# taz.de -- Oberstes Gericht der USA: „Es wird eine Schwarze Frau“
       
       > In den USA müssen Richterämter des Supreme Courts neu besetzt werden.
       > Präsident Joe Biden kann jetzt ein Wahlversprechen einlösen.
       
 (IMG) Bild: Eine der Kandidatinnen fürs Oberste Gericht: Ketanji Brown Jackson
       
       BERLIN taz | Für Joe Biden ist der angekündigte Rücktritt des Obersten
       Richters Stephen Breyer, 83, ein Glücksfall. Nun kann der US-Präsident eine
       Ankündigung aus seinem Wahlkampf wahr machen: „Es wird eine Schwarze Frau.
       Die Erste in dem Amt“.
       
       Der Zeitpunkt ist auch für die DemokratInnen gut gewählt. Denn noch
       verfügen sie über eine Mehrheit im Senat – sie ist hauchdünn, kann aber,
       wenn sie einig sind, für die Besetzung des Obersten Gerichtshofs reichen.
       
       An den Mehrheitsverhältnissen unter den neun RichterInnen, die an der
       Spitze der Rechtsprechung der USA sitzen, wird sich freilich nichts ändern:
       Die sechs Konservativen und Erzkonservativen – darunter drei von
       Ex-Präsident Donald Trump ernannte – behalten die Kontrolle.
       
       Ein Jahr und eine Woche nachdem Kamala Harris zusammen mit Biden an die
       Spitze der USA gekommen sind, hat der US-Präsident jetzt die Qual der Wahl
       für das oberste Gericht. Er kann unter zahlreichen hoch qualifizierten
       Kandidatinnen auswählen. Alle sind zwischen Mitte 40 und Ende 50 Jahre alt.
       Die meisten von ihnen haben an den Eliteuniversitäten Harvard, Yale oder
       Princeton studiert. Und viele kennen das oberste Gericht bereits von innen,
       weil sie ihre Karriere als Mitarbeiterinnen von obersten RichterInnen
       begonnen haben.
       
       ## Schwarze Frauen wählten Biden
       
       Unter Bidens Kandidatinnen befinden sich mehrere Richterinnen, die er
       selbst erst in den vergangenen Monaten für Bundesgerichte nominiert hatte.
       In seinen zwölf Monaten im Amt hat er acht Schwarze Frauen in
       Bundesgerichte geholt – das sind mehr, als alle vorausgegangenen
       US-Präsidenten zusammen. Schon afroamerikanische Männer hatten erst spät
       eine Chance, Karriere in den obersten Instanzen der US-Gerichte zu machen.
       Die ersten von ihnen wurden vor acht Jahrzehnten Bundesrichter. Weiße
       Frauen drangen rund zwei Jahrzehnte nach ihnen erstmals auf die Bänke in
       den Bundesgerichten vor.
       
       Die Ankündigung ist auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass der
       US-Präsident den afroamerikanischen WählerInnen insgesamt und den
       afroamerikanischen Frauen im Besonderen viel schuldig ist. Im Februar 2020,
       als Biden nur einer von mehr als einem Dutzend KandidatInnen für das Weiße
       Haus war, wurde der einflussreiche und langjährige Kongressabgeordnete
       James Clyburn zu seinem Präsidentenmacher.
       
       Bei einem Besuch des Kandidaten in Clyburns South Carolina stellte sich der
       afroamerikanische Abgeordnete so nachdrücklich hinter Biden, dass der
       seither auf die Unterstützung des größten Teils der afroamerikanischen
       WählerInnen des Landes setzen konnte. Der am stärksten geschlossene Block
       war jener der afroamerikanischen Frauen: Sie stimmten zu 90 Prozent für
       Biden.
       
       In dieser Woche versuchte Clyburn erneut sein Glück. Er schlug Richterin J.
       Michelle Childs aus South Carolina für das oberste Gericht vor. Er nannte
       die 55-Jährige, die nicht durch die Eliteschulen gegangen ist, eine Frau
       mit „tiefer rechtlicher Erfahrung“. Zu den anderen möglichen Kandidatinnen
       für das oberste Gericht gehören Leondra Kruger, 45, die gegenwärtig am
       State Court in Kalifornien sitzt, Ketanji Brown Jackson, 51, die
       gegenwärtig am Berufungsgericht in Washington, D. C., sitzt, und Sherrilyn
       Ifill, 59, die ihre Karriere als Anwältin und Bürgerrechtsaktivistin
       gemacht hat.
       
       ## Gericht mit tiefen Gräben
       
       Die künftige oberste Richterin wird ein Amt auf Lebenszeit erhalten. Auf
       ihrem Tisch werden die meisten strittigen Fragen der USA landen. Und sie
       wird einem Gericht mit vorsitzen, das entlang ideologischer und
       parteipolitischer Fragen tiefer gespalten ist, als es je zuvor der Fall
       war.
       
       Besonders tief sind die Gräben bei Themen, entlang derer sich die neue
       Rechte in den USA in den vergangenen Jahren entwickelt hat: Abtreibung,
       Schusswaffen, Gewerkschaften, Wahlrecht, Wahlfinanzierung sowie soziale,
       ökonomische und ökologische Auflagen für Konzerne.
       
       Der scheidende Richter Breyer ist mit 83 Jahren der Älteste am Gericht.
       Seine Entscheidung zum Rücktritt ist möglicherweise eine Lehre aus dem
       [1][Tod von Ruth Bader Ginsburg]. Die von Linken verehrte „RBG“ ist im Jahr
       2020 im Alter von 87 Jahren an Krebs gestorben. Sie hat an ihrem Amt
       festgehalten, als in der Amtszeit von Barack Obama die DemokratInnen noch
       die Mehrheit im Senat hielten.
       
       Sie erkannte erst spät, wie stark die Rechten im Land geworden waren.
       Unterdessen bereiteten im Hintergrund die konservativen „Föderalisten“ die
       Umkehr der Mehrheitsverhältnisse an dem obersten Gericht vor, suchten
       Konservative als KandidatInnen aus und brieften Republikanische
       PolitikerInnen. Bei RGBs Tod setzten die RepublikanerInnen unter Donald
       Trump in einem schnellen Verfahren [2][mit Amy Coney Barrett das politische
       Gegenteil] der linken Richterin an das oberste Gericht.
       
       28 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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