# taz.de -- Russlands Krieg gegen Ukraine: Neue Gespräche ohne Hoffnung
       
       > Schwere Kämpfe begleiten die russisch-ukrainischen Verhandlungen.
       > Frankreichs Präsident sprach mit Putin – und äußerte sich danach
       > pessimistisch.
       
 (IMG) Bild: Ein Logistikzentrum in Kiew geht nach russischem Beschuss am Donnerstag in Flammen auf
       
       Die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des russischen Krieges in der
       Ukraine treten weiterhin auf der Stelle. Kurz vor Beginn einer zweiten
       Verhandlungsrunde zwischen russischen und ukrainischen Unterhändlern in der
       Stadt Brest in Belarus am Donnerstagnachmittag telefonierte Frankreichs
       Präsident Emmanuel Macron mit Russlands Präsident Wladimir Putin und ließ
       nach dem Gespräch mitteilen, das Schlimmste stehe noch bevor. Putin wolle
       die gesamte Ukraine erobern, gab ein Mitarbeiter Macrons das Telefonat
       wieder: „Nichts, was er sagte, hat uns beruhigt.“ Macron habe Putin gesagt:
       „Sie belügen sich selbst.“
       
       Vor Gesprächsbeginn teilte die ukrainische Delegation mit, sie wolle mit
       Russland über die Einrichtung eines Korridors für humanitäre Hilfe
       sprechen, damit Zivilisten die Gefahrenzonen verlassen und Lebensmittel in
       umkämpfte Gebiete gebracht werden können.
       
       Dies entspricht der zunehmend dramatischen Lage der Zivilbevölkerung in
       belagerten und beschossenen ukrainischen Städten. Die von russischen
       Truppen eingekesselte und teilweise eingenommene Halbmilllionenstadt
       Mariupol am Asowschen Meer blieb auch am Donnerstag heftig umkämpft. Bilder
       zeigten dichte schwarze Rauchwolken, die über der Stadt in den Himmel
       aufsteigen.
       
       Der Stadtrat von Mariupol warf Russland „Genozid an der ukrainischen
       Bevölkerung“ vor. „Sie versuchen, hier eine Blockade zu errichten, genau
       wie in Leningrad“, erklärte Bürgermeister Wadym Boitschenko in Bezug auf
       die deutsche Belagerung von Leningrad im Zweiten Weltkrieg. „Diese Bastarde
       konnten keinen Weg finden, um uns zu brechen. Jetzt versuchen sie, uns
       daran zu hindern, die Strom-, Wasser- und Heizungsversorgung zu
       reparieren“, sagte Boitschenko. „Sie haben die Züge zerstört, sodass wir
       unsere Frauen, Kinder und älteren Menschen nicht aus der Stadt bringen
       konnten.“ Der Stadtrat forderte die Einrichtung humanitärer Korridore. Ein
       russischer Armeesprecher in Mariupol sagte, man sei dabei, die Stadt „von
       Neonazis zu säubern“.
       
       ## Angriffe auf den riesigen Militärkonvoi
       
       In der anderen heftig umkämpften Stadt im Süden der Ukraine, Cherson, hat
       derweil die russische Armee die Kontrolle übernommen. Russische Soldaten
       seien in seinem Amtsgebäude, es gebe keine ukrainischen Truppen mehr in
       Cherson, schrieb Bürgermeister Ihor Kolychajew am Donnerstagmorgen.
       Russische Militärkreise sehen in der Eroberung Chersons einen wichtigen
       Etappensieg bei dem Versuch, die gesamte ukrainische Schwarzmeerküste unter
       Kontrolle zu bringen. Es wird weithin gemutmaßt, dass die russische
       Schwarzmeerflotte demnächst versuchen könnte, Odessa anzugreifen.
       
       Die Hafenverwaltung von Odessa teilte am Donnerstag mit, das Frachtschiff
       „Helt“, das einem estnischen Unternehmen gehört und unter panamaischer
       Flagge fuhr, sei rund 37 Kilometer vor der Küste unter der Wasserlinie
       durch mutmaßlichen Beschuss oder eine Mine getroffen worden und dann vom
       Radar verschwunden.
       
       Aus der Hauptstadt Kiew im Norden der Ukraine wurde weiterhin russischer
       Beschuss gemeldet, aber auch ukrainische Gegenwehr. US-Militärkreise
       berichteten am Donnerstagnachmittag, die Ukraine habe Angriffe auf den
       gigantischen russischen Militärkonvoi begonnen, der sich seit Tagen
       zwischen der belarussischen Grenze und der Hauptstadt Kiew befindet, ohne
       nennenswert voranzukommen. Die Ukraine hat nach eigenen Angaben neue
       Lieferungen bewaffneter Drohnen aus der Türkei bekommen, die sich in der
       Vergangenheit als extrem effektiv gegen militärische Ziele erwiesen haben.
       
       Auch andere Nato-Länder liefern militärischen Nachschub in offenbar
       erheblichen Mengen an die Ukraine. Spanien will eine Ladung mit offensiven
       Waffen und Munition schicken, dazu zählten Granatwerfer und
       Maschinengewehre, sagte die spanische Verteidigungsministerin Margarita
       Roble.
       
       ## Weiter schwere Angriffe auf Charkiw
       
       Aus Kreisen des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums wurde am Donnerstag
       erklärt, man habe eine Abgabe von 2.700 Flugabwehrraketen des Typs „Strela“
       genehmigt, Waffen sowjetischer Produktion aus ehemaligen DDR-Beständen. Es
       müsse sich noch der Bundessicherheitsrat damit befassen. Am Samstag hatte
       die Bundesregierung entschieden, 1.000 Panzerabwehrwaffen sowie 500
       Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ aus Bundeswehrbeständen in die Ukraine
       zu liefern. Am Mittwoch wurde erklärt, die Waffen seien an die Ukraine
       übergeben worden.
       
       „Wir haben uns entschieden, die Selbstverteidigung der Ukraine nach diesem
       eklatanten Bruch des Völkerrechts und das Recht auf Selbstverteidigung auch
       militärisch zu unterstützen, indem wir Waffen liefern“, sagte
       Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „Kriegspartei werden wir dadurch
       nicht, und das befürchte ich auch nicht.“
       
       Besonders schwere russische Luft- und Raketenangriffe wurden weiterhin aus
       der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw gemeldet sowie aus mehreren
       Kleinstädten im Umfeld von Kiew. Fotos und Videos aus Städten wie Irpin,
       Borodyanka und auch Tschernihiw, wo sich das operative Kommando Nord der
       ukrainischen Armee befindet. Ukrainische Truppen eroberten die Stadt
       Butscha rund 25 Kilometer nordwestlich von Kiew zurück, die vor wenigen
       Tagen von russischen Soldaten besetzt worden war.
       
       Am Mittwochabend hatte Russland erstmals eigene Verluste in der Ukraine
       zugegeben: 498 Tote und 1.597 Verletzte, so das Verteidigungsministerium in
       Moskau. Das ukrainische Verteidigungsministerium war zuvor bei seiner
       täglichen Zählung der russischen Opferzahlen auf fast 6.000 getötete
       russische Soldaten gekommen. Daten über Opferzahlen in den ukrainischen
       Reihen liegen nicht vor.
       
       3 Mar 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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