# taz.de -- Rezept für Haschgebäck: Völlig losgelöst
       
       > Einfach Weed in den Brownieteig bröseln und fertig? Von wegen. Der
       > perfekte Space Cookie braucht Zeit – und Kenntnisse in Mathematik und
       > Chemie.
       
 (IMG) Bild: Kekse mit THC-Gehalt beim Global Marijuana March 2017 in Chile
       
       Das Wichtigste ist ja die Butter. „Die richtig zu machen, also das Gras in
       die Butter einkochen, ist der anspruchsvollste Teil“, sagt O. und legt
       einen Block Fett auf den Küchentisch. Bio-Süßrahmbutter, 250 Gramm. Daneben
       die Tüte mit dem Gras, 3 Gramm. Eine Mischung der Sorten Indica und Sativa,
       die laut Verkaufskontakt ein bisschen „albern“ machen soll. Und die wir
       heute essbar machen wollen – edible.
       
       „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu
       Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Das hat uns die Ampel in
       ihrem Koalitionsvertrag versprochen. Weitere Schritte Richtung
       Legalisierung wurden bisher noch nicht eingeleitet. Doch wenn man in
       Deutschland erst mal legal sein Gras kaufen kann, dürfte auch der nächste
       Schritt diskutiert werden: essbare Hanfzubereitungen, sogenannte edibles,
       etwa in Form von Haschgebäck.
       
       Da diese einen Rausch verursachen können, der erst Stunden nach dem Verzehr
       eintritt (und dann vielleicht zu stark, weil man aus Ungeduld zu viel
       gegessen hat), wurden sie zum Beispiel in Kanada 2018 nicht vom ersten
       Schritt der Legalisierung erfasst. Erst nach einer Probezeit durften sie
       ein Jahr später offiziell verkauft werden.
       
       Ähnlich könnte es hierzulande ablaufen. Oder wie eine Sprecherin des
       Drogenbeauftragten der Bundesregierung es ausdrückt: „Diese Frage wird im
       Rahmen der Erstellung des Gesetzentwurfs zu klären sein.“
       
       ## Vor allem braucht es Fett
       
       So lange können wir nicht warten. Es ist ein Samstagabend in
       Charlottenburg, Berlin, und wir – drei junge Menschen und O., der Bäcker –
       wollen die perfekten Space Brownies backen. „Warum macht man eigentlich
       meistens Kekse oder Brownies? Warum nicht zum Beispiel … Cannabisbrot?“,
       will ich wissen. „Es gibt ja alles Mögliche, auch Cannabisöle oder eben
       Cannabisgummibärchen“, sagt O. „Vor allem brauchst du eben Fett, das zieht
       das THC ein.“
       
       Denn THC, Tetrahydrocannabinol, der psychoaktive Wirkstoff von Hanf, ist
       stark lipophil, lässt sich also gut in Ölen oder Fetten lösen. Zum Backen
       empfohlen werden Butter oder Kokosöl. Dass wir ausgerechnet Brownies
       backen, liegt vermutlich an deren superhohem Butteranteil. Oder einfach
       daran, dass wir uns dem US-amerikanischen Einfluss wie so oft nicht
       entziehen können.
       
       Im hinduistischen Raum, habe ich gelesen, bereitet man schon seit 1000 v.
       Chr. eine Paste aus Blüten und Blättern der weiblichen Hanfpflanze zu.
       Diese konsumiert man meistens in Form eines Milchgetränks mit Gewürzen, dem
       Bhang Thandai.
       
       In Europa wurden edibles in den späten 1950ern ein Hit, nachdem Alice B.
       Toklas, die Lebensgefährtin der Schriftstellerin Gertrude Stein, im „The
       Alice B. Toklas Cookbook“ ein Rezept für Hasch-Karamell unterbrachte, mit
       der Notiz „Which anyone could whip up on a rainy day“ – etwas, dass jede:r
       an einem verregneten Tag zusammenpanschen kann. Draußen fängt es
       tatsächlich an zu regnen. Mal schauen, ob wir den Rest auch hinbekommen. Es
       ist jedenfalls nicht so, dass man einfach das Weed in den Brownieteig
       bröselt.
       
       ## Decarboxy… was?
       
       Bevor wir starten, müssen zwei entscheidende Dinge geklärt werden, und die
       haben mit Mathematik und Chemie zu tun. Zuerst muss das THC aktiviert
       werden, und hier kommt die Chemie ins Spiel: Rohes Gras beinhaltet nämlich
       eine Vorform des THC, sogenanntes THCA. „Das muss jetzt erst mal
       decarboxyliert werden“, sagt O., und das macht man am besten im Ofen.
       
       Dafür verteilen wir das gemahlene Gras auf einem mit Backpapier ausgelegtem
       Blech. Raucht man einen Joint – bei Temperaturen von bis zu 800 Grad
       Celsius – wird das Cannabis übrigens ebenfalls decarboxyliert, aber wenige
       Sekunden später verdampft es dann auch. Damit das im Ofen nicht passiert,
       dürfen wir nicht zu hoch drehen. Wir finden komplizierte Grafiken dazu im
       Internet und den Hinweis, der „sweet spot“ liege zwischen 110 und 120 Grad
       Celsius. Also Ofen auf 120 Grad und 25 bis 30 Minuten warten.
       
       Währenddessen klären wir die Mathematik. Wie viel Gras wollen wir mahlen?
       Wie viel Wirkung erzielen? Das erste Problem: Der THC-Gehalt in unserem
       Gras ist natürlich unklar. Das sei eben die große Unsicherheit, die man
       eingehe, solange dieses hierzulande nicht legalisiert sei, meint O. „Als
       ich in Kanada war, wusste man immer genau, wie viel in welchem edible drin
       ist.“ Wir müssen schätzen.
       
       Man geht davon aus, dass ein Gramm Gras zwischen 150 und 200 mg THC
       beinhaltet. Eine ausführliche Internet-Tabelle klärt uns auf: Es wird
       empfohlen, für einen guten Trip (je nachdem, wie regelmäßig man konsumiert)
       zwischen 5 und 15 mg zu sich zu nehmen. Sagen wir, wir teilen den Brownie
       nachher in 30 Stückchen und nehmen zwei Gramm für die Butter und die ganze
       Butter für den Brownie, dann macht das pro Stück später … etwa 10 mg. Alle
       nicken. Klingt gut.
       
       Das THC ist aktiviert, jetzt muss es nur noch in die Butter. Auf Englisch
       nennt man den Schritt „infusion“. Hier soll die Butter von den
       Cannabinoiden (dem high machenden THC und dem entspannenden Cannabidiol,
       auch als CBD bekannt) letztendlich durchdrungen werden. Dafür schmilzt man
       diese in einem Wasserbad, fügt das zermahlene Weed hinzu und lässt es
       lange, sehr lange einwirken.
       
       ## Wichtiges Gadget: ein Steakthermometer
       
       Auch hier ist Genauigkeit gefragt. Die Temperatur der Butter sollte hoch
       genug sein, dass sie komplett schmilzt, aber immer unter 93 Grad Celsius
       liegen. „Niemals höher, sonst wird das THC zerstört“, sagt O. und holt ein
       Steakthermometer aus der Tasche. Damit prüfen wir immer mal wieder die
       Temperatur, doch bei genug Wasser und auf mittlerer Stufe wird die
       kritische Marke nicht überschritten. „Na, und das jetzt mindestens zwei bis
       sechs Stunden“, sagt O.
       
       Nach drei Stunden haben wir genug. Wir sieben die Grasreste mit einem
       Küchentuch aus und erhalten die Cannabutter – die Essenz unserer Space
       Brownies. Es folgt das Backen: Schokolade in der Cannabutter schmelzen,
       Zucker, Mehl und Eier hinzufügen, dazu als besondere Zutaten Walnüsse und
       ganze Schokostücke. Noch mal eine halbe Stunde in den Ofen. Die 170 Grad
       Backtemperatur bedeuten höchstens 100 Grad für kurze Zeit im Inneren des
       Gebäcks, also eine geringe Gefahr für THC-Verlust.
       
       Es ist mittlerweile dunkel draußen und riecht wahrscheinlich stark süßlich
       in der ganzen Wohnung. Wir haben mehrere Runden Scharade hinter uns und H.s
       komplette Blues-Playlist durch. Es wird Zeit zu testen, ob sich das Warten
       gelohnt hat.
       
       Mit Hanf angereicherte Kuchen nennt man auch Space Cakes, weil sie dich –
       bei richtiger Dosierung – ins All katapultieren. Alice B. Toklas
       bezeichnete das Haschkaramell aus ihrem Kochbuch als „food of paradise“. Es
       braucht eben eine Stunde oder zwei, bis das Paradiesische eintritt. Wichtig
       ist es, trotzdem erst auf den Effekt zu warten und nicht aus Ungeduld
       gleich ein zweites Stück zu viel zu essen. Denn wenn das High eintritt,
       dann hält es. Und zwar mehrere Stunden.
       
       Wir haben einen Fehler gemacht, denke ich mir, schon halb im All. Die
       Brownies sind unglaublich lecker und wir haben kein zweites Blech ohne Gras
       gebacken.
       
       6 May 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Lang Fuentes
       
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