# taz.de -- Russlands Einfluss in Österreich: Putins willige Wiener Handlanger
       
       > Russland hat in Österreich großen Einfluss. Ehemalige Politiker lassen
       > sich dort gegen gute Bezahlung für Putins Interessen einspannen.
       
 (IMG) Bild: Wladimir Putin tanzte mit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) bei ihrer Hochzeit 2018
       
       WIEN taz | „Unverantwortlich, zynisch und beschämend“ findet die SPÖ die
       Weigerung von Österreichs Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), sich
       aus dem russischen Ölkonzern Lukoil zurückzuziehen.
       
       Schüssel, der Anfang des Jahrhunderts eine rechtskonservative Regierung mit
       der FPÖ anführte, sitzt nicht nur im Aufsichtsrat des deutschen
       Energiekonzerns RWE, sondern bessert seine üppige Politikerrente auch mit
       einem wohldotierten Aufsichtsratsmandat des russischen Ölriesen auf. Die
       Rede ist von 100.000 Euro jährlich.
       
       Der Aufforderung der Sozialdemokraten, durch einen Rückzug gegen den
       [1][russischen Angriffskrieg zu protestieren], will Schüssel nicht
       nachkommen. Lukoil, so ließ er über seine Sprecherin ausrichten, sei kein
       Staatskonzern, sondern eine an Londons Börse notierte Aktiengesellschaft.
       Sie sei auch nicht mit Sanktionen belegt.
       
       Anders reagierte einer seiner Nachfolger, der ehemalige SPÖ-Kanzler
       Christian Kern. Der legte nach Beginn der militärischen Aggression Moskaus
       gegen die Ukraine sein Aufsichtsratsmandat bei der Russischen Staatsbahn
       RZD nieder: „Seit heute Nacht ist die RZD tatsächlich Teil einer
       Kriegslogistik geworden. Ich bedauere das zutiefst.“
       
       ## Hofknicks vor Putin
       
       Weniger Skrupel hat da Ex-Außenministerin Karin Kneissl, die im Sold des
       Moskauer Ölkonzerns Rosneft steht. Der ist zwar formal auch eine
       Aktiengesellschaft, personell und strategisch aber eng mit Wladimir Putin
       verbunden.
       
       Die einst von der FPÖ in die Regierung von Sebastian Kurz geholte
       Nahostexpertin Kneissl hat auch beim russischen Propagandasender RT
       angeheuert. Bei dem zeigte sie noch direkt vor dem Überfall auf die Ukraine
       großes Verständnis für Putins Position. Russland ist zweitgrößte
       Auslandsinvestor in Österreich
       
       Kneissl ist international vor allem durch ihre Hochzeit im Sommer 2018 in
       Erinnerung. Bei der bedankte sie sich für ein Tänzchen mit dem eigens
       angereisten Kreml-Chef mit einem Hofknicks.
       
       Bewunderung für den russischen Autokraten hat in Österreich Tradition. Der
       ehemalige Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl (ÖVP),
       betrachtet Putin als seinen persönlichen Freund und erkannte in ihm noch
       vergangene Woche einen „schenialen (sic!) politischen“ Schachspieler.
       
       ## FPÖ und Putin-Parte sind Freunde
       
       „Jeder Zug ist überlegt und er nützt gnadenlos jede Schwäche der anderen
       aus,“ so Leitl. Wenn man nicht auf ihn höre, „dann wird er grantig und dann
       wird er, auch wie wir jetzt sehen, aggressiv.“
       
       Die rechte FPÖ hatte 2016 in Moskau sogar einen Freundschafts- und
       Kooperationsvertrag mit der Putin-Partei Einiges Russland geschlossen.
       Beobachter der FPÖ, die sie zum Referendum entsandte, das zur Annexion der
       Krim führte, äußerten sich voll des Lobes.
       
       Abseits der persönlichen Verflechtungen vieler Politiker ist Österreich
       auch wirtschaftlich eng mit der Russischen Föderation verbunden. 80 Prozent
       der Gasimporte kommen von dort, was die zögerliche Haltung der
       Bundesregierung gegenüber bestimmten Sanktionen erklärt.
       
       Jeder zweite Wiener Haushalt heizt mit Gas. Ein Gasbevorratungsgesetz, das
       zur Einlagerung eines Jahresbedarfs verpflichten soll, wird gerade erst
       diskutiert und bestenfalls 2023 nützlich sein.
       
       ## Zweitgrößter Auslandsinvestor
       
       Rund 600 Unternehmen unterschiedlicher Größe haben in Russland investiert.
       Über die Raiffeisen Bank ist Österreich auch auf Russlands Finanzsektor
       höchst präsent. Dort stehen rund 1,5 Milliarden Euro an Krediten aus.
       
       Umgekehrt hat Russland mit der Sberbank in Wien eine Niederlassung, die für
       ganz Mitteleuropa zuständig ist – und jetzt durch die Sanktionen bereits
       ins Wanken gerät. Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank hält sie
       für nicht mehr existenzfähig, wie sie in der Nacht auf Montag mitteilte:
       „Bei der Sberbank Europe AG und ihren Tochtergesellschaften kam es zu
       erheblichen Abflüssen von Einlagen infolge der Auswirkungen der
       geopolitischen Spannungen auf ihre Reputation“.
       
       Russland ist mit 21,4 Milliarden Euro Direktinvestitionen nach Deutschland
       größter ausländischer Investor in Österreich. Die Sberbank bildet mit den
       Energiekonzernen Lukoil und Gazprom das führende Trio.
       
       Der Oligarch Oleg Deripaska hält über seine zypriotische Rasperia Trading
       Limited 25,9 Prozent am Baukonzern Strabag, einem der größten in
       Österreich. Deripaska, einer der wichtigsten Wirtschaftsberater Putins,
       beschäftigt in seinem Unternehmen Russian Machines auch den
       österreichischen Milliardär Siegfried Wolf, der letztes Jahr das insolvente
       MAN-Werk in Steyr kaufte.
       
       2 Mar 2022
       
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