul-Ehrlich-Institut in seinem Sicherheitsbericht
       zu Nebenwirkungen von Corona-Impfstoffen fest: Bei nur 0,3 von 1.000
       Impfdosen gab es einen Verdacht auf schwere Nebenwirkungen. Hat sich das
       genug herumgesprochen? Und hätten die Medien mehr über leichte und mittlere
       Beschwerden nach der Impfung berichten sollen – sozusagen zur
       Vertrauensbildung? 
       
       „Hallo Querfreunde! Die linksgrün versiffte,taz' gibt hier verklausuliert
       zu, dass 30 von 100.000 Geimpften fast gestorben sind! Sauerei!“ Nein, es
       ist Mühle auf, Mühle zu, man erreicht manche nicht mehr. Und die false
       balance besteht gerade darin, aus einem zersplitterten Viertel der
       Gesellschaft eine schwer erziehbare Hälfte hochzujuxen. Die Medien sollen
       einfach ihren Job machen, „sagen, was ist“. Dass Journalismus, auch Satire
       und Comedy, tendenziell die Regierung unterstützen und Kritik von oben nach
       unten üben, ist auch damit kaum zu entschuldigen, dass sie ausnahmsweise
       recht haben.
       
       Mit dem 21. April ziehen sich alle englischen Klubs offiziell von den
       Plänen zur geplanten [2][European Super League] (ESL) zurück. Also wird
       Bayern auch die nächsten 10 Jahre Meister in der Bundesliga? 
       
       Widerlich sind ja nicht nur die sehr erwartbaren Pläne, eine Liga aus
       europäischen Krösusklubs aus eitel Fett zu modellieren. Widerlich ist,
       dass der FC Bayern noch mal so tun kann, als verteidige er Freund Leder
       gegen eine kranke Welt seelenloser Oligarchenklubs. Um am Ende doch
       mitzumachen.
       
       Am 1. Mai beginnt der offizielle Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan.
       Hat es in der Geschichte schon mal einen erbärmlicheren Abzug gegeben? 
       
       „Die Truppe hat einen super Job gemacht; nur der Job war halt bescheuert“:
       Unter diesem Tagesbefehl stolpert die Bundeswehr heim. Bei Licht betrachtet
       eine niedliche Dolchstoßlegende – der Auftrag der verpeilten Politiker war
       halt militärisch nicht umsetzbar. „Bürger in Uniform“ hätten dies längs der
       „Inneren Führung“ früher lauter ansprechen müssen. Bevor 53 KameradInnen
       starben. So gesehen könnten sie jetzt auch „20 Jahre kein Arsch in der
       Hose“ feiern statt Zapfenstreich. Die „Ampel“ will alle Auslandseinsätze
       überprüfen. Die darin enthaltene Vermutung, das könne nötig sein,
       charmiert.
       
       Am 10. Juni wird das Frankfurter SEK wegen „inakzeptablen Fehlverhaltens“
       mehrerer Mitarbeiter aufgelöst. Wäre das ein Modell für die gesamte Polizei
       in Sachsen oder haben Sie da noch Hoffnung auf demokratische Besserung? 
       
       „Ein von übersteigertem Korpsgeist geprägtes Eigenleben“ ist eine hübsche
       Umschreibung für eine Nazi-Chatgruppe im Staatsdienst. Hessens
       CDU-Innenminister rettete mit dem Rauswurf seinen Job und darf beim
       nächsten Polizeiball nicht mehr mit Tombola-Hauptgewinnen rechnen. Zuvor
       waren in Sachsen Polizeischüler wegen Nazisprech von der Hochschule
       geflogen. Zwei Lehren: Innenminister, die früher hinschauen; Augen auf
       schon bei der Rekrutierung.
       
       Vom 14. bis 17. Juli 2021 wird das Ahrtal schwer von Starkregen und
       Hochwasser getroffen. In der Stadt Sinzig sterben zwölf Bewohner einer
       Behinderteneinrichtung. Sind diese und andere Katastrophen in Zusammenhang
       mit den Überschwemmungen adäquat aufgearbeitet worden? 
       
       Hambacher Forst, Rezo-Video, nun die Flutkatastrophe in der Eifel: Die CDU
       hat sich in die Paranoia hineingesteigert, vor jeder Wahl passiere etwas in
       Sachen Jugend und Klima, das ihr schade. Das Irre ist: Es stimmt. Das
       könnte mit ihrer unklaren Linie beim Thema zu tun haben – auf gut Laschet
       „man ändert wegen eines solchen Tages nicht seine Politik“. Den Tag möchte
       man nicht erleben, an dem es doch nötig würde.
       
       Am 4. August fliegt die belarussische Olympia-Teilnehmerin Kristina
       Timanowskaja von Tokio aus ins Exil. Die Proteste gegen das autoritäre
       Regime in Minsk, das Drama an der polnischen EU-Außengrenze – sind wir
       schlicht überfordert von den Ereignissen oder ist die deutsche
       Zivilgesellschaft zu träge geworden? 
       
       Habeck wollte der Ukraine Drohnen geben, Baerbock Nord Stream 2, nunja, am
       stilllegendsten, und in der nunmehr Opposition holen befreite
       Unionspolitiker ihre Kalte-Kriegs-Textbausteine aus dem Keller. Da ist doch
       ordentlich was los in der Zivilgesellschaft. Die Kunst wird sein, knapp vor
       Rechthaben abzubiegen in Richtung Lösung. Also sozusagen: Außenpolitik,
       einem eher kleinen Land angemessen. Deutschland ist kaum moralische und
       kulturelle Instanz, es ist militärisch eher kompetent niedlich. Was bleibt,
       ist Wirtschaftsmacht.
       
       Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt – war am alten irgendwas
       besser? 
       
       27 Angeordnete weniger. Es ist gefühlt einen Jenninger her, seit alle
       PräsidentInnen eine Reform forderten – und das Hohe Haus bockte: Süssmuth,
       Thierse, Lammert, Schäuble hinterließen schwellende Häuser. Die Neue,
       Bärbel Bas, möchte nun „verhindern, dass Abgeordnete in Containern auf der
       Reichstagswiese hausen“. Ach naja. Man wüsste, wem man’s gönnte.
       
       Am 2. Oktober 2021 werden die „Pandora Papers“ veröffentlicht. Haben Sie
       denen irgendeine Scheußlichkeit entnommen, die Sie über die Superreichen
       noch nicht zumindest vermutet hätten?
       
       Machtmensch wird man, weil man total hehre Ideale hat, oder nichts anderes
       gelernt; weil die anderen noch schlimmer sind oder weil ein komplettes
       Lederoutfit teurer gewesen wäre. Zu dieser ambivalenten Neigung tritt bei
       35 Ex- und Noch-Regierenden ausweislich der Panama Papers die blanke
       Habsucht. Familie Blair, Ukraines Hoffnungsträger Selenskij, Tschechiens
       Babiš, und – ohne sie wäre man schon enttäuscht – Aserbaidschans
       Schurkenclan Aliev. Und bevor die Politik sich diese Verbrecher kauft,
       kauften Alievs umgekehrt ein Rudel Bundestagsabgeordnete. So nah sind
       Reich- und Armseligkeit beieinander. Andere Politiker – etwa der deutsche
       Finanzminister Scholz – forderten die Herausgabe der Unterlagen. Wer 600
       JournalistInnen seine Arbeit machen lässt, könnte gegen Ende des nämlichen
       Jahres mal eine Idee für Julian Assange entwickeln. Ohne Whistleblower
       keine „papers“.
       
       Am 3. November gewinnt der Republikaner Glenn Youngkin die Gouverneurswahl
       im US-Bundesstaat Virginia. Viele Siege für die Demokratische Partei von
       US-Präsident Biden gab es dieses Jahr nicht – oder täuscht der Eindruck? 
       
       Wir hier sind noch nicht mit freuen fertig, dass Trump weg ist – drüben
       isser längst wieder da. Biden und seine Demokraten verspotteten Youngkin
       als „Trump in Khakihosen“. Jetzt rätseln sie, ob ihm das die Wahl gewann.
       Bei den Kongresswahlen in einem halben Jahr kann Biden die knappe Mehrheit
       verlieren.
       
       Am 2. Weihnachtsfeiertag nimmt die im Mittelmeer kreuzende Sea-Watch 3 von
       einem Flüchtlingsboot 96 Menschen an Bord. Insgesamt hat die Crew damit
       fast 450 gerettete Bootsmigranten auf dem Schiff, das jüngste Kind ist zwei
       Wochen alt. Ist das eine tröstliche oder eine deprimierende
       Weihnachtsbotschaft? 
       
       „Soziales Ende der Pandemie“ heißt nicht nur, herzlos gegenüber Todkranken
       zu werden. Sondern auch, sein Herz wiederzufinden für die anderen Themen.
       
       Und was machten die Borussen? 
       
       Wenn der Plan war, so zu spielen, dass man Erling Haaland am Saisonende
       einen Vereinswechsel nicht übel nimmt, sind wir sensationell gut unterwegs.
       
       Fragen: [3][Ambros Waibel]
       
       31 Dec 2021
       
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