# taz.de -- Gericht verurteilt Labormitarbeiter: Strafe für psychische Quälerei
       
       > In einer niedersächsischen Tierversuchsfirma filmten Aktivisten, wie
       > Affen gequält wurden. Nun bekam ein Assistent eine Geldstrafe.
       
 (IMG) Bild: Panische Angst: Ein fixierter Affe im Tierversuchslabor LPT
       
       OSNABRÜCK taz | Eine Strafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro: Das liest
       sich mager, angesichts der Bilder, die Tierschützer heimlich im
       Tierversuchslabor LPT im niedersächsischen Mienenbüttel gedreht haben.
       Beagle, die in ihrem Blut sitzen und panische Affen sind darauf zu sehen.
       Aber der Strafbefehl des niedersächsischen Amtsgerichts Tostedt gegen einen
       Tierpflege-Assistenten des „Laboratory of Pharmacology and Toxicology“
       (LPT) wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz hat es in sich.
       
       „Leider fallen Geldstrafen bei Tierschutzvergehen traditionell zu niedrig
       aus“, sagt Friedrich Mülln der taz, dessen Tierrechtsorganisation [1][„Soko
       Tierschutz“] die Versuchstier-Misshandlungen bei LPT durch eine
       [2][viermonatige Undercover-Recherche] aufgedeckt hatte, von Anfang
       Dezember 2018 bis Ende März 2019. Interessant an dem Urteil sei aber, „dass
       zum ersten Mal nicht auf rein physische Aspekte wie Wunden und Schmerzen
       eingegangen wurde, sondern auf die psychischen Qualen der Tiere durch
       Stress und Angst“.
       
       Das sei ein „auch in anderen Bereichen der Tierausbeutung bisher völlig
       ignorierter Aspekt“, sagt Mülln. „Es ist erfreulich, dass ein Gericht
       endlich erkannt hat, dass Folter auch und insbesondere psychisch
       stattfinden kann.“ Er wünscht sich, dass Gerichte künftig auch psychische
       Qualen in der Landwirtschaft und Schlachthöfen berücksichtigen: etwa wenn
       über Kopf aufgehängte Puten panisch flatterten oder Schweine in engen
       Schlachthofgassen vor Angst kreischten.
       
       Beim Tostedter Strafbefehl geht es um [3][Tierversuche] an Makaken-Affen.
       Die heimlich gefilmten Videoaufnahmen zeigen geflieste, gekachelte Räume
       mit engen Gitterkäfigen ohne Sitzfläche, zeigen qualvoll an Hals, Armen,
       Hüften und Beinen fixierte Tiere, zeigen Tiere mit angstvoll aufgerissenen
       Augen und Mäulern, zeigen wie der Tierpflege-Assistent einen Affen mit dem
       Kopf gegen einen stählernen Türrahmen schmettert. Müllns Strafanzeige,
       gestellt im Herbst 2019, ist 18 Seiten lang. Sie enthält Sätze wie: „Zur
       Bestrafung der Tiere für deren Gegenwehr wurden diese nicht selten
       körperlich misshandelt.“
       
       „Zwei verdeckte Ermittler von uns waren in diesem Labor – zeitversetzt“,
       sagt Mülln. „Dadurch haben wir einen ziemlich guten Eindruck bekommen.“
       Seine Strafanzeige beschuldigt auch den LPT-Geschäftsführer und die
       Amtstierärztin. Neben den Videos dienen Gedächtnisprotokolle über Gespräche
       mit LPT-MitarbeiterInnen als Untermauerung. Der Hauptvorwurf: Vergehen der
       Tierquälerei nach Paragraf 17 Tierschutzgesetz.
       
       Laut der Soko-Strafanzeige hat das, außer die Affen, auch Hunde und Katzen
       getroffen. Auf den Aufnahmen sind abgemagerte, reglose Hunde in
       blutgetränkten Zwingern zu sehen. Unversorgte Tiere, vom nahen Tod
       gezeichnet. In der Strafanzeige ist zudem von Fixierungsversuchen die Rede,
       durch die ein Rückgrat gebrochen sei.
       
       Der Strafbefehl ist das erste gerichtliche Resultat in diesem Fall. Der
       Beschuldigte hat keinen Einspruch dagegen eingelegt; zu einer
       Hauptverhandlung kam es nicht. „Das ist rechtskräftig“, bestätigt Astrid
       Hillebrenner der taz, die Direktorin des Amtsgerichts Tostedt. Ob weitere
       LPT-Verfahren auf ihr Haus zukommen, weiß sie noch nicht.
       
       Auch die Staatsanwaltschaft Stade kann das noch nicht absehen. „Da sind
       umfassende Gutachten in Auftrag gegeben“, sagt Oberstaatsanwalt Kai Thomas
       Breas der taz. „Derzeit ermitteln wir die Betriebsabläufe. Das nimmt Zeit
       in Anspruch.“ Gäbe es Fälle, bei denen die Straferwartung über vier Jahre
       beträgt, gingen sie ans Landgericht.
       
       Hamburgs Grüne sind froh um den Auftakt der LPT-Verfahren. „Die
       schrecklichen Bilder aus den LPT-Tierversuchslaboren haben uns alle
       geschockt“, sagt Lisa Maria Otte, tierschutzpolitische Sprecherin der
       Bürgerschaftsfraktion. „Vor diesem Hintergrund wird eine Strafe von 900
       Euro für Tierquälerei von vielen Menschen mit Sicherheit als unzureichend
       empfunden.“
       
       Die Fraktion sehe die Bestrafung aber als wichtigen Schritt: „Grundsätzlich
       sollten zum Schutz der Tiere Gesetze konsequent angewendet werden und
       Strafen durchaus höher ausfallen. Es ist daher richtig, dass die
       Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart hat, Teile des
       Tierschutzrechts in das Strafgesetzbuch zu überführen.“
       
       Das LPT-Labor in Mienenbüttel wurde [4][Ende 2019 dichtgemacht] – durch
       Genehmigungsentzug. Einige Standorte des Unternehmens machten unter dem
       neuen Namen Provivo Biosciences in Hamburg und Schleswig-Holstein weiter.
       Auch sie sollen laut Medienberichten bis zum Jahresende aufgelöst werden.
       Nach der geregelten Abwicklung von Provivo Biosciences solle ein neues
       Unternehmen an einem neuen Standort entstehen, berichtet das Hamburger
       Abendblatt. Dann allerdings ohne Tierversuche. Es solle die Erforschung von
       tierversuchsfreien Zelltests weiterentwickeln.
       
       27 May 2022
       
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