# taz.de -- BVG-Ticketkontrolle eskaliert: Fingerbruch und Bußgeld
       
       > Eine junge Frau geht mit gebrochenem Finger aus einer Fahrkartenkontrolle
       > hervor. Mit einem Instagram-Video wendet sie sich an die Öffentlichkeit.
       
 (IMG) Bild: Auf Instagram schildert die junge Frau, wie sie die Ticketkontrolle erlebt hat
       
       „Die öffentlichen Verkehrsmittel sollten nicht beängstigen. Und ich sollte
       keinen gebrochenen Finger haben“, schreibt Juju Kim auf Instagram. Mit
       diesen Worten [1][kommentiert sie ein Video], dass sie auf der Plattform
       hochgeladen hat. Darin schildert sie ihre Sicht auf eine
       Fahrkartenkontrolle, bei der ihr ihren Angaben zufolge ein Finger gebrochen
       wurde.
       
       An einem Dienstagabend im Januar sei sie von Friedrichshain Richtung
       Prenzlauer Berg gefahren. Dass sie kein Ticket hat, habe die junge Frau
       erst gemerkt, als sie schon in der Tram saß. Sie habe sich eine Fahrkarte
       über die BVG-App gekauft, wenig später seien zwei Kontrolleure
       eingestiegen. Kim, so berichtet sie später, zeigt einem der beiden ihr
       Ticket, doch der Kontrolleur sagt, sie habe es zu spät gekauft.
       
       Am Frankfurter Tor soll sie mit den beiden Kontrolleuren die Bahn
       verlassen, doch sie sei sitzen geblieben. Die beiden Kontrolleure seien
       immer aggressiver geworden, erzählt Kim später. Damit die Tram weiterfahren
       kann, sei sie schließlich mit den beiden Männern ausgestiegen. „Ich bin
       einfach weitergelaufen. Ich hatte ein Ticket, also bin ich nicht davon
       ausgegangen, dass ich etwas falsch gemacht habe“, sagt sie.
       
       Was danach an der Haltestelle passiert, ist in einem Video zu sehen, das
       ein Augenzeuge aufgenommen hat. Es zeigt, wie die Situation nach der
       Kontrolle eskaliert: Die Kontrolleure schreien Kim an, schubsen sie, packen
       sie am Arm. Als sie versucht, sich loszureißen, verdreht einer der Männer
       Kims Finger. Mehrfach bittet Kim darum, in Ruhe gelassen zu werden. Sie
       weint, hat offensichtlich Schmerzen, geht immer wieder in die Hocke. Der
       Kontrolleur lässt trotzdem nicht von ihr ab.
       
       ## Warum ist die Kontrolle eskaliert?
       
       Auf Instagram erzählt Juju Kim auch, dass sich zwei weitere Männer
       eingemischt hätten, die sich als zivile Polizisten ausgegeben hätten. Auch
       sie sollen Kim angeschrien haben, hätten außerdem ihren Ausweis und das
       Bußgeld verlangt. Als Polizisten ausweisen konnten die Männer sich nicht,
       so Kim. Als die richtige Polizei anrückt, rennen sie weg. Wer die beiden
       waren, ist noch unklar.
       
       Kim berichtet, dass ihr Ticket nicht gültig gewesen sein soll. Beim Kauf
       von Online-Tickets erscheint in der BVG App ein Timer, der zwei Minuten
       runterzählt. Dies ermöglicht es dem Kontrollpersonal, den unmittelbaren
       Kaufzeitpunkt nachzuvollziehen. Das Ticket gilt zwar, sobald der Zähler bei
       00:00 beginnt – muss jedoch vor Fahrtantritt erworben werden. So können
       Kontrolleur*innen zum Beispiel sehen, dass ein Ticket erst nach dem
       Aufruf zur Kontrolle gekauft wurde, heißt es bei der BVG. Immer wieder
       kommt es deshalb bei Kontrollen zu Diskussionen, manchmal sind die
       Kontrolleur*innen kulant.
       
       Nicht im Fall von Juju Kim. Ob die Kontrolleure rassistisch motiviert
       waren, ist bislang unklar. Aktivist*innen und Betroffene erheben schon
       länger den Vorwurf, dass Kontrolleur*innen im Auftrag der BVG
       regelmäßig [2][Fahrgäste aufgrund ihrer ethnischer Zuschreibung
       diskriminierten] und zum Teil schwere körperliche Gewalt ausübten.
       
       „Machtmissbrauch durch Kontroll- und Sicherheitspersonal im öffentlichen
       Nahverkehr ist ein strukturelles Problem, das häufiger Personen trifft, die
       durch bereits bestehende Diskriminierungsstrukturen marginalisiert sind“,
       sagt Achan Malonda vom Bündnis „BVG – Weil wir uns fürchten“, dessen Name
       angelehnt ist an den BVG-Slogan „Weil wir dich lieben“.
       
       ## Polizei ermittelt in beide Richtungen
       
       Im Fall von Juju Kim lasse sich zwar nicht differenzieren, ob ein
       allgemeines Aggressionspotential oder ein rassistisches oder sexistisches
       Motiv zur Körperverletzung geführt habe. Seit April 2021 habe das Bündnis
       jedoch Kontakt zu über 50 Betroffenen, die berichten, Diskriminierung und
       Gewalt bei Ticketkontrollen erfahren zu haben. Die meisten von ihnen seien
       durch Ableismus, Rassismus oder Queerfeindlichkeit marginalisierte
       Menschen.
       
       Die BVG selbst will sich zu dem Fall nicht äußern und verweist auf das
       laufende Verfahren: Sowohl gegen Kim als auch gegen einen der beiden
       Kontrolleure wird wegen Körperverletzung ermittelt. Die beiden Männer seien
       bei einem der beiden Subunternehmen angestellt, die die BVG mit der
       Fahrscheinkontrolle beauftragt hat.
       
       Alle Kontrolleur*innen erhalten Schulungen für „interkulturelle
       Kompetenz“, sowie Deeskalationstrainings, heißt es von der BVG. Das sei
       auch deshalb nötig, weil auch die Kontrolleur*innen immer wieder
       verbalen und körperlichen Angriffen ausgesetzt seien.
       
       Juju Kims Finger musste operiert werden, die Yogalehrerin kann nach eigenen
       Angaben zwei Monate lang nicht arbeiten. Vor wenigen Tagen sei sie das
       erste Mal seit dem Vorfall wieder Tram gefahren: „Ich war so ängstlich. Ich
       weiß nicht, ob ich dieses Gefühl jemals wieder loswerde.“
       
       17 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/p/CZ_bwXjDAyt/
 (DIR) [2] /Diskriminierung-bei-BVG-Kontrollen/!5759562
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johanna Jürgens
       
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