# taz.de -- Asylpolitik in Dänemark: Überall hin, nur nicht ins Land
       
       > Die dänische Regierung treibt ihre Pläne für einen Flüchtlingsknast im
       > Kosovo und nach Ruanda ausgelagerte Asylverfahren weiter voran.
       
 (IMG) Bild: Migrantisches Begrüßungskomitee für ankommende Geflüchtete in Dänemark, 2015
       
       STOCKHOLM taz | Sich unangenehme Probleme vom Hals zu schaffen, indem man
       Menschen einfach in andere Länder verfrachtet, scheint ein von der
       sozialdemokratischen Regierung Dänemarks zunehmend verfolgtes politisches
       Konzept zu sein. In der vergangenen Woche wurde der bereits im vergangenen
       Jahr angekündigte Plan besiegelt, ein Gefängnis im Kosovo zu einer Art
       [1][dänischer Strafkolonie] für bis zu 300 Abschiebehäftlinge zu
       verwandeln. Und man plant einen Asyldeal mit Ruanda, ähnlich dem, den
       [2][London gerade abgeschlossen] hat.
       
       Den von ihm und seiner kosovarischen Amtskollegin Albulena Haxhiu am
       Mittwoch unterzeichneten [3][Vertrag] über die 10-jährige Anmietung von
       Haftplätzen im Gefängnis Gjilan bezeichnete Justizminister Nick Hækkerup
       als „bahnbrechend“. Der Kosovo-Knast ist wegen der geringeren
       Personalkosten nicht nur preisgünstiger als eine dänische Haftanstalt.
       Hækkerup möchte noch einen Schritt weiter gehen: „Unser Ausgangspunkt ist,
       dass die Verurteilten das selbst finanzieren müssen.“ Ob mit unbezahlter
       Arbeit oder wie sonst man das praktisch erreichen könne, daran werde in
       seinem Ministerium noch gefeilt.
       
       KritikerInnen werfen Kopenhagen nicht nur deswegen „modernes
       Kolonialdenken“ vor, sondern auch wegen [4][eines anderen Plans], der seit
       über einem Jahr vor sich hinköchelt: Flüchtlingen soll der Aufenthalt in
       Dänemark zur Durchführung eines Asylverfahrens ganz versagt und ihre
       Asylprüfung ins 6.000 Kilometer entfernte Ruanda verlegt werden. Ihr
       Transport dorthin soll erforderlichenfalls mit Hilfe von „unmittelbarem
       Zwang“ erfolgen, heißt es in einem Gesetzentwurf.
       
       Die Idee des dänischen Integrationsministers Mattias Tesfaye scheint der
       Regierung von Boris Johnson so gut gefallen zu haben, dass London mit einem
       entsprechendem Asyldeal Dänemark in der vergangenen Woche sogar noch
       zuvorkam. Man sei aber „auf gutem Wege“, informierte Tesfaye am Donnerstag
       VertreterInnen aller Parlamentsparteien. Allerdings könne er Einzelheiten
       nicht nennen, „der Dialog mit Ruanda muss vertraulich bleiben“. Ein
       Sprecher der für alle skandinavischen Länder zuständigen ruandischen
       Botschaft in Stockholm bestätigte Jyllands Posten entsprechende
       Verhandlungen.
       
       ## Keine Angst vor Warnungen aus Brüssel
       
       Das veranlasste EU-Flüchtlingskommissarin Ylva Johansson am Freitag,
       Kopenhagen vor „möglichen Konsequenzen für die Dublin-Zusammenarbeit“ zu
       warnen, sollte man einen solch „kontraproduktiven“ und „egoistischen“ Plan
       tatsächlich verwirklichen.
       
       Diese Warnung aus Brüssel muss man vermutlich nicht allzu ernst nehmen. Zum
       einen hat die schwedische Kommissarin angesichts der illegalen Pushbacks
       von Flüchtlingen durch Polen und Litauen nach Belarus bewiesen, dass sie
       mit dem Bruch von europäischem und internationalem Recht keine übergroßen
       Probleme zu haben scheint und es im Zweifel bei einem erhobenem Zeigefinger
       bleibt. Zum anderen hatte sich Dänemark für seine Zustimmung zum
       Maastricht-Abkommen ohnehin ausgehandelt, außerhalb der gemeinsamen
       EU-Flüchtlingspolitik stehen zu können.
       
       Allerdings fällt es der dänischen Regierung zunehmend schwer, den Sinn
       ihres von der Linksopposition als „skrupellos“ verurteilten Ruanda-Konzepts
       deutlich und im Parlament die dafür erforderlichen Millionen locker machen
       zu können.
       
       Ursprünglich hatte man von einer Art Vorreiterrolle in der EU geträumt:
       Andere Länder würden sich sicher anschließen. Inzwischen zeichnet sich ab,
       dass dies nicht der Fall sein dürfte. Das Argument, Flüchtlinge könnten so
       davon abgehalten werden, die Flucht über das Mittelmeer überhaupt erst
       anzutreten, greift deshalb nicht mehr.
       
       Der Effekt, den eine Auslagerung des Asylverfahrens nach Ruanda allenfalls
       noch haben könnte: Flüchtlinge würden vermutlich Dänemark meiden.
       Vielleicht reicht Kopenhagen ja schon ein solcher „Erfolg“.
       
       2 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Daenemarks-Abschottungspolitik/!5820865
 (DIR) [2] /Asyldeal-von-Grossbritannien-und-Ruanda/!5846516
 (DIR) [3] ttps://www.justitsministeriet.dk/wp-content/uploads/2022/04/Final-treaty-Denmark-Kosovo.pdf
 (DIR) [4] /Fluechtlingspolitik-in-Daenemark/!5776330
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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