# taz.de -- Coronaprotest in Leipzig eskaliert: Psychiatriegelände gestürmt
       
       > Als die Polizei versuchte, einen „Anticoronaspaziergang“ zu stoppen,
       > durchbrachen Teilnehmer die Polizeikette. Proteste gab es auch an anderen
       > Orten.
       
 (IMG) Bild: Einsatzfahrzeuge der Polizei sichern das Gelände der Psychiatrie der Uniklinik Leipzig
       
       LEIPZIG taz | Im Zusammenhang mit Protesten gegen Coronaschutzmaßnahmen ist
       am Samstagnachmittag in Leipzig auch das Gelände des Universitätsklinikums
       gestürmt worden. Bei einem nicht angemeldeten Marsch vom
       Völkerschlachtdenkmal Richtung Innenstadt wurden einige Hundert
       Demonstranten mehrfach von der Polizei aufgehalten. Bei dem Versuch, die
       Sperren zu umgehen, überwanden sie auch ein von nur wenigen Polizeibeamten
       gesichertes Tor zur Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und
       Psychotherapie.
       
       Nach Angaben von Beobachtern handelte es sich um ein Ausweichmanöver und
       nicht um eine gezielte Attacke auf das Klinikum. Videos zeigen tätliche
       Angriffe auf Beamte, begleitet von Rufen „Wir sind das Volk!“.
       
       Zum wiederholten Mal hatten die rechtsextreme Kleinpartei „Freie Sachsen“
       und der Telegramkanal „Freies Deutschland/Sachsen“ zum „Spaziergang“
       aufgerufen. Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ ordnet diesen Kanal dem
       langjährigen NPD-Kader Volker Reiser zu und wies die Polizei darauf hin.
       Das Bündnis meldete selbst eine Gegendemonstration an, die friedlich
       verlief.
       
       Nach Angaben der Polizeidirektion Leipzig stoppten Einsatzkräfte den Zug
       der Coronamaßnahmen-Gegner aus Richtung Südosten schon bald nach dem
       Völkerschlachtdenkmal. Ein Versammlungsleiter sollte benannt werden. Der in
       Gruppen die Polizei umgehende Aufzug wurde in der Nähe des Klinikums ein
       weiteres Mal gestoppt, weil „Aufforderungen der Versammlungsbehörde nicht
       Folge geleistet wurde, keine Ordner eingesetzt waren und aktuelle
       Coronaschutzregeln unbeachtet blieben“. Daraufhin brachen „mehrere Dutzend
       Personen“ durch die Polizeikette auf das Klinikgelände durch.
       
       Der Übermacht der Demonstranten hielten die Polizisten zunächst nicht
       stand, bevor es ihnen gelang, das Gittertor wieder zu schließen. Die
       Demonstranten waren nun auf dem Gelände vor der Psychiatrie selbst
       eingekesselt. Zeitweise soll ihre Zahl nach Polizeiangaben „im mittleren
       dreistelligen Bereich“ gelegen haben. Nach Recherchen von „Leipzig nimmt
       Platz“ befanden sich unter ihnen mit Steffen Thiel ein aktives
       Vorstandsmitglied der NPD in Sachsen-Anhalt und mit Dirk Reuter ein
       bekannter Reichsbürger. Viele Demonstranten seien von auswärts angereist.
       
       Ein Video zeigt Versammlungsleiter Reinhard Rade am Gittertor im heftigen
       Disput mit Einsatzkräften der Polizei. Rade wurde in den 1990er Jahren von
       dem damaligen Vorsitzenden der „Republikaner“, Franz Schönhuber, zum
       „DDR-Koordinator“ der Partei ernannt, um rechtes Propagandamaterial
       einzuschleusen. Der gebürtige Österreicher war Leipziger Bauunternehmer,
       stand dem Pegida-Ableger Legida nahe und soll Verbindungen zum Compact
       Magazin unterhalten, das der Verfassungsschutz als rechtsextremen
       Verdachtsfall einstuft.
       
       Die Polizei nahm die Personalien von mehr als 50 Personen auf. Die Übrigen
       wurden laut Polizeibericht nach und nach „aus der polizeilichen
       Umschließung entlassen“. Ermittelt wird wegen Verstößen gegen das
       Versammlungsgesetz, gegen die sächsische Corona-Notfallverordnung, wegen
       Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen des Verdachts auf Land-
       und Hausfriedensbruch.
       
       Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende sächsische
       DGB-Vorsitzende Daniela Kolbe bezeichnete die Demonstranten als Faschisten,
       die eine klare Ansage bräuchten. Der Leipziger Grünen-Stadtrat und
       Ex-Landessprecher Jürgen Kasek twitterte, dass das für die Menschen in der
       Psychiatrie „eine extrem schlimme, traumatisierende Erfahrung“ gewesen sei.
       
       Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ vermisst nach den zuvor
       ergangenen Warnungen eine klare Stellungnahme der Behörden und ein
       entschlossenes Einschreiten der Polizei. Es handele sich „mitnichten um
       Aufzüge von ‚Bürger:innen‘, sondern im Wesentlichen um von Rechtsextremen
       geplante, durchgeführte und geleitete Demonstrationen“.
       
       ## Anti-Corona-Maßnahmen-Proteste auch in weiteren Städten
       
       Insgesamt registrierten die Innenbehörden am Wochenende 111 Demonstrationen
       mit knapp 34.000 Gegnern der Coronaschutzmaßnahmen. So nahmen in Frankfurt
       am Main nach Polizeiangaben in der Spitze schätzungsweise 4.000 Menschen an
       dem Aufzug teil, der zwischenzeitlich gestoppt wurde, weil die Mehrheit
       gegen die in den Auflagen geforderte Masken- und Abstandspflicht verstoßen
       habe.
       
       In Freiburg demonstrierten bis zu 4.500 Menschenr, in Düsseldorf 3.900 und
       in Osnabrück etwa 1.150. In Hamburg versammelten sich etwa 1.000 Menschen
       am Samstagabend auf der Wandsbeker Chaussee und skandierten „Teschentscher,
       komm raus“. Eine geplante Groß-Demonstration an der Binnenalster mit 11.000
       Menschen war zuvor aufgrund eines mangelhaften Hygienekonzepts gerichtlich
       untersagt worden.
       
       In Cottbus löste die Polizei eine nicht angemeldete Versammlung gegen die
       Coronaschutzmaßnahmen auf. An dem Aufzug in der Innenstadt hätten sich am
       Samstag bis zu 400 Personen in mehreren Gruppen beteiligt, teilte die
       Polizei in der Nacht zu Sonntag mit.
       
       Unterdessen formierte sich auch Protest gegen die Aufzüge der Gegner der
       Corona-Maßnahmen. In Cuxhaven kamen etwa 1250 Menschen zu einer Kundgebung
       für gesellschaftliche Solidarität in der Pandemie zusammen, wie ein
       Stadtsprecher sagte. Mit Abstand bildeten sie eine 2,5 Kilometer lange
       Menschenkette, die einmal um die Innenstadt reichte. Auch die
       niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD), der
       CDU-Bundestagsabgeordnete Enak Ferlemann und andere Politiker nahmen teil.
       
       In Freiburg haben mehr als 10.000 Personen den Aufruf „Unser Freiburg –
       zusammen gegen Corona“ für mehr Zusammenhalt und Solidarität
       unterschrieben. Zu den Unterzeichnern gehören auch die evangelische
       Stadtdekanin Angela Heidler, sowie ihr katholischer Kollege Alexander
       Halter sowie die Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Freiburg, Irina
       Katz.
       
       (mit dpa und epd)
       
       30 Jan 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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