# taz.de -- Western-Serie „Outer Range“: Geduldsprobe im Westen
       
       > Familienkonflikte, Landschaftsaufnahmen und ein alles verschlingendes
       > mysteriöses Loch. „Outer Range“ hat Potenzial, wird aber schleppend
       > erzählt.
       
 (IMG) Bild: Viel Landschaft, viele Cowboys
       
       Zunächst wiegt die Serie „Outer Range“ das Publikum in Sicherheit. Man
       wähnt sich auf vertrautem Terrain, nämlich dem der Abbotts, einem
       Paradebeispiel für eine Familie im Western-Genre. Schon lange befindet sich
       die Ranch in Familienbesitz. Hier züchten Royal Abbott (souverän: Josh
       Brolin) und seine Ehefrau Cecilia (Lili Taylor, selbst in eher undankbaren
       Rollen immer sehenswert) Rinder.
       
       Cowboyhüte und die entsprechenden Stiefel gehören zur Grundausstattung. Man
       reitet über die schier unendlichen Weiten Wyomings, fährt Pick-up, geht in
       die Kirche. Die beiden erwachsenen Söhne wohnen unter dem gleichen Dach:
       Perry (Tom Pelphrey) hat bereits eine Tochter, Rhett (Lewis Pullman) sucht
       noch nach Erfüllung jenseits seiner Rodeo-Karriere.
       
       Doch der Alltag der Abbotts besteht nicht bloß aus Wild-West-Idylle. Perrys
       Ehefrau ist seit einiger Zeit spurlos verschwunden, und nun erhebt auch
       noch der rivalisierende Nachbarclan der Tillersons rund um Patriarch Wayne
       (Will Patton) juristisch Anspruch auf einen stattlichen Teil des
       Abbott’schen Landes.
       
       „Outer Range“ könnte eine [1][klassische Western-Familiensaga] sein, wie
       sie in den USA – siehe „Yellowstone“ – aktuell erfolgreich wie lange nicht
       sind. Doch dann taucht auf der Abbott-Ranch erst die geheimnisvolle
       Camperin Autumn (Imogen Poots) auf und bald ein kaum weniger mysteriöses
       Bison mit zwei Pfeilen im Leib. Schließlich entdeckt Royal auf seinem
       weitläufigen Anwesen auch noch ein riesiges, unheimliches und scheinbar
       bodenloses Loch. Und stellt bald fest: Was oder wen man dort hinein
       schmeißt, taucht womöglich später anderswo wieder auf.
       
       Dass sich in diese vermeintlich geradlinige Western-Geschichte plötzlich
       Elemente eines Mystery-Thrillers à la „Lost“ mischen, ist so unerwartet wie
       erfreulich. Auch die deutsche Serie „Dark“ kommt einem als Referenz in den
       Sinn, nicht zuletzt, weil gleich in der ersten von acht Episoden aus dem
       Off über Chronos, den Gott der Zeit, sinniert wird, der – wie es hier heißt
       – mit seiner Sichel den Kosmos zwischen Erde und Himmel und damit dem
       Bekannten und dem Unbekannten zerteilte. Wie so vieles in dieser Serie
       führt das allerdings erst mal zu nicht viel. Überhaupt: Es dauert viel zu
       lange, bis irgendwas irgendwohin führt, so frustrierend schleppend ist das
       Tempo.
       
       ## Visuell hochwertig
       
       Dennoch fährt „Outer Range“, vom amerikanischen Theaterautor Brian Watkins,
       viel Gelungenes auf. Visuell ist die von [2][Brad Pitts Firma Plan B
       produzierte Serie] hochwertiger als vieles, was sich dieser Tage sonst
       streamen lässt; nicht zuletzt die Landschaftsaufnahmen haben Kinoformat,
       bloß in den Nachtszenen ist die Dunkelheit so übertrieben erdrückend, dass
       kaum etwas zu erkennen ist.
       
       Die eklektische Musik von Danny Bensi und Saunder Jurriaans („Ozark“, „Fear
       the Walking Dead“) greift originell die tonale Vielfalt des Genre-Mash-ups
       auf. Und das Ensemble rund um den Western-erfahrenen Josh Brolin lässt sich
       nichts zuschulden kommen, wobei vor allem Tamara Podemski als Deputy
       Sheriff Joy, indigen und lesbisch, bleibenden Eindruck hinterlässt.
       
       Umso bedauerlicher, dass die Serie aus ihrer vielversprechend originellen
       Prämisse nicht mehr macht. Die Überraschungen und Twists kommen zu
       zögerlich und vor allem zu spät, stattdessen verliert sich „Outer Range“ in
       Andeutungen, scheinbar wahllosen Verschrobenheiten (Noah Reid muss als
       Tillerson-Sohn ohne ersichtlichen Grund ständig singen) und mitunter arg
       gestelzten Monologen, die Watkins’ Theater-Herkunft in Erinnerung rufen.
       
       Dass man sich über weite Teile mehr für die (inter-)familiären Konflikte
       und darin verwobene, meist nur angedeutete Überlegungen zu Themen wie
       Glauben, Männlichkeit und Einsamkeit interessiert als die Frage, was es nun
       mit dem furchteinflößend in der Prärie klaffenden Loch auf sich hat,
       erscheint als vertane Chance – und stellt die Geduld der Zuschauer*innen
       gehörig auf die Probe.
       
       19 Apr 2022
       
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