# taz.de -- Mit Kindern auf dem Spielplatz: Unruhe im Biotop
       
       > Wenn man Kinder hat, trifft man ständig neue Leute. Doch Freunde finden
       > ist gar nicht so leicht: Elternsein ist einfach nicht ausreichend
       > Gemeinsamkeit.
       
 (IMG) Bild: Auf dem Spielplatz sitzen die meisten Eltern müde auf Bänken und halten ihre Augenringe in die Sonne
       
       Vincent ist ein armes Schwein. Sein Vater macht ihn von der ersten Sekunde
       an runter. Wieso er nicht weiterfährt auf seinem kleinen blauen Roller. Der
       Ton gefällt mir nicht, die Haltung, die Wortwahl. Alles daran ist mies und
       alles daran schreit, dass hier jemand mit seinem Kind redet, wie mit ihm
       selbst als Kind geredet wurde. So, wie er denkt, dass Eltern reden müssen.
       Vielleicht ist der Vater das arme Schwein. [1][Was tut man da, ich weiß es
       nicht.] Mischt man sich ein? Er wirkt nicht gewalttätig, außer verbal. Er
       ist Ende 30, Anfang 40. Typ cooler Papa mit Skateboard. Leider aber gar
       nicht so cool.
       
       Vincent ist drei Jahre alt, vielleicht vier. Er zuckt nicht mal mit der
       Wimper. Er dürfte das schon kennen. Es scheint, er macht alles falsch. Wie
       er fährt, was er sagt, was er nicht sagt. Ich würde ihn am liebsten in den
       Arm nehmen. Vincent und sein Vater haben vor uns den zwischen Häusern und
       einer hohen Metallwand versteckten Spielplatz betreten. Eine Oase mitten in
       der Großstadt. Oder vielleicht eher ein Biotop. Die kleinste Einheit der
       städtischen Lebensgemeinschaft.
       
       Auf engem Raum kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen, die alle das
       Gleiche wollen: die Kinder müde machen. Da führt man auch mal Smalltalk mit
       dem Elternteil, das Dinge erzählt, die einen überhaupt nicht interessieren.
       Hauptsache die Kinder spielen. Es war ein Trugschluss, dass ich dachte, man
       findet ganz leicht Eltern-Freunde, wenn man Kinder hat. Ja, man lernt viele
       Leute kennen, die auch Kinder haben, weil man ständig in diesen Biotopen
       hockt. Aber Freundschaften, das kommt nicht so oft vor. Kinderhaben ist
       einfach nicht ausreichend Gemeinsamkeit. Die Trefferquote auf dem
       Spielplatz ist etwa so hoch, als würde man irgendwelche Leute im Supermarkt
       anquatschen – weil hey, wir sind beide einkaufen, da haben wir doch was
       gemeinsam. Funktioniert nicht.
       
       Auf dem Spielplatz sitzen die meisten [2][Eltern erschöpft auf Parkbänken
       und halten ihre Augenringe in die Sonne]. Andere tippen eifrig in ihr Handy
       und erledigen da, zwischen Schaukel und Rutsche, [3][bezahlte oder
       unbezahlte Arbeit]. Und niemand wird jemals wissen, wie diszipliniert sie
       funktionieren in ihrem engen Organisationskorsett. Den tippenden Eltern
       schaue ich am liebsten zu. Alle paar Minuten schrecken sie hoch, als hätten
       sie kurz vergessen, wo sie sind. In ihrem Blick steht: „Mist, ich hab ja
       zwei Kinder, wo sind die Kinder …“ Dann schweift der Blick über den Platz,
       bis die vertrauten Köpfe ins Visier geraten. Aufatmen. Weitertippen.
       
       Vincent muss nach Hause. Als er mit dem Roller losfährt, macht sein Vater
       ihn runter. Er solle die Zunge drin lassen beim Fahren. Sonst müsse er
       gleich zu Fuß nach Hause, dann bleibt der Roller hier. Vincent reagiert
       nicht. „Ich erwarte mir sofort eine Antwort, wenn ich mit dir rede!“ Aus
       dem Biotop erheben sich die Elternköpfe. Keiner tippt mehr. Mischt man sich
       da ein? Ich weiß es nicht.
       
       18 Mar 2022
       
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