# taz.de -- Tagebuch aus der Ukraine und dem Exil: Eine Woche Krieg
       
       > Russland greift die Ukraine an. Menschen fliehen, aufs Land oder ins
       > Exil. Andere bleiben und kämpfen. Nichts ist mehr, wie es war. Fünf
       > Tagebücher
       
 (IMG) Bild: Schnell noch den letzten Zug nach Lviv erreichen: eine Familie auf den Gleisen des Bahnhofs von Kiew am 3. März
       
       Selim H. ist 17 Jahre alt und studierte vor dem Krieg
       Automatisierungstechnik in Kiew. Dort lebt er auch mit seiner Familie.
       Eigentlich kommt er von der Krim und ist Krimtatar. 2014 musste er wegen
       der Annexion der Halbinsel durch Russland mit seinen drei jüngeren
       Geschwistern, seiner Mutter, seinem Stiefvater und seiner Großmutter von
       dort fliehen. 
       
       Nachdem er am Donnerstag der vergangenen Woche, am 24. Februar, von
       Detonationen geweckt wurde, bereitete sich die Familie auf eine Evakuierung
       vor. Sie kochte Essen vor, packte Kleidung ein und stellte eine
       Notfallliste zusammen. Tags darauf beschloss sie jedoch zu bleiben und sich
       im Keller des Einfamilienhauses zu verstecken. Als Selim H. mit seinem
       Tagebuch beginnt, sitzen sie alle bereits seit zwei Tagen im Keller. 
       
       ## Samstag, 22.32 Uhr
       
       Wir halten uns weiterhin im Keller auf, nur Oma ist stur und weigert sich
       nach wie vor, runterzukommen. Ich zweifle auch etwas, ob der Keller als
       Schutzraum sicher genug ist. Aber wir bereiten uns so weit es geht vor,
       basteln Molotowcocktails und Mutter hat sogar eine alte Armbrust
       hervorgeholt.
       
       Die Armbrust konnten wir damals bei unserer Flucht von der Krim noch
       mitnehmen. Gemeinsam mit meinem jüngeren Bruder stellt unsere Mutter auf
       einem 3D-Drucker Pfeilspitzen für die Bolzen her.
       
       Gestern noch verfolgten wir den ganzen Tag die Nachrichten und ich
       versuchte, Fake News zu widerlegen und Nachrichten von westlichen Sendern
       an Bekannte in Russland weiterzuleiten.
       
       Heute sind die Nachrichten inspirierend. Selbst auf den russischen Kanälen,
       die eigentlich Propaganda verbreiten, sehen wir, wie unsere Streitkräfte
       den russischen Soldaten ihre Kriegsmaschinen abnehmen.
       
       Für mich besteht kaum ein Zweifel, dass dieser Krieg für Russland böse
       enden wird. Die Frage ist nur, wann und zu welchem Preis. Der Vater meines
       Freundes wurde in diesem Krieg getötet. Ich kann mir nicht vorstellen, wie
       es sich für ihn anfühlen muss, jemanden auf diese Weise zu verlieren. Fast
       stündlich schickt mir mein Telefon neue Benachrichtigungen, die vor
       Luftangriffen warnen. Ich kann nur beten, dass unsere Familie nicht noch
       einmal fliehen muss …
       
       ## Sonntag, 17.52 Uhr
       
       Den ganzen Tag war etwas zu tun. Es mussten weitere Vorbereitungen
       getroffen werden, denn wir werden hier wahrscheinlich eine ganze Weile im
       Keller verbringen. Wir haben den Keller freigeräumt und Matratzen nach
       unten gebracht. In Vasilki, östlich von Kiew, wo meine Großeltern
       väterlicherseits leben, ist ein Öldepot durch russisches Bombardement in
       Brand geraten.
       
       Ich hoffe so sehr, dass wir nicht wieder fliehen müssen. Ich erinnere mich
       daran, wie die Krim annektiert wurde, als ich zehn Jahre alt war. Mitten in
       der Nacht wurde ich wach wegen der Panik meiner Eltern. Wir stiegen ins
       Auto, fuhren los, ohne Ziel. Meine Geschwister und ich rollten uns auf der
       Rückbank zusammen und versuchten zu schlafen. Meine jüngste Schwester war
       kein Jahr alt und wurde noch gestillt.
       
       Wir wollen unser Haus nicht wieder wegen russischer Angriffe verlassen.
       Äxte, Schaufeln, Molotowcocktails, eine Armbrust und vielleicht auch ein
       paar zerbrochene Spiegel – alles wird von Nutzen sein.
       
       Molotowcocktails sind recht einfach herzustellen – natürlich nicht die
       effektive Version. Wir haben einfach etwas Öl mit Benzin gemischt, eine
       Weinflasche etwa zur Hälfte gefüllt und einen Lappen in die Flüssigkeit
       gesteckt.
       
       Wir kochen Wasser ab und füllen es in Flaschen, um es aufzubewahren. Unsere
       Badewanne haben wir auch mit Wasser gefüllt, damit wir noch etwas zu
       trinken haben und uns waschen können, falls die städtischen Leitungen
       getroffen werden.
       
       Die Lebensmittel, die wir eingelagert haben, rationieren wir – schließlich
       weiß niemand, wie lange es dauern wird.
       
       ## Montag, 21.18 Uhr
       
       Ohne Fenster und Tageslicht aufzuwachen, ist ungewöhnlich. Wir sind zuletzt
       nicht mal mehr auf die Straße gegangen – es wäre auch zu gefährlich. Wir
       sind sehr froh, dass wir in Sicherheit sind und ein Haus gemietet zu haben.
       Es ist klein und wenn alle Lichter aus sind, ist es von draußen kaum zu
       sehen. Außerdem sind wir weiter weg vom Geschehen – die Luftschutzsirenen
       erreichen uns nicht, die Raketen hören wir aber.
       
       Auch wenn gerade keine neuen Anschläge gemeldet werden, ist da dieses
       Gefühl der Hilflosigkeit und das Gefühl, nicht genug für unser Land zu tun.
       Ich weiß, dass ich in der Landesverteidigung nutzlos bin. Ich weiß nicht,
       wie man eine Waffe benutzt und ich bin ein schwacher Mensch. Ich bin feige
       und habe Angst vor dem Tod.
       
       Ich habe versucht, Bekannte in Russland über den Krieg zu informiere, ich
       habe auch Spenden für die Armee gesammelt. Und trotzdem fühlt sich das
       nicht genug an. Aber es gibt immer Hoffnung. Ich weiß, dass dieser Krieg
       enden wird. Dass der wahnsinnige, paranoide und illegitime Herrscher
       unseres östlichen Nachbarn wahrscheinlich sterben oder von seiner eigenen
       korrupten Elite gestürzt werden wird. Höchstwahrscheinlich werde ich sogar
       eines Tages endlich die Sprache meines krimtatarischen Volkes so gut
       lernen, wie ich Ukrainisch kann.
       
       Ich bin immer noch erstaunt, wie schnell sich alles entwickelt hat. In nur
       wenigen Tagen sind wir Ukrainer, die normalerweise durch politische
       Streitigkeiten so gespalten sind, vereint und unser Präsident scheinbar in
       Stunden gereift. Manchmal tun mir sogar die russischen Soldaten und das
       russische Volk leid, die als Marionetten benutzt werden.
       
       ## Dienstag, 20.02 Uhr
       
       Alles andere als gut. Ich dachte, dass die Ruhe und die Sicherheit des
       Kellers gut für das Gemüt wären. Aber diese Annahme war falsch – es
       herrscht ein ständiger Druck durch potenzielle Bombardierungen und eine
       große Ungewissheit.
       
       Ich dachte, wir wären vorher durch die Coronamaßnahmen isoliert gewesen.
       Aber jetzt erst recht. Fast die gesamte Familie sitzt in einem kleinen
       Zimmer fest, das zur Hälfte mit Matratzen belegt ist und in dem nur das
       jüngste Kind aufrecht stehen kann. Wir haben aber eine
       Bewältigungsstrategie für diese Situation gefunden: Wir teilen uns Arbeit
       in jedem Bereich zu: kochen, abwaschen, aufräumen, lernen – alles, was den
       Geist ablenkt.
       
       Eine Freundin von mir ist als Köchin zu den territorialen
       Verteidigungskräften gegangen. Seither hat sie sich nicht mehr gemeldet.
       Eine andere hat ihren Vater verloren, der der territorialen Verteidigung
       angehörte. Ein anderer Freund, der von der Armee eingezogen wurde, wartet
       ständig an einem Stützpunkt und wünscht sich, in den Kampf zu ziehen. Das
       ständige Ausharren belastet ihn.
       
       Auch die, die weggelaufen sind, sehen sich mit Gefühlen der Hilflosigkeit
       und Schuld konfrontiert, egal, was sie tun. Trotzdem geht das Leben weiter.
       Meine Geschwister lernen für Prüfungen, die stattfinden, wenn der Krieg
       endet. Ich versuche, meine Freunde auf dem Laufenden zu halten. Die ganze
       Zeit sehe ich Bilder der zerstörten, ausgebrannten Städte und höre die
       fernen Explosionen. Ich denke darüber nach, wie es weitergehen wird, wenn
       das alles vorbei ist. Wie wird die Ukraine wiederaufgebaut, wie viele
       Menschen werden unter den Folgen dieses Krieges leiden und wie wird sich
       unser Leben verändern?
       
       ## Mittwoch, 13.23 Uhr
       
       Ich weiß nicht, worüber ich schreiben kann, wirklich. Das Gute ist, dass
       dieser Tag für uns relativ ruhig war. Wir hatten mehr Routine, wir haben
       Essen gekocht und sogar ein paar Filme auf dem Computer angeschaut.
       
       Ich habe gehört, wie unsere Eltern darüber redeten, ob sie unseren
       Vermieter darum bitten sollen, das Haus für uns zu reservieren, falls wir
       doch fliehen müssen. Das beunruhigt mich.
       
       Ich will nicht weg. Ich will nicht noch einmal von vorne anfangen, irgendwo
       weit weg von zu Hause. Wann wird das enden?
       
       ## Donnerstag, 17.32 Uhr
       
       Der Tag ist ruhig. Ich glaube nicht, dass wir flüchten. Obwohl weiter
       abgewogen wird. Aber wie mit so vielen Leuten? Und mit Soldaten, die auf
       zivile Transporte schießen. Und, ja, … mit jedem Tag stimmen die
       Nachrichten hoffnungsvoller.
       
       Also ich glaube nicht, dass wir gehen. Wir bleiben im Keller und wenn die
       Feuer verglommen sind, bauen wir das Land wieder auf … Ich werde zur
       Universität gehen, Programmierer werden. Aber egal was wir tun, wir werden
       es in einer vereinten Ukraine tun, mit europäischen Nachbarn … Und für
       jetzt? Jetzt warten wir.
       
       ## Freitag, 5.35 Uhr
       
       Nicht aufwachen … Was? War das eine Explosion in der Ferne? Nein, nein …
       wie spät? Ah 6 Uhr.
       
       Was? Was sagen die Nachrichten? Was zur Hölle? Die Wodkasäufer haben ein
       Feuer in einem Atomkraftwerk ausgelöst? Warum?
       
       Okay, unsere Flüchtlinge werden in Europa leben und arbeiten, das … Das ist
       gut zu wissen.
       
       Aber diese … diese Monster, sind wahnsinnig. Warum passiert das? Wann endet
       dieser Albtraum?
       
       Aus dem Englischen von Sara Rahnenführer
       
       ## Ljuba Danylenko – „Wir wollen keine Flüchtlinge sein“
       
       Ljuba Danylenko, 46, Dolmetscherin und Historikerin, ist am 22. Februar mit
       ihrer Freundin Tanja Pastuschenko in die ukrainischen Karpaten geflohen.
       Danylenko hat zwei Kinder. Die 22-jährige Tochter ist noch in Kiew, der
       fünfjährige Sohn ist bei ihr. Die Männer haben sich zum Militär gemeldet. 
       
       ## Vor dem Krieg
       
       Schon vor Wochen wurde es immer gefährlicher. Trotzdem, bis zuletzt
       glaubten wir: So weit kommt es nicht. Erst nach der Anerkennung der
       separatistischen Gebiete und als der Einsatz von russischen Truppen im
       Ausland erlaubt wurde, schwand die Hoffnung.
       
       Meine Freundin Tanja war um mich und Ostap, meinen Sohn, besorgt und zwang
       mich am Dienstagabend, den 22. Februar, Kiew zu verlassen. Sie hatte
       Zugtickets für die Karpaten. Unsere Männer verabschiedeten uns am Bahnhof.
       Wir hatten nur das Nötigste dabei.
       
       Die Männer meldeten sich dann sofort beim Militär. Mein Mann war schon 2014
       im Donbass im Einsatz, er weiß, was zu tun ist. Tanjas Mann ist
       Philosophieprofessor und meldete sich beim Zivilschutz.
       
       Den ersten Tag in den Karpaten haben wir noch schlittenfahrend verbracht.
       Aber im Morgengrauen des 24. Februar wurde ich vom Anruf meines Mannes
       geweckt: Der Krieg hat begonnen. Kiew wird beschossen. Andere Regionen
       auch.
       
       ## Tag 1
       
       Hunderte Meldungen, Telefonate. Mit zitternden Händen kaufe ich eine der
       letzten Fahrkarten in die Westukraine für meine 22-jährige Tochter; sie ist
       in Kiew. Sie schafft es, kommt raus, mit zwei Katzen, braucht einen halben
       Tag vom linken auf das rechte Ufer des Dnjepr. Kaum Benzin in der Stadt.
       Staus, Schüsse, Luftalarm.
       
       In Kiew bleiben so viele Freunde, Verwandte. Meine Schwester mit ihrem
       behinderten Sohn. Unsere Zeitzeugin, die 91-jährige Nadeschda. Auch unsere
       96-jährige Freundin und Auschwitz-Überlebende Anastasia Gulej, die so viel
       für den Frieden getan hat.
       
       Ich bekomme Angebote, in Deutschland unterzukommen, aber ich will nach
       Hause, wir wollen keine Flüchtlinge sein.
       
       Schlafen können wir nicht. Die Nachrichten von Erfolgen unserer Armee, von
       Heldentaten der Bevölkerung machen uns Mut. Die Meldungen über Verluste
       erfüllen uns mit Trauer. Und da ist Stolz auf unser Volk, das zusammenhält,
       trotz verschiedener innenpolitischer Ansichten und Sprachen. Wir sind das
       Volk. Slawa Ukraini!
       
       ## Tag 2
       
       Ich kann nicht denken, nichts schreiben.
       
       ## Tag 3
       
       Bruchstückhaftes Schlafen und höchste Anspannung, ob Kiew noch unser ist.
       
       Aufatmen: Kiew steht. Ich denke an meine Mutter Heimat. Im wörtlichen
       Sinne. Aber auch an die Gedenkstättenstatue, das höchste Monument Kiews,
       das am Dniprohügel steht. Das ist mir schon immer aufgefallen, dass die
       Frau mit Schwert und Schild gegen Osten gerichtet ist. Nicht gegen Westen,
       obwohl sie dem Zweiten Weltkrieg gedenkt. Tanja und ich haben im
       dazugehörenden Museum gearbeitet.
       
       Die 96-jährige Anastasia geht nicht ans Telefon. Sie wohnt direkt neben dem
       Flughafen – einer Zielscheibe. Während der Covidquarantäne hat sie ein
       Denkmal eingeweiht, das an die Opfer des ersten Bombenangriffs im Zweiten
       Weltkrieg am 22. Juni 1941 erinnern soll. Ich will kein zweites Denkmal
       dort sehen. Später erfahren wir, dass unsere betagte Freundin die Nacht im
       Keller verbrachte. Aber sie lebt.
       
       Meine Tochter ist bei Verwandten angekommen. Sie lebt. Die letzte Chance,
       Kiew vom linken Ufer aus zu verlassen, war gestern. Die Metro fährt nicht
       mehr; Brücken sind gesperrt. Meine arme Schwester und ihr Sohn sind dort.
       
       Die 91-jährige Nadeschda meldet sich per Telegram. Sie, ihr blinder Mann,
       ihre Töchter und ein zweimonatiges Enkelchen sind in Kiew in einem
       Hochhaus. Sie ist frohen Mutes und hofft auf den baldigen Sieg. Sie lebt.
       
       Kurze Telefongespräche mit unseren Männern, sie sprechen nicht viel. Alles
       gut. Alle da. Alle kampfbereit.
       
       Viele Proteste in Europa. Endlich Swift-Ausschluss. Auch Waffenlieferungen.
       Die Freude überwiegt die Enttäuschung. Warum nicht früher? Was man nicht
       gleich zahlt, muss man später tausendfach zurückzahlen.
       
       Hier in den Bergen kommen immer mehr erschöpfte, verängstigte Leute an.
       Kleinkinder und Säuglinge dabei. Aber sie leben.
       
       In den Geschäften sind die Regale halb leer. Kein Brot. Wir zahlen mit
       Karte.
       
       Menschen helfen einander, organisieren sich, sind achtsam – auch wegen
       Kollaborateuren. Ein alter Mann fuchtelt mit der Krücke gegen russischen
       Panzer: „Geht weg.“
       
       Schlechte Nachrichten. Ukrainische Städte werden erobert. Cherson fiel.
       Ochtyrka zählt viele Opfer und Schäden und kämpft weiter. Iwankiw nördlich
       von Kiew wird als eine der ersten eingenommen. Das Heimatmuseum, in dem wir
       eine Ausstellung zur NS-Besatzung machten, ist zerstört. Sogar Lwiw und
       Iwano-Frankiwsk erleben Luftalarm.
       
       ## Tag 4
       
       Wir grüßen uns nicht mehr mit Guten Morgen. Das bringt man nicht über die
       Lippen. Das Erste, was wir im Morgengrauen dann tun: Die Nachrichten
       checken, rausfinden, ob unser geliebtes Kiew noch steht. Ja, meint Tanja,
       von einer Niederlage habe sie nichts gelesen.
       
       Meine Schwester schreibt. Die Nacht saßen sie in einem Schulkeller, es sei
       zwar kalt, aber die Leute helfen sich gegenseitig. An Lebensmitteln hätten
       sie und ihr Sohn nur noch ein Stück Brot und zwei Bananen. Es dröhnt von
       überall her. Sie tröstet mich, dass es Wasser genug gebe, dass sie lieber
       hungern werde, als durch Bomben zu sterben.
       
       Villenvororte bei Kiew sehen kaputt aus. Die Panzerkolonne „V“, die
       Richtung Kiew vordrang, wurde zerschlagen. Man sagt, es waren
       tschetschenische Truppen. Schauderhafte Bilder.
       
       Tanja fragt, wer soll das alles neu aufbauen? Ich sage, nach dem Zweiten
       Weltkrieg war auch alles zerstört. Deutschland konnte sich schnell mit
       Hilfe von außen erholen, wir werden auch Hilfe bekommen.
       
       Heute ist Sonntag. Wir gehen zum Gottesdienst. Die Kirche ist voll. Der
       Priester sagt: „Nicht verfluchen, sondern beten um Gottesschutz.“
       Gottesschutz für den Kampf, meint er, denn er zitiert auch unseren
       Nationaldichter Taras Schewtschenko: „Kämpft und ihr werdet siegen! Gott
       wird euch helfen!“ Unser Taras. Deine Worte.
       
       Bislang habe ich keine Nachrichten aus Russland. Obwohl ich dort Verwandte
       und Kollegen habe.
       
       Unsere Männer okay, soweit es geht.
       
       Und auch Nachrichten von unserer Anastasia: „Ich habe Hitler überlebt,
       Stalin überlebt und dieses Arschloch Putin werde ich auch überleben!“ Sie
       hat vor nichts mehr Angst, lange nicht mehr. Mit ihren 96 Jahren und den
       zwei schlimmsten KZ-Lagern, Auschwitz und Bergen-Belsen, die sie erlebte.
       Brot habe sie keins, aber Brei genug.
       
       Auf und ab die Stimmung. Gibt es noch Corona? Japan schließt sich den
       Sanktionen an. Die Städte Melitopol und Nowa Kachowka sind von den
       Besatzern erobert. Schwere Kämpfe in Charkiw. Der Flughafen in Schytomyr
       unter Beschuss. In der Westukraine Luftalarm. Es hört sich nicht gut an.
       
       Tausende melden sich für den Zivilschutz, Hunderttausend als Kämpfer. Viele
       Freiwillige werden gar nicht erfasst. Die Ukraine steht für die Demokratie
       und Freiheit Europas ein.
       
       Unsere Militärverluste werden verschwiegen, wir können sie nur erahnen.
       
       Und sag, kommt jetzt Gefahr auch aus Belarus? Noch nie in der Geschichte
       haben unsere Völker sich bekriegt. Alles völlig verdreht.
       
       Eine riesige Demo in Berlin. Freunde schicken Fotos. Die historische Rede
       von Scholz ist so klar und deutlich; nun ist Deutschland seine historische
       Verantwortung gegenüber Russland los.
       
       Wir überlegen, weiterzuziehen. Wie schön ist unsere Ukraine. So ein
       riesiges Land erobern? Sehr unklug. Widerstand wird es immer geben.
       Eindringlinge, die hier in die Karpaten einfallen, müssen mit heftigem
       Widerstand rechnen. Selbst das Flüsslein heißt Opir – Widerstand. Die
       Erinnerungen an den Sowjetterror sind noch wach.
       
       Ostap malt und will sein Bild unbedingt zu Hause an die Wand hängen. Ja,
       sage ich. Für ihn steht das Wort „Kiew“ für Zuhause. Er versteht noch
       nicht, dass die ganze Dreimillionenstadt so heißt.
       
       ## Tag 5
       
       Der Schlaf endet um 3 Uhr morgens. Draußen schneit es. Herrliche Ausblicke
       auf weiße Berge.
       
       Nachrichten checken. Antworten, weiterleiten, sich beruhigen, sich sorgen.
       Kaffee tut gut. Ostap schaut beim Frühstück aus dem Fenster. Er fragt, ob
       in den Karpaten immer Winter ist?
       
       Heute dreht sich alles um Charkiw. Mitten am Tage erlebt die große
       ukrainische Stadt im Osten ungeheuren Raketenbeschuss, schauderhafte
       Bilder, wo die Toten auf der Straße liegen. Solche Bilder waren in Charkiw
       in der Hungerszeit 1933 zu sehen.
       
       Nach dem Schneeballwerfen wird Ostap schlapp. Fieber 39 Grad. Als ich
       Zeitzeugenberichte aus der Zeit der Verschleppung zur Zwangsarbeit höre,
       habe ich mich oft gefragt, wie Frauen ihre Kinder damals geheilt und
       verpflegt haben. Hier hilft mir eine Nachbarin mit zwei Kindern.
       
       Heute beginnen die Sanktionen gegen Russland dort zu wirken. Schadenfreude?
       Hoffnung verfestigt sich und geht in den festen Glauben über, der
       fürchterlichen Vernichtung der Ukraine ein baldiges Ende zu setzen.
       
       Dann der Anruf meines Mannes; er versetzt mich wieder in Unruhe. Morgen
       haben sie einen Einsatz. Er wird sich melden.
       
       ## Tag 6
       
       Schreckliche Bilder aus Charkiw. Die Bombardierung der Stadt dauerte die
       ganze Nacht an. In der Gemeinschaftsküche sitzen junge Leute aus Charkiw,
       die verzweifelt mit ihren Eltern dort sprechen.
       
       Heute fahren wir nach Ushgorod, der westlichsten Stadt der Ukraine. Wann
       und ob der Zug kommt, ist unklar. Ostap sieht gesund aus, Gott sei Dank. Er
       fragt, ob wir nach Kiew gehen. Ich lenke ab, sage, dass er seine Schwester
       bald wiedersieht.
       
       Meine Freundinnen in Ushgorod umarmen uns nach der Ankunft. Da kommt meine
       Tochter. Ich drücke sie an mich und breche zum ersten Mal in Tränen aus.
       
       Während sie mit Ostap spielt, leite ich Spenden weiter. Das lenkt vom
       ständigen Strom der Nachrichten über schwere Kämpfe ab. Auf einmal geht der
       Fernseher aus. Eine russische Rakete traf das Fernsehzentrum in Kiew.
       Passanten starben. Nach einer Weile senden TV-Kanäle wieder.
       
       Anastasia meldet Stromausfall bei sich. Mit ihren zwei Kindern will sie
       morgen doch aus Kiew raus. Wie, welche Straßen, fragt sie. Ich kann nichts
       raten.
       
       Meine Schwester berichtet von ihrem Untergrundleben: über 300 Leute in
       einem unbeheizten Schulkeller, draußen minus 2 Grad. Immer mehr sind krank.
       Sie fühlt sich auch unwohl, sendet aber Grüße im Glauben an den Sieg. Mögen
       bloß alle überleben.
       
       ## Tag 7
       
       Wir stehen auf und haben keine Ahnung, was für ein Wochentag ist. Wir
       rechnen in Kriegstagen, heute ist der siebte.
       
       Mein Mann schickt mir eine SMS, dass er mich liebt. Alle früheren
       Streitigkeiten sind bedeutungslos. Wir schaffen alles, meint er. Ich soll
       mich nicht sorgen, er sei auf der Hut.
       
       Anastasia ist nicht aus Kiew weg – zu gefährlich.
       
       Der Bahnhof in Ushgorod ist überfüllt mit Flüchtlingen, einige stehen wie
       erstarrt auf dem Bahnsteig; einige wollen sofort zurück.
       
       Aufruf an die Bevölkerung in Ushgorod, Teppiche nicht draußen auszuklopfen,
       Flüchtlinge erschrecken bei jedem Geräusch.
       
       Später schickt mir mein Mann ein Video mit russischen Gefangenen. Warum sie
       noch leben, frage ich mich. Der Hass macht alles Gute im Herzen blind.
       
       ## Olha M. – „Der Krieg hat mich gelehrt, in kurzen Sätzen zu sprechen“
       
       Olha M., 36, arbeitete bis vergangene Woche als Dozentin für Wissenschafts-
       und Technologiegeschichte an einer Universität in Kiew Am Morgen des 24.
       Februar wurde sie von Detonationen geweckt, [1][überstürzt verließ sie ihre
       Wohnung]. Kurze Zeit später saß sie in einem Zug nach Polen. Hinter der
       Grenze stieg sie in einen Bus nach Krakau, um von dort aus zu ihrem Freund
       nach Basel zu fliegen. 
       
       ## Freitag, 25. Februar, 13.30 Uhr
       
       Ich erreichte Krakau heute früh um 5 Uhr. Bei einer Freundin konnte ich ein
       paar Stunden schlafen. Die Nachrichten, sie werden immer schlimmer. In
       Obolon, meinem Viertel, wird nun geschossen. Ein abgeschossenes Flugzeug
       fiel auf das Gebäude nebenan. Wenn ich so etwas lese, fange ich an zu
       weinen. Das war gestern noch nicht so.
       
       Heute war ein sonniger Tag, wir sind zur Bushaltestelle gelaufen. Es ist
       wirklich eine Erholung, wenn man nicht ständig auf das Telefon oder den
       Computer schaut.
       
       ## Samstag, 18.21 Uhr
       
       Gestern bin ich von Krakau nach Frankfurt am Main geflogen. Ich saß neben
       einer 25-Jährigen, die die Grenze zu Fuß überquert hatte. Sie fragte, wie
       eine Atomwaffe aussieht. Ich habe früher an einem Projekt zur Geschichte
       von Tschernobyl gearbeitet und konnte ihr erklären, was die radioaktiven
       Isotope mit einem Körper anstellen, wenn sie eingeatmet werden, bevor sie
       zerfallen. Der Flug hatte so viel Verspätung, dass ich in Frankfurt
       übernachten musste.
       
       Ich telefonierte mit meinem Vater. Er lebt in Irpin, einem Vorort von Kiew,
       und will dort bleiben, um zu kämpfen. Er sei zu den „territorialen
       Verteidigungseinheiten“ gegangen, erzählte er, aber die hätten ihn mit 67
       für zu alt befunden. Das ist schade. Ich wünschte, mein Vater hätte Waffen.
       Er ist ein eher friedlicher Mensch, eine kreative Seele, ich weiß, er würde
       die Waffen nicht leichtfertig einsetzen. Außerdem berichtete mein Vater,
       dass überall in Irpin verbrannte russische Leichen lägen. Es war
       schockierend festzustellen, dass uns diese Tatsache glücklich machte.
       
       Als ich heute Vormittag in den Anschlussflieger nach Basel steigen wollte,
       las ich von einem Luftalarm in Lwiw. Die Stadt, in der meine Mutter lebt
       und die ich bislang für relativ sicher hielt. Das war der stressigste
       Moment bislang. Ich schrieb ihr sofort eine Nachricht, sie ging in den
       Keller.
       
       In unserer Familie sagen wir einander normalerweise nicht direkt, dass wir
       den anderen lieben. Jetzt schon. Auch meine Mutter antwortete: „Ich liebe
       dich.“ Ich begriff selbst nicht, warum ich nach Basel flog, anstatt in die
       Ukraine zurückzukehren, um meiner Mutter und meinem Vater zu helfen.
       
       Auf dem Flug weinte ich viel. Ich versuchte, mich zu beruhigen: Der
       Schutzraum im Haus meiner Mutter befindet sich im Keller, sie muss nicht
       auf die Straße. Die, die noch da sind, kennen sich, und es gibt eine
       Toilette. In meiner Kindheit spielten wir bei Regen oft dort unten,
       bekritzelten die Wände. Es gab Sportgeräte und einen Klavierraum, sonst nur
       einige Holzbänke. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute dort lange
       bleiben können.
       
       Später berichtete meine Mutter, sie sei wieder in ihrer Wohnung. Sie hat
       die Fenster abgeklebt. Nur bei einem hat sie eine Ecke ausgespart, die
       Orchidee auf der Fensterbank soll etwas Licht bekommen. Vier weitere
       Luftalarme gab es heute in Lwiw. Irgendwann schrieb ich meiner Mutter, dass
       es doch gesund sei, die Treppen rauf und runter zu laufen. Ein Scherz. Wie
       ist das überhaupt möglich, Scherze zu machen?
       
       Als ich gegen 14 Uhr in Basel ankam, fühlte ich mich ruhig, kaltherzig.
       Mein Partner weinte. Er war glücklich, dass ich es nach Basel geschafft
       hatte. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es gut ist, so weit weg zu
       sein.
       
       Ich fühle mich wie im Energiesparmodus. Wenn mir Nachrichten oder
       Informationen nicht wichtig genug erscheinen, mache ich mir gar nicht erst
       die Mühe, sie anzusehen. Der Krieg hat mich auch gelehrt, in kurzen Sätzen
       zu sprechen.
       
       Wir fuhren vom Flughafen aus direkt zur Demonstration. Es war voll für
       diese kleine und ruhige Stadt. Aber ein paar Slogans enttäuschten mich. So
       was wie „Kein Krieg in der Ukraine“ oder „Frieden in der Ukraine“. In der
       Ukraine herrscht ja bereits Krieg, und Frieden wird es sobald nicht geben.
       Ich will, dass Truppen aus anderen Ländern kommen und helfen, die Bastarde
       rauszuschmeißen, ich will ein Ölembargo für Russland, ich will mehr
       Sanktionen, auch gegen Weißrussland.
       
       Ich habe viele Freunde in Russland, einer ist Redakteur bei einem
       Onlinemagazin. Er hat gefragt, ob ich eine Kolumne schreiben möchte. Ich
       habe zugesagt. Wir haben Verwandte in Russland, die Putin unterstützen und
       sehr seltsam auf uns reagieren. Darüber möchte ich schreiben.
       
       Die Schwester meiner Mutter zum Beispiel weigert sich, überhaupt über
       Politik zu sprechen, und probiert es meine Mutter doch, unterbricht sie sie
       mit den Worten „Ich will das nicht hören.“ Meine Mutter hat auch einige
       Links an meinen Cousin geschickt. Er antwortete schroff: „Warum schickst du
       uns Links, wenn wir dich nicht darum bitten?“ In der Kolumne soll es um die
       Verantwortung der einfachen Russen in diesem Krieg gehen. Viele von ihnen
       sagen: „Es ist nicht unser Krieg“, aber nur sie, das russische Volk, haben
       die Macht, Putin abzusetzen.
       
       Heute fühle ich mich stark, trotz allem. Nur das Einschlafen fällt mir
       zurzeit schwer. Ich habe Angst, dass etwas passiert und ich es nicht
       mitbekomme.
       
       ## Montag, 4.25 Uhr
       
       Mein Energielevel ist gesunken. Vielleicht hat das Adrenalin nachgelassen.
       Ich habe seit gestern viermal geschlafen. Ich habe es zwar über die Grenze
       geschafft, ohne tagelang in einer Schlange stehen zu müssen, trotzdem bin
       ich absolut erschöpft. Ich wache bereits müde auf. Ich kann keine langen
       Strecken gehen, ich kann nicht lange stehen. Immerhin habe ich heute die
       erste Kolumne geschrieben.Ich habe unschöne Nachrichten von meiner Freundin
       Masha. Wegen ihrer Katze ist sie in Kiew geblieben. Und weil sie keinen Ort
       hat, an den sie fliehen könnte – alle ihre Verwandten leben auf der Krim.
       
       Gestern Abend gingen sie und ihr Nachbar zu einem Schutzraum. Am Eingang
       kontrollierte jemand ihre Taschen. Als die Sicherheitsleute bei ihrem
       Nachbarn eine alte sowjetische Militärdienstkarte fanden, verdächtigten sie
       ihn als russischen Spion. Masha schaltete sich ein und wurde gleich mit
       verdächtigt. Die Sicherheitsleute forderten beide auf das Wort
       „palianytsia“ zu sagen, ein ukrainisches Wort, das Russen nicht richtig
       aussprechen können. Masha und ihr Nachbar bestanden den Test. Trotzdem
       versuchten sie, Masha das Handy wegzunehmen, aber das wäre das Schlimmste,
       also wehrte sie sich.
       
       In dem Schutzraum traf sie auf einen Bekannten, einen queeren Modedesigner,
       der ursprünglich aus Luhansk stammt. Die Kiewer hielten ihn für den
       erfahrensten Kämpfer. Er schlüpfte spontan in die Rolle eines Kommandanten.
       Bis ihn das Schauspiel langweilte, er in den Nachbarraum ging und dort zu
       sticken begann. Sehr witzig.
       
       Mein Partner und ich haben in einem Restaurant zu Abend gegessen, aber wir
       kamen schnell zurück, als ich von einem weiteren Luftalarm in Lwiw erfuhr.
       Der bloße Gedanke daran, dass meine Mutter in den Luftschutzkeller muss,
       ist niederschmetternd.
       
       Ansonsten geht es mir in der Wohnung meines Partners besser. Er kümmert
       sich viel, hat sogar Buchweizen für mich gekocht, obwohl er den nicht mag.
       Ich habe das Gefühl, nicht wirklich anwesend zu sein. In normalen Zeiten
       würden wir uns umarmen, küssen, kuscheln, etwas Schönes für das Wochenende
       planen. Aber ich bin so sehr in Gedanken, dass ich diese emotionale
       Verbindung nicht so stark fühle wie sonst. Und das, obwohl wir uns fast
       zwei Monate nicht gesehen haben.
       
       Vor lauter Stress kann ich nicht wirklich Deutsch sprechen, weil es mir
       mehr Konzentration abverlangt als Englisch. Nun spricht mein Freund Deutsch
       und ich antworte auf Englisch. Auch er ist wegen allem sehr gestresst.
       
       ## Mittwoch, 23.35 Uhr
       
       Ich habe mit dem Schreiben dieses Tagebuchs eine Pause eingelegt, weil ich
       den Eindruck hatte, dass nichts allzu Interessantes passiert ist. Das ist
       aber nicht ganz richtig. Denn ich bin in den vergangenen Tagen zum
       Medienstar geworden. Vor dem Krieg schrieb ich immer lange an einem
       Artikel, jeden Tag höchstens drei Absätze. Jetzt habe ich mich in eine
       Textproduktionsfabrik verwandelt. Ich habe auch etliche Interviews gegeben.
       Vier allein am Montag.
       
       Die Journalisten fragen mich ständig Dinge, die ich nicht weiß. Wie
       beurteile ich die Schweizer Reaktion auf den Krieg in der Ukraine? Wie
       viele Ukrainer unterstützen das Ziel, der Nato beizutreten? Was eint die
       Ukrainer? Vielleicht die Liebe zum Buchweizen, könnte ich sagen, aber das
       wäre keine gute Antwort. Also improvisiere ich. Ich hinterfrage das Konzept
       der Schweizer Neutralität. Was die Ukrainer eint, ist natürlich die Kultur.
       Und ich sage, die Mehrheit der Ukrainer sei für einen Nato-Beitritt.
       
       Trotzdem ist das eine Belastung für mich. Ich will nicht berühmt werden.
       Und ich kann auch nicht als Expertin für den Krieg in der Ukraine
       auftreten. Ich bin Expertin für die Geschichte der Fahrradmobilität und des
       russischen Nationalismus zwischen 1906 und 1912.
       
       Ich habe einen Spendenaufruf gestartet. Meine internationalen Freunde geben
       viel. Ich habe das Geld weitergeleitet, die Empfänger sind sehr dankbar.
       
       Während ich diese Zeilen schreibe, gibt es in Kiew wieder heftige
       Explosionen. Mein Vater ist immer noch in Irpin. Meine Mutter pendelt
       zwischen Schutzraum und Wohnung. Ich weine nicht mehr jedes Mal, wenn es
       einen Luftalarm gibt, aber leid tut sie mir trotzdem.
       
       Masha hat es geschafft, mit ihrer Katze den Fluss in Kiew zu überqueren und
       einen Zug nach Lwiw zu nehmen. Morgen wird sie mit einem Freund nach Polen
       weiterfahren.
       
       Viele Journalisten haben gefragt, wie wir all das bewältigen können. Mein
       Vater ist übermäßig optimistisch, ich bleibe sehr aktiv und energiegeladen.
       Es ist nicht der richtige Moment, um traurig zu sein. Was könnte ich noch
       ausrichten, wenn ich traurig wäre?
       
       ## Freitag, 1.57 Uhr
       
       Die verdammten Orks haben heute Nacht das Atomkraftwerk in Saporischschja
       beschossen. Das war die schrecklichste Nacht meines Lebens. Die Russen
       bedrohen die Welt – die gesamte. Was muss noch geschehen, bevor
       ausländische Armeen auf unserer Seite in den Krieg eintreten?
       
       Die „Armee der Psychologen“ berät die Ukrainer, wie sie ihre Seele vor dem
       Krieg schützen können – sich nicht 24 Stunden am Tag mit ihm befassen und
       sich immer wieder ausruhen. Ich denke auch darüber nach, eine Pause
       einzulegen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Ich glaube, im
       Krieg gibt es keine Wochenenden.
       
       Aus dem Englischen von Nora Belghaus 
       
       ## Dmytro N. – „Ich fühle mich wie ein Kind, das endlich los will“
       
       Dmytro N. ist 40 Jahre alt, kommt aus Luzk im Nordwesten der Ukraine, und
       arbeitete vor dem Krieg als Berater für einen internationalen
       Automobilkonzern. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter, 14 und 17 Jahre
       alt. Nach Ausbruch des Krieges beschloss er, der Armee beizutreten, obwohl
       er kein ausgebildeter Soldat ist. Er absolviert nun im Schnelldurchlauf
       eine militärische Ausbildung zum Maschinengewehrschützen. 
       
       ## 24. Februar, Tag 1
       
       Ich bin von der Nachricht eines Bekannten aufgewacht: „Es hat begonnen.“
       Ich ging zum Fenster und stellte fest: Ja, es war Krieg. Erst gab eine
       Explosion am Militärflugplatz. Danach eine am anderen Ende der Stadt. Ich
       weckte die Kinder und meine Frau. Sie begannen zu packen.
       
       In meinem Kopf schwirrten die Gedanken. Ich hatte keine Vorstellung davon,
       wie ein umfassender Krieg aussah. Wir kannten Krieg nur aus Filmen, aus
       Büchern, es war kaum zu glauben, dass uns das nun passierte.
       
       Trotzdem blieb die Angst aus. Zuerst musste ich mich um meine Familie
       kümmern. Ich bat meine älteste Tochter beim Packen zu helfen. Sie sagte:
       Papa, ich bin beschäftigt, ich trage Make-up auf. Ich habe so laut
       geschimpft! Am Abend schickte ich die Familie in ein Dorf, nahe der Grenze
       zu Polen – meinen Vater, meine Frau, Schwiegermutter, zwei Töchter und die
       Kinder des jüngeren Bruders. Ich blieb.
       
       ## Tag 2
       
       Heute fuhr ich zum militärischen Registrierungs- und Rekrutierungsamt in
       Luzk, um mich bei den Streitkräften anzumelden. Ich wurde abgelehnt, weil
       ich noch keinen Dienst geleistet habe. Sie sagten: „Gehen Sie zur
       Territorialverteidigung.“ Ich seufzte, aber Regeln sind Regeln. Sie sagten
       trotzdem zu, sich bei mir zu melden, wenn es eine Chance auf eine Aufnahme
       ins Militär gäbe.
       
       Freunde aus Kiew riefen an und baten mich um Hilfe. Sie wollten ins Ausland
       fliehen und brauchten auf dem Weg an die Grenze einen Ort zum Übernachten.
       Luzk ist relativ ruhig. Ich sagte ihnen zu, sie am Stadtrand abzuholen und
       in das Dorf zu meiner Familie zu bringen.
       
       ## Tag 3
       
       Ich habe immer noch nicht richtig geschlafen. Die Familie meines Freundes
       kam erst fünf Stunden nach der vereinbarten Zeit am Stadtrand an. Der Stau
       ist endlos. Autos, Autos, Autos… Aus dem ganzen Land. Die Polizei
       kontrolliert alle, es dauert ewig. Noch immer hat sich das Militäramt nicht
       gemeldet.
       
       ## Tag 5
       
       Heute habe ich beschlossen, nicht noch länger auf Nachricht aus dem
       Militäramt zu warten und bin nochmal hingefahren. Ich fand einen
       Oberstleutnant, dem ich sagte: Ich bin sicher, dass ich auch ohne
       militärische Erfahrung nützlich sein werde. Ich bin in guter körperlicher
       Verfassung, treffe schnelle Entscheidungen und will das Land verteidigen.
       Er ließ sich überzeugen. Ich sollte am nächsten Tag wiederkommen, für eine
       Musterung.
       
       ## Tag 6
       
       Ich habe alle medizinischen Tests bestanden – ich könnte sogar in den
       Weltraum fliegen. Man fertigte mir einen Militärausweis an. Sie sagten,
       dass wir bereits in ein paar Stunden mit dem Zug abreisen würden. Wohin
       wussten sie nicht.
       
       ## Tag 7
       
       Endlich eine freie Minute. An dem Stützpunkt angekommen, wurde ich einer
       Gruppe der Armee zugeteilt. Beim Vorstellungsgespräch fragten sie nach
       meiner Bildung. Ich habe zwei Abschlüsse. Sie wiesen mich an, mich um die
       Buchhaltung zu kümmern, obwohl ich damit gar keine Erfahrung habe. Ich bin
       es noch nicht gewohnt, Befehle zu befolgen, also geriet ich in meine erste
       verbale Auseinandersetzung mit einem Offizier. Ich gewann, und bekam die
       Zusage für eine Ausbildung zum Maschinengewehrschützen.
       
       Später wurden wir ausgerüstet. Es waren viele Soldaten, die Prozedur zog
       sich, aber ich langweilte mich nicht. Die Stimmung wird heiter, wenn man
       das lächelnde Gesicht eines Bruders in einer brandneuen Uniform und Schuhen
       mit einer hellen ukrainischen Flagge auf den Winkeln sieht. Ich habe meine
       Ausrüstung als einer der letzten bekommen. Einige sehr müde junge Damen
       ermittelten meine Größe und kleideten mich von Kopf bis Fuß ein, inklusive
       der Unterwäsche. Alles wie für mich genäht, ich war beeindruckt. Die
       Stimmung wurde noch besser – ich war schon fast ein richtiger Soldat.
       
       Vor dem Schlafengehen besprachen wir die Lage an den Fronten, lasen
       internationale Nachrichten. Alle wollen schnell in den Kampf. Aber erst
       müssen für uns noch Waffen beschaffen werden, wir müssen dem Volk der
       Ukraine einen Treueid leisten, lernen, wie man im Team arbeitet und sich
       einem Kommandanten beugt. Ich fühle mich wie ein Kind, das endlich los
       will. Gleichzeitig wird dieser Wille von Müdigkeit gedämpft.
       
       ## Tag 7
       
       Im Kriegsdienst ist so vieles anders. In Zeiten des Friedens nehmen wir uns
       für gemeinsame Essen viel Zeit, man unterhält sich, trinkt etwas, genießt.
       Ein Soldat trinkt natürlich keinen Alkohol – ein betrunkener Soldat ist ein
       toter Soldat – aber er führt auch keine Gespräche und alles geht sehr
       schnell.
       
       Ich werde das Gefühl der Verlegenheit und Schüchternheit immer noch nicht
       los, wenn wir in den Warteschlangen der Essensausgabe vorgelassenwerden und
       man sich bei uns bedankt. Wann werden wir beginnen, diese „Schulden“
       abzubezahlen?
       
       Aus dem Ukrainischen von Kateryna Kovalenko
       
       ## Alma L. – „Der Krieg wird immer alltäglicher“
       
       Alma L. ist 21 Jahre alt und kommt aus Czernowitz, einer Stadt nahe der
       Grenze zu Rumänien. Vor knapp drei Wochen ist sie aus einem
       Auslandsaufenthalt in Belgien nach Lwiw zurückgekehrt wo sie
       Politikwissenschaften, Ethik und Wirtschaft studiert. Jetzt wohnt sie in
       einem großen Wohnhaus und teilt sich die Wohnung mit einer anderen jungen
       Frau und deren jüngeren Schwester.
       
       Seit Kriegsbeginn versucht Alma auf unterschiedliche Weise zu helfen, indem
       sie als freiwillige Helferin bei der Essensversorgung unterstützt,
       fliehenden Menschen Unterkünfte vermittelt oder für ausländische Medien
       berichtet und übersetzt. Sie möchte das Land nicht verlassen. Auch ihre
       Eltern, der Bruder und ihre Großmutter sind in ihrer Heimatstadt Czernowitz
       geblieben.
       
       ## Donnerstag, 24. Februar
       
       Ich wurde heute von Sirenen geweckt. Mein Vater schrieb mir eine Nachricht.
       Ich solle ruhig bleiben und alles werde gut. Sowas hat er noch nie gesagt.
       
       Ich unterdrückte den Impuls, meinen westeuropäischen Freunden – die mich in
       den letzten zwei Monaten davon überzeugen wollten, dass schon nichts
       passieren wird – zu schreiben: „Ich hab's ja gesagt“. Im Radio sagen sie,
       wir sollen genug Essen und Kleidung für drei Tage einpacken. Eigenartig,
       wie das die Prioritäten gerade verrrückt.
       
       Ich habe die Wohnung heute nur einmal verlassen, um Einkaufen zu gehen. Das
       war das erste Mal, dass ich wirklich Angst hatte. Ich schloss schnell die
       Tür ab. Acht Stockwerke die Treppe hinunter zu laufen, schien mir wie eine
       Ewigkeit. Einige Regale in den Geschäften sind schon komplett leer – vor
       allem Konserven und Trockenwaren. Außer Kabeljaukaviar.
       
       Ich habe die Fenster zugeklebt, damit die Glassplitter im Falle einer
       Explosion zusammengehalten werden. Es gab die Anweisung, das Licht um 23
       Uhr auszuschalten. Ich stelle mir den Wecker auf 2 Uhr, denn es heißt, dass
       es dann Luftangriffe geben könnte.
       
       ## Freitag
       
       Die Sirenen gingen erst um 6 Uhr statt um 2 Uhr los. Die Leute haben die
       ganze Nacht gewartet. Das könnte eine Taktik sein – um uns zu erschöpfen.
       Durch das Fenster sah ich in der Nacht ein Licht am Himmel flackern. Sofort
       sprang ich auf. Aber es war nur ein Stern. Der Himmel war so klar und die
       Stadt so dunkel, dass die Sterne deutlicher als sonst zu sehen waren. Es
       ist unbegreiflich, dass die Schönheit der Natur und der Krieg gleichzeitig
       existieren. Ich kann mir immernoch nicht vorstellen, dass Menschen uns das
       antun. In meinem Kopf ist es eine namenlose, gesichtslose Macht.
       
       Am Morgen sollte ich Unterricht haben, aber es waren nur drei Leute da. Ich
       überlege, ob ich einer guten Freundin bei der Recherche über Sanktionen
       helfen soll, aber ich weiß, dass ich jetzt nicht viel nachdenken kann. Ich
       muss handeln. Tausende Freiwillige haben sich organisiert. Ich bin eine von
       ihnen. Heute habe ich versucht, Lebensmittel für die Soldatenküche
       aufzutreiben.
       
       Ich weiß nicht, was im Ausland über unseren Widerstand gedacht wird, aber
       ich glaube, sie können den Widerstand nicht begreifen. Mich interessieren
       gerade nicht die Gefühle oder Überlegungen, die diese Situation bei
       irgendjemandem auslöst. Jetzt zählen nur noch Taten.
       
       Ich versuche auch geflüchteten Menschen eine Unterkunft zu vermitteln, aber
       es gibt so viele Anfragen. Es ist sehr hektisch, ich bin erschöpft und von
       Informationen überwältigt. Aber die Wut, die ich spüre, gibt mir
       grenzenlose Energie. Ich kann mich kaum zurückhalten, ich laufe ständig auf
       und ab. Es ist plötzlich so klar, was richtig und falsch ist und was ich
       tun muss. Jede Minute ist kostbar. Sie kann ein Leben kosten und wenn sie
       zu viele Leben kostet, kann sie ein Land kosten.
       
       ## Samstag
       
       Ich bin so müde, dass ich kaum denken kann. Das fühlt sich nicht gut an.
       Ich mochte die Klarheit, die mir meine Wut gab. Heute war ich dreimal im
       Luftschutzkeller. Die Menschen erschienen mir relativ ruhig, aber ich
       glaube, die Tiere spüren die Angst, die in der Luft liegt. Die Hunde und
       Katzen waren alle nervös. Eine Frau hat mich beschimpft, weil ich „diesen
       Horror“, wie sie sagte, fotografierte. Ich finde, nicht nur gute Dinge sind
       es wert, dokumentiert zu werden. Ich möchte, dass die Menschen dieses Leid
       sehen und ich möchte mich selbst daran erinnern.
       
       Es wird wieder schwere Kämpfe in Kyiw geben. Ein guter Freund hat mich
       gefragt, ob ich für die Territorialverteidigung kugelsichere Westen
       auftreiben kann. Sein Vater hat sich ihnen angeschlossen. Ich fühle mich
       schuldig, weil ich heute so lange unter der Dusche stand, weil es Zeit
       gekostet hat.
       
       Mein Vater hat mir geschrieben, dass ich das Land verlassen soll. Aber ich
       würde es bereuen wegzugehen. Ich werde bleiben.
       
       ## Sonntag
       
       Am Morgen gab es keine Sirenen, also schlief ich, bis mich wieder Leute
       wegen Lebensmittelspenden anriefen. Sonntage scheinen auch in Kriegszeiten
       immer noch Sonntage zu sein. Es ist ruhiger und die Freiwilligenküche ist
       geschlossen. Wir versuchen, die Logistik für die humanitäre Hilfe
       aufzubauen. Ein Freund in Polen wird einige Ukrainer an der Grenze abholen.
       Eine Freundin aus Rumänien „bombardiert“ mich mit Nachrichten zu
       Unterkunftsmöglichkeiten. Ich muss essen, aber ich bekomme ständig Anfragen
       für irgendetwas.
       
       Ich muss einen kühlen Kopf bewahren. Die Soldaten kämpfen für mich an der
       Front, ich kämpfe für sie. Der Krieg wird nicht allein gewonnen. Aber ich
       tue das nicht mehr aus ruheloser Wut. Ich glaube, es ist Liebe.
       
       ## Montag
       
       Meine Suche nach kugelsicheren Westen blieb bisher erfolglos. Nach fünf
       Tagen höchster Alarmbereitschaft schaue ich mir auf dem Handy die Anfragen
       an und sage mir, dass sie auch jemand anderes beantworten kann. Der Krieg
       wird immer alltäglicher.
       
       Meine Mitbewohnerin ist während des Alarms nicht in den Luftschutzkeller
       gegangen. Jeder ist für sein eigenes Leben verantwortlich, ich werde sie
       nicht zwingen, mit mir zu gehen.
       
       Ich habe im Moment nicht viel Mitgefühl oder Empathie für andere. Wenn die
       Realität so hart ist, fällt es mir schwer, mich in andere
       hineinzuversetzen.
       
       Es wirkt auf mich, als gäbe es die UdSSR immer noch. Russland fährt immer
       noch die gleiche Linie. Vielleicht ist das der Grund, warum mein Vater mit
       Russland sympathisiert. Er vermisst die UdSSR, seinen 9-to-5 Job als
       Ingenieur. Er wurde nicht in der harten Realität des Kapitalismus, der nach
       dem Zusammenbruch der Sowjetunion in der Ukraine Einzug hielt,
       sozialisiert.
       
       ## Dienstag
       
       Ich bin erschöpft. Ich esse weniger als vor dem Krieg. Ich muss mich
       konzentrieren, kann es aber nicht.
       
       Die Zeit hat ihr normales Tempo wiedergefunden. Zwei verschiedene
       Organisationen wollen, dass ich ihre Projekte leite und ich kenne mich in
       keinem der beiden Bereiche aus. Ich fühle mich überfordert.
       
       Dieses Gefühl war in den ersten Tagen verschwunden, aber jetzt ist es
       wieder da. Im Januar habe ich zum ersten Mal einen Termin bei einem
       Therapeuten gemacht. Der Termin war für heute angesetzt und ich habe ihn
       verpasst. Es ging um Depressionen.
       
       Seltsamerweise glaube ich aber, dass mich der Krieg aus der Depression
       herausholt. Ich habe mich noch nie so verantwortlich gefühlt, mein eigenes
       Leben zu retten wie jetzt.
       
       Die Polizei hat heute Kinder aufgehalten, die Markierungen für russische
       Landeoperationen auf die Straße malten. Die Russen heuern sie per Telegramm
       an und zahlen ihnen 10-15 Dollar pro Markierung. Zum Glück decken
       Freiwillige die Markierungen wieder ab.
       
       ## Mittwoch
       
       Ich bin gestern Abend sehr spät ins Bett gegangen und heute erst gegen 11
       Uhr wach geworden. Ich stellte fest, dass ich tatsächlich einen Luftalarm
       verschlafen hatte.
       
       Gemeinsam mit einer Freundin versuche ich, den Transport für humanitäre
       Hilfe und Munition zu organisieren. Einige Städte im Osten und vor allem im
       Süden sind besetzt. Lebensmittel kommen dort nicht an. Es muss dringend ein
       Korridor für humanitäre Hilfe geschaffen werden.
       
       Die Russen haben heute Babyn Yar bombardiert, ein Flussbett, in dem [2][die
       Nazis fast 34.000 jüdische Menschen ermordet] haben. Ich glaube nicht, dass
       sie den Ort ausversehen bombardiert haben.
       
       Der Krieg hat mich von meiner Schlaflosigkeit geheilt. Ich habe das Gefühl,
       dass ich mich im Epizentrum einer historischen Wende befinde. Meine Mutter
       hat mir heute geschrieben. Ihre Nachrichten waren bruchstückhaft und sie
       wiederholte sich in ihren Aussagen. Ich machte mir Sorgen und rief sie an.
       Ich habe selten so viel Sorge in ihrer Stimme gehört.
       
       ## Donnerstagabend
       
       Heute war der mit Abstand unproduktivste Tag der ganzen Woche. Ich kann
       nicht sagen, ob ich optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft blicke.
       Meine Einstellung schwankt von Tag zu Tag. Zum Glück kommt der Frühling.
       
       Ich möchte nicht weggehen. Ich war schon einmal eine Ausländerin. Ich habe
       mal in den USA gelebt und fühle mich dem Land und seiner Kultur verbunden,
       aber trotzdem gibt es nichts Besseres als zu Hause zu sein. Ich möchte hier
       eine Zukunft haben.
       
       Aus dem Englischen von Sara Rahnenführer
       
       5 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zivilbevoelkerung-in-der-Ukraine/!5837671
 (DIR) [2] /Gedenken-an-die-Toten-von-Babyn-Jar/!5803898
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) IG
 (DIR) Russland
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Kyjiw
 (DIR) GNS
 (DIR) Ukraine-Krim-Krise
 (DIR) Serie: Notizen aus dem Krieg
 (DIR) Lwiw
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) KP China
 (DIR) Friedrich Merz
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Notizen aus dem Krieg: „Ich schreibe sehr viele Gedichte“
       
       Nach fünf Wochen Krieg hat Alma L. zwei Freunde verloren. Trotz ihrer
       Erschöpfung engagiert sie sich auch weiter für die humanitäre Hilfe in
       Lwiw.
       
 (DIR) Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung: „Mut fördern, Optionen erkennen“
       
       Barbara Unmüßig hat 20 Jahre lang die Heinrich-Böll-Stiftung geleitet.
       Jetzt geht sie in Rente. Ein Gespräch über den Mut, sich einzumischen.
       
 (DIR) Notizen aus dem Krieg: „Man will nicht wach werden“
       
       Seit vier Wochen Krieg in der Ukraine. Ljuba Danylenko aus Kiew lebt jetzt
       im Westen des Landes und schrieb auf, was sie auf der Flucht erlebt hat.
       
 (DIR) Notizen aus dem Krieg: Immerhin schreibe ich Tagebuch
       
       Unsere Autorin Polina Fedorenko und ihre Familie wollten eigentlich in Kyiv
       bleiben. Dann schlägt eine russische Rakete nebenan ein.
       
 (DIR) Notizen aus dem Krieg: Seit zwei Wochen Krieg
       
       Zuletzt hatte Alma L. an dieser Stelle berichtet, wie sie morgens in
       Lemberg von Sirenen geweckt wurde. Fortsetzung eines Kriegstagebuchs.
       
 (DIR) Fedir Tetianychs Kunst in Kiew in Gefahr: Lokaler Mystizismus
       
       Fedir Tetianych war ein Vertreter der ukrainischen Avantgarde. Seine
       Familie versucht seine Werke aus Kiew zu retten.
       
 (DIR) Tschechische Solidarität im Ukrainekrieg: Gelebte Verbundenheit
       
       In Tschechien leben viele UkrainerInnen. Einige wollen nun in den Krieg
       ziehen – andere ihre Verwandten davor schützen.
       
 (DIR) Nationaler Volkskongress tritt zusammen: Wohin zieht China?
       
       Die russische Invasion in der Ukraine stellt auch Peking vor neue
       Herausforderungen. Die Frage ist, ob die Bande nach Moskau weiterhin eng
       bleiben.
       
 (DIR) Merz-Äußerung zum Ukrainekrieg: Um so schlimmer
       
       Friedrich Merz spekuliert über ein Eingreifen der Nato in der Ukraine. Weiß
       der CDU-Chef überhaupt, worüber er da redet?
       
 (DIR) Zivilbevölkerung in der Ukraine: Wenn der Krieg ausbricht
       
       Kaum jemand hatte mit einem Angriff auf das ganze Land gerechnet. Fünf
       Ukrainer:innen berichten.