# taz.de -- Museum „Insel Hombroich“ in Neuss: Kunst im Fluss
       
       > Das Museum „Insel Hombroich“ in Neuss wirkt wie ein Kopfhörer, der
       > Störgeräusche reduziert. Hier verschmelzen Natur, Architektur und Kunst.
       
 (IMG) Bild: Die Inszenierung einer perfekten Welt: das Museum Insel Hombroich bei Neuss
       
       Eine Insel weitab von Pandemie, Krieg und Alltagsstress, ein Ort mit active
       stress cancelling sozusagen, das wär’s doch jetzt, oder? Eine solche Insel
       gibt es, und verglichen mit Karibik, Bornholm oder Arkadien ist sie gut zu
       erreichen. Nur 15 Minuten vom Neusser Hauptbahnhof entfernt liegt das
       [1][Museum Insel Hombroich] in dem Flüsschen Erft.
       
       ## Das Prinzip
       
       Kopfhörer mit active noise cancelling blenden Störgeräusche aus, indem sie
       sie in invertierter Phasenlage zur Musik hinzumischen und damit
       neutralisieren. Ganz ähnlich funktioniert das Museum Insel Hombroich,
       dessen Purismus Stressgefühle reduziert. Durch eine Inszenierung, die sich
       selbst unsichtbar macht, wird hier der Blick aufs Wesentliche gelenkt.
       
       Vor 40 Jahren erwarb der [2][Düsseldorfer Immobilienunternehmer
       Karl-Heinrich Müller] 20 Hektar Land mitsamt einer Villa aus dem 19.
       Jahrhundert an den Ufern der Erft, um Platz für seine Kunstsammlung zu
       schaffen. So beginnt die Geschichte des Museums Insel Hombroich.
       
       ## Die Anlage
       
       Gleich hinter dem Kassengebäude blicken wir über eine Auenlandschaft wie
       aus dem Bilderbuch. Die Anlage sieht aus wie eine unberührte
       Flusslandschaft mit Wegen und Brücken, doch der Anschein ursprünglicher
       Natur ist das Ergebnis hoher Gartenkultur. [3][Der Landschaftsplaner
       Bernhard Korte] hat diese Ideallandschaft geschaffen, indem er nicht nur
       die ursprüngliche Topografie und Geschichte des Ortes erschloss, sondern
       auch die prähistorischen und exotischen Pflanzen des alten Parks
       miteinbezog. Sein Credo hat er so formuliert: „Die Insel Hombroich wird
       gepflegt, als ob sie nicht gepflegt wird.“
       
       Die renaturierte Auenlandschaft ist aber nur ein Teil des
       Stressauflösungsprogramms. Zweites Element sind die Pavillons. Erwin
       Heerich, ihr Architekt, hat rund ein Dutzend von ihnen für die
       auszustellende Kunst geschaffen. Und jetzt kommt’s: Manche von ihnen sind
       leer! Sie sind selbst zum Ausstellungsobjekt geworden, zur begehbaren
       Skulptur. Außen recycelte Ziegel aus den Niederlanden, innen weiß verputzte
       Wände. Einfache Formen und Grundrisse und doch raffinierte Architektur und
       bezaubernde Räume sind hier entstanden.
       
       So zum Beispiel der „[4][Turm]“, ein Kubus von zehn Meter Kantenlänge mit
       nach innen gedrückten Ecken im oberen Bereich. Er spiegelt sich im Wasser
       der Auen. Vier Türen führen den Blick durch das Gebäude hindurch wieder in
       die Natur. Wir gehen hinein und möchten einfach nur bleiben. Weiße Wände,
       Blick in die Natur, mehr braucht es nicht für das Gefühl, an einem idealen
       Ort zu sein.
       
       Vom „Turm“ führt der Weg zur „[5][Schnecke]“. Außen sieht man nur eine
       gewinkelte Mauer. Innen erscheint der Bau mit seinem dreieckigen Innenhof
       auf einmal raffiniert, denn seine Form ermöglicht es, Abteilungen zu
       schaffen. Hier nun hängt Kunst unter anderem von Rembrandt, Jean Fautrier,
       Medardo Rosso und Paul Cézanne. Auffällig sind die großartige Präsentation
       und die Hängung der Bilder. Noch nie habe ich eine Lücke in einer Reihe von
       Rembrandt-Bildern so genial platziert gesehen.
       
       ## Die Wirkung
       
       Die unaufgeregte Präsentation der Kunst verstärkt die beruhigende Wirkung
       der Landschaft und der schlichten Architektur. Die Kuratierung ist
       unaufdringlich und ohne didaktischen Zeigefinger. Es gibt keinerlei
       Beschriftung. Kunst kommt hier ohne Gebrauchsanweisung aus. Wir dürfen
       einfach nur gucken. Uns wird die Begegnung mit der Kunst zugetraut, ohne
       sie zu ordnen, zu erklären, zu schützen oder zu inszenieren. Das wirkt sehr
       angenehm!
       
       In Hombroich werden, so scheint es, durch die sich zurücknehmende
       Inszenierung der Objekte mögliche Störfaktoren absorbiert. Was bleibt, ist
       Konzentration, aktiver Stressabbau. Und reine Kunst.
       
       15 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.inselhombroich.de/de
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Heinrich_M%C3%BCller
 (DIR) [3] https://www.bernhard-korte.com/projekte/1.php
 (DIR) [4] http://www.archipicture.eu/Architekten/Germany/Heerich%20Erwin/Erwin%20Heerich%20-%20Insel%20Hombroich%20Turm%201.html
 (DIR) [5] http://www.archipicture.eu/Architekten/Germany/Heerich%20Erwin/Erwin%20Heerich%20-%20Insel%20Hombroich%20Schnecke%201.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörn Schüßler
       
       ## TAGS
       
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