# taz.de -- Kolumbianischer Drogenboss sagt aus: Wenn Wissen zur Gefahr wird
       
       > Drei Monate nach seiner Verhaftung sagt Kolumbiens wichtigster Drogenboss
       > endlich aus. Dann werden die Mitschnitte gestohlen.
       
 (IMG) Bild: Dairo Antonio Usuga, alias „Otoniel“ bei seiner Festnahme Ende Oktober
       
       BERLIN taz | Einst galt Dairo Antonio Úsuga alias „Otoniel“ als „am meisten
       gefürchteter Drogenboss der Welt“. Im Oktober letzten Jahres [1][wurde er
       verhaftet] – und jetzt spricht er mit Kolumbiens [2][Wahrheitskommission],
       die in Umsetzung des Friedensabkommens von 2016 Verbrechen im Krieg
       zwischen Armee und Guerilla aufklären soll. Das wird offenbar vielen
       gefährlich.
       
       Jetzt haben Unbekannte die Mitschnitte des Gesprächs mit der
       Wahrheitskommission gestohlen – von denen es allerdings eine Kopie gibt.
       Sie durchwühlten Wohnzimmer und Küche des zuständigen Ermittlers und
       stahlen die digitalen Aufnahmegeräte, mit denen die Aussagen Otoniels am
       Donnerstag aufgezeichnet worden waren.
       
       Der jahrzehntelange Krieg wurde auch durch das Geld des Drogenhandels
       befeuert, und viele verdienten daran. Dairo Antonio Úsuga mischte 35 Jahre
       als Mitglied verschiedener bewaffneter illegaler Gruppen mit – zuletzt als
       Chef des berüchtigten Golf Clans. Er dürfte wissen, wie Politikerinnen,
       Mitglieder der Sicherheitskräfte und Drogenwelt zusammenarbeiteten oder
       dies bis heute tun.
       
       Der Clan ist neben dem Drogenhandel in illegalen Bergbau verwickelt,
       verantwortlich für Vertreibungen und ermordet Bürger- und
       Menschenrechtlerinnen. Er wird für den tonnenweisen Schmuggel von Kokain
       nach Zentralamerika und in die USA verantwortlich gemacht – weshalb Otoniel
       seit 2009 von der US-Justiz angeklagt ist, die seine Auslieferung verlangt.
       
       Fluchtplan unwahrscheinlich
       
       Der Kommissar der Wahrheitskommission und sein Ermittler hatten zuletzt am
       Donnerstag den Drogenboss in seiner Zelle aufgesucht. Die Polizei
       unterbrach die Aussage – sehr zum Missfallen der Wahrheitskommission, die
       [3][alle Formalitäten erfüllt] hatte. Sie forderte Garantien, um Otoniels
       Aussage mit der nötigen Vertraulichkeit aufzunehmen. „Die Bedingungen des
       Interviews müssen erlauben, dass die Person frei und freiwillig spricht.“
       
       Dass das – anders als sonst – im Fall von Otoniel nicht der Fall ist,
       schilderte Ermittler Andrés Celis nach dem Einbruch bei ihm zu Hause der
       Zeitung [4][El Espectador]. Die Polizei nannte als Grund für den Abbruch
       des Interviews, dass ein Fluchtplan Otoniels bekanntgeworden sei – was
       unwahrscheinlich klingt, schließlich befindet sich dieser streng bewacht
       und stets gefilmt im Polizeigefängnis.
       
       Die kolumbianische Gesellschaft habe das Recht zu erfahren, was im
       bewaffneten Konflikt passierte und warum er weiter anhalte, sagt die
       Wahrheitskommission. Laut dem überfallenen Ermittler Celis ist Otoniel
       tatsächlich bereit zu sprechen – allerdings nicht ohne sicheren Rahmen. Es
       gibt immer noch Opfer des bewaffneten Konflikts, die eine Aussage vor der
       Kommission scheuen aus Angst, dass sie in falsche Hände gerät und es zu
       Racheakten kommen könnte. Der Vorfall mit Otoniel wird sie wohl darin
       bestärken.
       
       20 Feb 2022
       
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 (DIR) Katharina Wojczenko
       
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