# taz.de -- „Rettungsplan“ für den Libanon: Reformen wird es nicht geben
       
       > Der milliardenschwere Deal zwischen dem Libanon und dem Internationalen
       > Währungsfonds spielt nur der politischen Elite im Libanon in die Karten.
       
 (IMG) Bild: Eine Bankfiliale in Beirut
       
       Die Reformen, die sich das Personal des Internationalen Währungsfonds (IWF)
       vom [1][Libanon] wünscht, werden nicht kommen. Der Libanon soll unter
       anderem seinen Banken- und den Energiesektor umstrukturieren,
       Steuerreformen durchführen und Korruption bekämpfen, um rund 2,75
       Milliarden Euro zu erhalten. Das Abkommen auf Personalebene kommt einen
       Monat vor den Wahlen im Libanon. Wieso schließt die internationale
       Gemeinschaft ein solches Paket mit [2][einer alten Regierung] ab?
       
       Hätte der IWF nicht warten können, bis ein neues Parlament und eine neue
       Regierung formiert sind? Zugegeben, die Chancen, dass sich in der
       libanesischen Politik etwas ändert, sind aufgrund des Wahlsystems mit
       seinem konfessionellen Proporz niedrig. Doch so schaut es aus wie eine
       selbsterfüllende Prophezeiung: Die Verhandler*innen des IWF glauben
       selbst nicht, dass sich [3][die politischen Köpfe im Libanon ändern].
       
       Seit Beginn der Wirtschaftskrise 2019 verhandelt der IWF mit dem Land um
       das Paket. Ständig stockten die Gespräche. Vor allem, weil die Regierung
       und die Zentralbank sich gegenseitig die Schuld zuwiesen und sich nicht mal
       auf die Höhe des Staatsdefizits einigen konnten. Einen Monat vor den Wahlen
       geht es plötzlich, mal wieder versprechen sie Reformen.
       
       Das Abkommen ist kein Durchbruch. Vielmehr hilft es der Elite in ihrem
       Wahlkampf. Bereits vor Ausbruch der Finanzkrise war klar, dass die
       politische Elite im Libanon – bestehend aus Familien ehemaliger Milizführer
       im Bürgerkrieg– geliehenes Geld entweder in Projekte steckt, von denen sie
       profitieren, oder es direkt in ihren Taschen versacken lässt. Das beste
       Beispiel dafür ist der Zentralbankchef Riad Salameh selbst: Die
       libanesische Staatsanwaltschaft sowie vier europäische Staatsanwaltschaften
       ermitteln gegen ihn wegen Verdacht auf Geldwäsche.
       
       Er soll der Zentralbank Hunderte Millionen US-Dollar über Beratungsaufträge
       entzogen haben – das Geld ging auf Konten seiner Verwandtschaft und steckt
       auch in Immobilien in Deutschland. Trotz der Vorwürfe ist Salameh noch
       immer Zentralbankchef – und bestreitet, dass der Libanon bankrott sei.
       
       Immer wieder betonte die internationale Gemeinschaft – allen voran
       Frankreich und auch Deutschland –, es bräuchte Reformen, um weiter Geld zu
       leihen oder um Entwicklungsgelder zu bekommen. Noch 2018 sammelte Emmanuel
       Macron 10 Milliarden US-Dollar an Kreditzusagen – im Gegenzug für Reformen.
       Die blieben natürlich aus, das Geld wurde nie geschickt. Der nun vorgelegte
       Deal zeigt mal wieder, dass dem Westen politische Stabilität im Libanon
       wichtiger ist als die Reformen, die er vollmundig fordert.
       
       10 Apr 2022
       
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