# taz.de -- Coronazahlen in China steigen: Und wieder Lockdown
       
       > China meldet die höchsten Infektionszahlen seit Wuhan – und reagiert
       > erneut mit harten Lockdowns. In Shanghai konnte das bislang verhindert
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Ein mit Schutzkleidung und Testsätzen beladener Güterzug fährt von Shenzhen nach Hongkong
       
       PEKING taz | Keine zwei Stunden, nachdem Premierminister Li Keqiang beim
       Nationalen Volksprozess in Peking die „anhaltende Öffnungspolitik“ Chinas
       preist, schließt 1.000 Kilometer nordöstlich die Neun-Millionen-Metropole
       Changchun ihre Pforten: Sämtliche Einwohner werden in ihre
       Apartmentwohnungen eingesperrt, nur ein Haushaltsmitglied kann sich für
       sporadische Lebensmittelkäufe alle zwei Tage registrieren.
       
       Während große Teile der Welt mit dem Coronavirus leben lernen, hält die
       Volksrepublik auch im dritten Jahr der Pandemie an ihrer
       Nulltoleranz-Strategie fest. Dass der am Freitag beschlossene Lockdown wohl
       nicht der letzte sein wird, steht außer Frage. Denn seit mehreren Tagen
       bereits vermeldet die nationale Gesundheitskommission die höchsten
       Infektionszahlen seit Abflachen der ersten Welle in [1][Wuhan]. Zuletzt
       waren es über 1.369 lokale Ansteckungen in 17 der insgesamt 31 chinesischen
       Provinzen.
       
       Das ist im internationalen Vergleich verschwindend gering, allein in
       Südkorea werden derzeit rund 300.000 Infektionen pro Tag gemeldet. Doch
       aufgrund des politisch vorgegebenen [2][„Null Covid“] erfordert in China
       jeder einzelne Coronafall rasche und strenge Maßnahmen. Mit jeder
       ansteckenderen Virusvariante wurden diese immer extremer.
       
       Neu ist zudem, dass erstmals auch die für ihre vergleichsweise liberale und
       pragmatische Pandemie-Strategie bekannte Wirtschaftsmetropole Shanghai
       stark betroffen ist. Die Kinos und Museen der Stadt haben umgehend ihren
       Betrieb suspendiert, auch die Schulen stellen ihren Unterricht wieder auf
       Online um. Internationale Flüge sollen für die kommenden sechs Wochen auf
       andere Städte umgeleitet werden, und laut bisher unbestätigten Videos auf
       sozialen Medien errichten die Autoritäten auf der Formel 1-Strecke derzeit
       Covid-Feldspitäler.
       
       ## Noch immer fehlt die Exit-Strategie
       
       Angesichts der kaufstarken Bevölkerung und den etlichen internationalen
       Unternehmen wird die Regierung wohl um jeden Preis verhindern wollen, in
       Shanghai einen flächendeckenden Lockdown tatsächlich anzuwenden. Denn
       dieser hätte ungleich stärkere ökonomische Folgen als in den Provinzen.
       
       Doch der Alltag innerhalb Shanghais ist bereits jetzt stark eingeschränkt:
       Da die meisten Arbeitgeber und auch Wohnanlagen auf verpflichtende
       PCR-Tests pochen, bildeten sich an den unzähligen Testzentren
       Menschenschlangen von mehreren hundert Metern. Einige Anwohner berichten
       von Wartezeiten von über vier Stunden.
       
       Auch wenn China als eines der wenigen großen Länder das Coronavirus früh
       und vollständig unter Kontrolle bringen konnte, fehlt trotz allem über zwei
       Jahre nach Ausbruch der Pandemie eine Exit-Strategie. Eine Öffnung der
       geschlossenen Landesgrenzen sowie eine Lockerung der Lockdown-Politik
       verschiebt die Regierung immer weiter in eine ferne Zukunft. Denn sie
       fürchtet bei einer natürlichen Durchseuchung um hohe Todeszahlen.
       
       Das sind durchaus rationale Ängste: Zum einen ist das Gesundheitssystem in
       vielen ländlichen Gegenden nur rudimentär entwickelt, zum anderen ist die
       Bevölkerung ausschließlich mit chinesischen Vakzinen durchgeimpft, deren
       Wirksamkeit im Vergleich zu den Mrna-Impfstoffen von Biontech und Moderna
       deutlich geringer ist.
       
       Doch die rigiden Maßnahmen haben auch politische Gründe. Im Herbst wird
       Staatschef Xi Jinping seine dritte Amtszeit ausrufen, weshalb die
       Parteiführung bis dahin sämtliche Risiken auf die „soziale Stabilität“
       vermeiden möchte.
       
       Und die Nebeneffekte der Pandemie heißt sie durchaus willkommen: Die
       [3][digitale Überwachung] hat in China geradezu dystopische Ausnahme
       angenommen, und auch der kulturelle sowie menschliche Austausch mit dem
       Ausland ist auf ein historisches Niveau geschrumpft. Die Volksrepublik
       China ist derart isoliert, wie sie es zuletzt unter Staatsgründer Mao
       Tsetung war.
       
       11 Mar 2022
       
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