# taz.de -- Antrittsbesuch von Olaf Scholz: Joe Biden setzt auf Nuancen
       
       > Auch bei der Bewertung der deutschen Position zum
       > Russland-Ukraine-Konflikt zeigen sich die USA gespalten. Die wichtigsten
       > Positionen.
       
 (IMG) Bild: Hat die Wahl von Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt: US-Präsident Joe Biden
       
       BERLIN taz | Olaf Scholz sei ein „Zögerer“, ein „Putin-Versteher“ und ein
       „unzuverlässiger Partner“. Das behaupten in diesen Tagen jene, die
       ökonomischen Druck, Aufrüstung und militärische Antworten für das
       wichtigste Werkzeug von Außenpolitik halten. In den USA kontrollieren diese
       Falken die Republikanische Partei und nehmen auch wichtige Positionen in
       der Demokratischen Partei ein. In Deutschland sprechen sie aus dem Mund des
       neuen Chefs der CDU. Sowohl in Washington als auch in Berlin geben sie den
       Ton in den transatlantischen Thinktanks an. Dass die [1][Berliner Regierung
       keine Waffen in die Ukraine liefern will], dass sie noch an der Pipeline
       Nord Stream 2 festhält, dass sie sowohl gegenüber Moskau als auch gegenüber
       Beijing mehr Diplomatie versucht als Washington – all dies gilt als Zeichen
       von Schwäche.
       
       Der aktuelle US-Präsident Joe Biden, bei dem Scholz am Montag seinen
       Antrittsbesuch als Bundeskanzler absolviert, hat eine nuanciertere Haltung
       zur deutschen Politik gegenüber Russland, der Ukraine und der Nato. Schon
       unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel verzichtete Biden darauf, seine Position
       gegen die Pipeline Nord Stream 2 durchzusetzen. Wie die Mehrheit der
       PolitikerInnen der beiden Parteien, die in Washington das Sagen haben, hält
       er das deutsch-russische Geschäft zwar für falsch. Als er Merkel aber zu
       einem Abschiedsbesuch in Washington empfing, verzichtete er auf Druck.
       Zurückhaltung zeigt Biden auch gegenüber dem deutschen und französischen
       Bremsen gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.
       
       In der neuen Berliner Regierung sieht Biden eine Chance. Wie seine
       Amtsvorgänger will auch Biden die EuropäerInnen zu höheren Militärausgaben
       und zu mehr „Lastenteilung“ drängen. Scholz’ Wahl hat Biden begrüßt. Er
       sieht darin das Potenzial für eine neue Zusammenarbeit jenseits von
       Militärfragen – unter anderem im Bereich der Klimapolitik.
       
       Außenminister Antony Blinken, der sich ursprünglich stärker gegen Nord
       Stream 2 aussprach als Biden, hat angesichts der aktuellen Krise sogar
       einen taktischen Nutzen in der Pipeline erkannt. Beim Antrittsbesuch der
       deutschen Außenministerin sagte er: „Die Pipeline verschafft uns ein
       Druckmittel gegen Putin.“
       
       ## Bidens eigene Partei vertritt keine geschlossene Position
       
       Ausdrücklich gelobt haben US-amerikanische Linke und PazifistInnen bei
       Demonstrationen zuletzt die deutsche Ablehnung von Waffenlieferungen an die
       Ukraine. Bidens eigene Partei dagegen vertritt zu weiteren
       Nato-Osterweiterungen und Geschäften mit Russland keine geschlossene
       Position. Das gilt auch für die Entsendung von weiteren Truppen und
       potenziellen künftigen Militäreinsätzen.
       
       Die offizielle Begründung US-amerikanischer PipelinegegnerInnen lautet,
       dass die Energiekooperation Deutschland und Europa von Russland abhängig
       mache. Jedoch verbergen sich hinter dieser Meinung auch eigene ökonomische
       Interessen. Die USA verfügen über gigantische Gasvorräte, die sie als
       Flüssiggas verkaufen wollen.
       
       Im US-Kongress haben sich zahlreiche DemokratInnen öffentlich gegen die
       Pipeline ausgesprochen. Viele von ihnen stammen aus Ölstaaten der USA –
       unter anderem aus jenen, die mit dem Fracking-Boom in größere Abhängigkeit
       von Gasexporten gekommen sind. Dennoch hat es die Demokratische Partei
       unter Biden bislang geschafft, die von den RepublikanerInnen versuchten
       Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu stoppen. Als Gegenzug haben die
       DemokratInnen unter Senatschef Chuck Schumer und dem Chef des
       außenpolitischen Ausschusses, Robert Menendez, eine Liste von bislang
       geheimgehaltenen Sanktionen erarbeitet, die im Fall einer russischen
       Invasion in die Ukraine in Kraft treten soll.
       
       [2][Kurz vor Scholz’ Ankunft in Washington] verteilte die deutsche
       Botschaft Informationen über die ökonomische Hilfe Berlins für die Ukraine.
       Daraus geht hervor, dass Deutschland mit zwei Milliarden Dollar für zivile
       Projekte direkt nach den USA der zweitwichtigste Partner des Landes ist.
       Auch von US-Seite kam Schützenhilfe vor der Ankunft des Kanzlers. John
       Emerson, der unter Barack Obama Botschafter in Berlin war, nannte die
       Kritik an Scholz „falsch“ und „überzogen“.
       
       6 Feb 2022
       
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