# taz.de -- Ingrid Betancourt in Kolumbien: Sie tritt nochmal an
       
       > 20 Jahre nach ihrer Entführung durch linksradikale Farc-Rebellen, will
       > Betancourt nochmal als Präsidentin kandidieren. Ihre Themen sind
       > unverändert.
       
 (IMG) Bild: Ingrid Betancourt bei der Ankündigung ihrer Kandidatur am Dienstag
       
       Sie will es noch einmal versuchen. Der erste Anlauf von Ingrid Betancourt,
       Präsidentin von Kolumbien zu werden, endete mit ihrer Entführung [1][durch
       die linke Farc-Guerilla.] Das ist 20 Jahre her. Betancourt blieb
       sechseinhalb Jahre in Geiselgefangenschaft, bis sie 2008 in einer
       unblutigen Befreiungsaktion des Militärs ihre Freiheit wiedererlangte. Am
       Dienstag verkündete Betancourt in Bogotá ihre Kandidatur für die
       Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr.
       
       Wie damals vertritt Betancourt, die heute 60 Jahre alt ist, die Partei
       Verde Oxígeno, die kolumbianischen Grünen. Bei ihrem ersten Anlauf war die
       Franco-Kolumbianerin gerade zur Senatorin gewählt worden, nachdem sie sich
       zuvor als Abgeordnete gegen Korruption auf allen Ebenen eingesetzt und
       damit einen Namen gemacht hatte.
       
       Nach ihrer Geiselgefangenschaft jedoch verließ Betancourt Kolumbien
       zunächst Richtung Frankreich. Sie schrieb ein Buch über ihre Hafterfahrung,
       unterstützte Organisationen, die sich für Terroropfer einsetzen, erhielt
       verschiedene internationale Preise und zog sich weitgehend aus der
       kolumbianischen Politik zurück. Dort erregte sie erst 2008 wieder Aufsehen,
       als sie den kolumbianischen [2][Staat wegen ihrer Geiselhaft auf
       umgerechnet 6,5 Millionen Euro Schadensersatz verklagte,] weil er sie als
       damalige Kandidatin nicht ausreichend geschützt habe.
       
       ## Die Vorwahlen stehen in zwei Monaten an
       
       Das kam in der Öffentlichkeit nicht gut an, war sie doch ausdrücklich vor
       der Wahlkampfreise in das damals von der Farc kontrollierte Gebiet gewarnt
       worden und hatte unterschrieben, die Fahrt auf eigene Gefahr anzutreten. Ab
       dem Augenblick ihrer Klage galt sie in der Öffentlichkeit vielen als
       undankbar und geldgierig.
       
       Verstimmt war zunächst auch Juan Manuel Santos. Der war als
       Verteidigungsminister der konservativen Regierung Uribe [3][für Betancourts
       Befreiung] verantwortlich, handelte später als Präsident das
       Friedensabkommen mit der Farc aus und wurde dafür mit dem
       Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Aber obwohl der konservative Santos und
       die grüne Politikerin Betancourt aus unterschiedlichen politischen Lagern
       stammen, unterhalten sie seither eine freundschaftliche Beziehung.
       Konservativen Anhänger*innen des früheren Präsidenten Alvaro Uribe gilt
       Santos als Verräter – und Betancourts Kandidatur als ein Schachzug Santos’.
       
       Das dürfte allerdings Unsinn sein. Betancourt ist zunächst eine von
       mehreren Kandidat*innen, die sich darum bewerben, von der Coalición Centro
       Esperanza (Koalition Mitte Hoffnung) ins Rennen geschickt zu werden. In
       knapp zwei Monaten finden die Vorwahlen statt, Ende Mai die eigentliche
       Wahl – wenig Zeit für Betancourt, sich nach langer Abwesenheit eine neue
       Anhänger*innenbasis aufzubauen.
       
       Ihre Themen sind die gleichen geblieben: Sie will Kolumbien gerechter und
       ökologischer machen und gegen die Korruption kämpfen. Ob das reicht, um
       gegen den derzeitigen linken Favoriten Gustavo Petro und seine
       konservativen Gegenspieler irgendwelche Chancen zu haben, ist fraglich.
       
       19 Jan 2022
       
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 (DIR) Bernd Pickert
       
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