# taz.de -- US-Präsident in Polen: Biden zeigt die Zähne
       
       > Der US-Präsident erinnert in Warschau daran, dass die Nato mit
       > demokratischen Werten verbunden ist. Der Artikel 5 sei ihm „heilige
       > Verpflichtung“.
       
 (IMG) Bild: US-Präsident Joe Biden mit ukrainischen Geflüchteten im Warschauer Fußballstadion
       
       WARSCHAU taz | Politische Reden in Kriegszeiten müssen ganz besonders
       abgewogen werden. Sie können im wahrsten Sinne des Wortes neue Fronten
       eröffnen, obwohl dies gar nicht die Absicht des Redners war. So ging es nun
       dem US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Kaum hatte er am Samstagabend
       seine mit großer Spannung erwartete Rede in Polens Hauptstadt Warschau
       beendet, intervenierte auch schon das Weiße Haus in Washington.
       
       Mit dem auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin bezogenen Satz
       „Dieser Mann darf um Gottes Willen nicht an der Macht bleiben!“ habe Biden
       nicht zu einem Regimewechsel in Russland aufgerufen. Gemeint habe er
       vielmehr, dass Putin keine Macht auf seine Nachbarländer oder die Region
       ausüben dürfe, erklärte ein Sprecher des amerikanischen Präsidialamts. Bei
       einem Treffen mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen in Warschau hatte Biden
       Putin einen „Schlächter“ genannt und zuvor in Brüssel einen
       „Kriegsverbrecher“. Putin führt seit vier Wochen einen brutalen
       Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine.
       
       Auch wenn Biden auf seiner viertägigen Europareise mit Stationen in Brüssel
       und Warschau den Aggressor Putin immer wieder scharf kritisierte, geht es
       ihm doch um etwas anderes: Seine Warschauer Rede hält er sehr
       symbolträchtig im 1944 von den Deutschen zerstörten und erst 1970 im damals
       kommunistischen Polen wieder aufgebauten Königsschloss.
       
       Mit den Bibelworten „Fürchtet Euch nicht“ habe der polnische Papst Johannes
       Paul II. seinen Landsleuten in den 1980er Jahren den Rücken gestärkt und
       überall im gesamten Ostblock die Freiheitsbewegungen unterstützt, sage
       Biden. Die immer wieder blutig niedergeschlagenen Freiheits-Aufstände
       hätten am Ende zum Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch des
       Ostblocks geführt. Einen großen Anteil daran hätten Polens Friedens- und
       Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc und ihr Anführer – „Lech Walesa sei
       Dank!“ – gehabt.
       
       „Zur Zeit“, so Biden weiter, „führen wir eine neue Schlacht um die
       Freiheit“. Wie damals sei es „eine Schlacht zwischen Demokratie und
       Autokratie, zwischen Freiheit und Repression, zwischen Rechtsstaat und
       Gewaltherrschaft“. Diese Schlacht sei nicht in Tagen, Wochen oder Monaten
       zu gewinnen. Sie werde sich über Jahre hinziehen.
       
       Die [1][Nato]-Erweiterung, macht Biden klar, habe nicht dazu gedient,
       Russland anzugreifen, wie Putin immer wieder behaupte. Es sei ein
       Verteidigungsbündnis. Und es sei vielmehr Putin, der mehrfach versichert
       habe, die Ukraine nicht überfallen zu wollen und der es dann doch getan
       habe. Noch dazu mit der zynischen Lüge, [2][das Nachbarland
       „entnazifizieren“ zu wollen]. Dabei sei der ukrainische Präsident Wolodymyr
       Selensky ein Jude, der im Holocaust einen Teil seiner Familie verlor.
       
       Im Gespräch mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda bekräftigt Biden
       mehrfach, dass „uns die Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrages
       eine heilige Verpflichtung ist“. Und: „Sie können sich darauf verlassen!“
       
       ## Querelen zwischen Polen und den USA
       
       Hintergrund sind zahlreiche Querelen in den polnisch-amerikanischen
       Beziehungen der letzten Monate. Mehrfach hatte die US-amerikanische
       Administration den seit dem Regierungsantritt der nationalpopulistischen
       Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Herbst 2015 andauernden
       Demokratie-Abbau in Polen kritisiert.
       
       Außerdem die zunehmende Diskriminierung von Minderheiten, die Politisierung
       der Gerichte, die Einschränkung der Medienfreiheit – unlängst hatte erst
       ein Veto des polnischen Präsidenten den per Gesetz vorangetriebenen
       Zwangsverkauf des Privatsender TVN verhindert, der dem amerikanischen
       Mutterkonzern Discovery gehört. Diese Kritik hatte bei vielen Polen die
       Befürchtung ausgelöst, die USA unter Joe Biden könnten Polen nicht zur
       Hilfe kommen, wenn es angegriffen werden sollte – trotz Nato-Beistandspakt.
       
       Die Landung der Air Force One auf dem hochmodernen Flughafen
       Rzeszow-Jasionka im Südosten Polens, nur knapp 100 km von der Grenze zur
       Ukraine entfernt, sollte bereits am Freitag diese Befürchtung zerstreuen.
       Hier sind seit Februar 2022 nicht nur tausende US-amerikanische Soldaten
       der 82. Luftlandedivision stationiert, von hier aus hätte Polen auch seine
       28 Kampfflugzeuge des sowjetischen Typs MiG-29 in die Ukraine bringen
       lassen können.
       
       Das „Angebot“ des polnischen Premiers Mateusz Morawiecki (PiS), die
       Flugzeuge, die Polen einst aus Altbeständen der DDR für eine symbolische
       D-Mark gekauft hatte, zur amerikanischen Militärbasis Rammstein in
       Deutschland zu bringen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt.
       
       Noch dazu verlangte Morawiecki auf einer öffentlichen Pressekonferenz, dass
       dies eine Waffenlieferung der gesamten Nato an die Ukraine sein müsse und
       daher alle Nato-Mitglieder einstimmig dafür stimmen müssten. Zuvor solle
       die USA noch zusichern, dass es Polen moderne Kampfflugzeuge als Ersatz und
       dies möglichst sofort zur Verfügung stellen solle. Dass die Nato,
       Deutschland wie die USA dieses „Angebot“ sofort verwarfen, war
       vorherzusehen.
       
       Nach dem Besuch von Biden in Polen hat Selenskyj erneut um Militärhilfe
       gebeten. Darunter sind auch die MiG-29, auf denen die ukrainischen Piloten
       geschult wurden und die sie fliegen können.
       
       27 Mar 2022
       
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