# taz.de -- Konflikt um Ostukraine: Putin gibt Minsker Abkommen auf
       
       > Der Konflikt um die Ostukraine eskaliert weiter. Separatistenführer
       > fordern offizielle Anerkennung durch Russland.
       
 (IMG) Bild: Ukrainische Soldaten an der Front zum Separatistengebiet bei Donezk
       
       Für Russland hat sich das Minsker Abkommen, das eine friedliche Lösung für
       die Ostukraine ermöglichen soll, offenbar erledigt. Es sei klar, dass die
       ukrainische Regierung das Minsker Abkommen nicht umsetzen werde. Das habe
       Kiew mehrmals öffentlich angekündigt. Daher habe der Verhandlungsprozess
       keine Perspektiven mehr, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag
       bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates in Moskau.
       
       Der Vizevorsitzende des Sicherheitsrates, Dmitri Medwedjew, sagte unter
       Bezugnahme auf die beiden sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk,
       die Ukraine brauche diese Territorien nicht. Deren Bewohner würden dort
       massenhaft Repressionen ausgesetzt und ihrer Menschenrechte beraubt.
       
       Zuvor hatten die prorussischen Separatisten in der Ostukraine Russlands
       Präsidenten Wladimir Putin am Montag dazu aufgerufen, die Unabhängigkeit
       der beiden sogenannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk anzuerkennen. „Im
       Auftrag der Bevölkerung bitte ich Sie, die Volksrepublik Donezk als
       Demokratie, als Sozial- und Rechtsstaat anzuerkennen“, heißt es in einer
       Erklärung von Rebellenchef Denis Puschilin, die der russische Staatssender
       Rossija-24 ausstrahlte.
       
       Zur Begründung sagte der Rebellenchef der selbst ernannten Volksrepublik
       Lugansk, Leonid Pasetschik, es gelte ein massenhaftes Sterben unter den
       Menschen der Republik Lugansk zu verhindern, von denen 30.000 Russen seien.
       Zuvor war eine Aufforderung der Separatisten an Moskau ergangen, eine
       Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung zu prüfen.
       
       ## Streit um Sanktionen
       
       Die EU-Außenminister haben sich am Montag in Brüssel in die Bemühungen um
       eine Entspannung der Lage in Osteuropa eingeschaltet. Dabei kamen Risse in
       der gemeinsamen Linie zum Vorschein; vor allem die geplanten massiven
       Sanktionen sorgen für Streit.
       
       Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bekräftigte die Forderung
       seines Landes nach sofortigen Strafmaßnahmen gegen Russland. Man erwarte
       nicht nur politische Botschaften, sondern konkrete Taten, sagte er. „Wir
       sind der Auffassung, dass es gute und legitime Gründe gibt, zumindest
       einige Sanktionen zu verhängen.“
       
       Rückendeckung bekam er aus dem Baltikum. Der litauische Außenminister
       Gabrielius Landsbergis sagte, es gebe bereits einen russischen Angriff auf
       die Ukraine, darauf müsse die EU reagieren. So könne man darüber
       nachdenken, diejenigen in Russland zu bestrafen, die für
       Falschinformationen zum Ukraine-Konflikt verantwortlich sind.
       
       Die USA warnen seit Tagen vor russischen Fake News und „False
       flag“-Aktionen, also Zwischenfällen unter falscher Flagge. Allerdings sind
       auch die amerikanischen Warnungen mit Vorsicht zu genießen. So hatte die
       US-Administration bereits für den vergangenen Mittwoch eine russische
       Militäroffensive angekündigt, die dann nicht eintrat.
       
       Deutschland, Österreich und Irland mahnen zu Zurückhaltung. Sanktionen
       solle man erst umsetzen, wenn Russland die Ukraine tatsächlich angreift –
       „aber nicht vorher“, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Jetzt gehe es
       um die Rückkehr an den Verhandlungstisch, betonte Außenministerin Annalena
       Baerbock in Brüssel.
       
       „Sanktionen sind eine Reaktion, eine Art Bestrafung“, erklärte Österreichs
       Chefdiplomat Alexander Schallenberg. „Das kann man nicht im Vorfeld machen,
       sollte man auch nicht.“ Der irische Außenminister Simon Coveney sprach sich
       dafür aus, das Augenmerk auf diplomatische Initiativen wie die für den
       USA-Russland-Gipfel zu legen.
       
       Hinter der Zurückhaltung steht nicht nur die Sorge, dass Sanktionen den
       Gesprächsfaden zwischen der EU und Russland zerreißen könnten. Deutschland
       und mehrere andere Mitgliedsländer fürchten zudem negative Rückwirkungen
       auf die eigene Wirtschaft. Denn das Sanktionspaket, das die EU-Kommission
       in Brüssel schnürt, hat es in sich.
       
       ## „Russland von Finanzmärkten abschneiden“
       
       Nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist im
       Ernstfall nicht nur ein „Aus“ für die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2
       geplant. Die Sanktionen zielten auch darauf ab, dass „Russland im Prinzip
       abgeschnitten wird von den internationalen Finanzmärkten“, sagte die
       CDU-Politikerin.
       
       Dies könnte zu Erschütterungen auf den Märkten führen und deutsche,
       französische oder italienische Banken in Mitleidenschaft ziehen, die stark
       in Russland engagiert sind. Sorgen bereiten auch die hohen Energiepreise –
       sie könnten bei einer Eskalation durch die Decke gehen, die Inflation
       anheizen und den Aufschwung gefährden.
       
       In wirtschaftliche Turbulenzen ist jetzt schon die Ukraine geraten. Das
       Land drohe wegen der Kriegsangst den Zugang zu den Kapitalmärkten zu
       verlieren, heißt es in Brüssel. Die EU-Kommission hat deshalb einen
       Notkredit in Höhe von 1,2 Milliarden Euro vorgeschlagen. Die Außenminister
       haben die Hilfe nun im Eilverfahren bewilligt.
       
       21 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
 (DIR) Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Ukraine-Konflikt
 (DIR) Donbass
 (DIR) Russland
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Ukraine-Konflikt
 (DIR) Nato
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Nachrichten zur Russland-Ukraine-Krise: Militäreinsatz gebilligt
       
       Der russische Föderationsrat hat einen Militäreinsatz im Ausland gebilligt.
       Die EU plant weitreichende Sanktionen gegen Russland. Scholz legt Nord
       Stream 2 auf Eis.
       
 (DIR) Putin erkennt die „Volksrepubliken“ an: Schmierenkomödie eines Aggressors
       
       Mit dem Truppenaufmarsch in der Ostukraine hat Präsident Putin vollends
       seine Maske fallen lassen. Damit scheint das Minsker Abkommen tot zu sein.
       
 (DIR) Reaktionen aus Putins Entscheidung: EU und USA kündigen Sanktionen an
       
       Nach der Anerkennung der Separatistengebiete kündigen EU und USA scharfe
       Reaktionen an. Baerbock beklagt Bruch des Völkerrechts. Röttgen spricht von
       Kriegsrede.
       
 (DIR) Konflikt in der Ostukraine: Ein Gefecht aus Vorwürfen
       
       Die Ukraine und die Separatisten werfen sich gegenseitig Eskalation vor.
       Vor allem über den Beschuss eines Kindergartens wird gestritten.
       
 (DIR) Ukrainer*innen in Berlin: Wachsende Sorgen und Ohnmacht
       
       Hunderte Menschen demonstrierten am europäischen Tag der Solidarität mit
       der Ukraine vor dem Brandenburger Tor. Die Sorge vor einer Eskalation
       wächst.
       
 (DIR) Friedensbewegungen und die Ukraine: Keine Solidarität, nirgends
       
       Große Teile der Friedensbewegung geben ein groteskes Bild ab – die Rolle
       Russlands wird kleingeredet. Dabei wären Alternativen gerade jetzt nötig.