# taz.de -- US-Programm für Waffenlieferungen: Alles für die Ukraine
       
       > „Lend Lease“ hieß das Programm, mit dem die USA im Zweiten Weltkrieg
       > andere Länder gegen Nazideutschland aufrüsteten. Nun wird es neu
       > aufgelegt.
       
 (IMG) Bild: Nur geliehen: US-Präsident Biden unterzeichnet das „Lend-Lease“-Gesetz
       
       BERLIN taz | Die USA weiten ihre militärische Unterstützung der Ukraine
       massiv aus. US-Präsident Joe Biden unterzeichnete am 9. Mai in Washington
       ein Gesetz, das es erlaubt, der Ukraine und vom Ukrainekrieg betroffenen
       osteuropäischen Ländern Rüstungsmaterial ohne Gegenleistung in unbegrenzter
       Höhe zur Verfügung zu stellen. Der [1][Ukraine Democracy Defense
       Lend-Lease Act] soll „helfen, die Verteidigungskapazitäten dieser Länder zu
       stärken und ihre Zivilbevölkerungen vor potenzieller Invasion oder
       laufender Aggression durch die Streitkräfte der Regierung der Russischen
       Föderation zu schützen“.
       
       In Berichten über das bereits im April von beiden Häusern des US-Kongresses
       verabschiedete Gesetz ist von möglichen Waffenlieferungen im Wert von 47
       Milliarden US-Dollar die Rede. Innerhalb von 60 Tagen soll Biden eine
       Vereinbarung darüber mit der Ukraine treffen und „beschleunigte Verfahren“
       zur Umsetzung etablieren.
       
       Die Lieferungen laufen zusätzlich zur Aufstockung der direkten
       militärischen und humanitären Hilfe der USA für die Ukraine um [2][33
       Milliarden US-Dollar], die Biden im US-Kongress beantragt hat; diese Woche
       soll darüber abgestimmt werden, wobei die US-Demokraten den Betrag auf 40
       Milliarden aufstocken wollen. Schon das wäre ein Quantensprung, denn bisher
       wurde US-Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar
       bewilligt. Der Betrag wäre am 19. Mai aufgebraucht, berichtet die
       Nachrichtenagentur AP. Das neue Gesetz öffnet nun den Weg zum
       umfangreichsten US-Militärhilfspaket seit dem Zweiten Weltkrieg.
       
       ## Vorbild ist das Gesetz von 1941
       
       Vorbild nicht nur dem Namen nach ist das Lend-Lease-Gesetz vom 11. März
       1941, das den Weg zu massiven Hilfslieferungen der USA an Großbritannien
       frei machte. Das Empire unter Winston Churchill wehrte sich damals noch
       allein gegen das zu dem Zeitpunkt noch mit der Sowjetunion verbündete
       Nazideutschland sowie Italien und Japan, während die USA offiziell
       Neutralität wahrten und keine Waffen in Spannungsgebiete liefern durften.
       Nun aber durfte US-Präsident Theodore Roosevelt „jeder Regierung“, deren
       Verteidigung im US-Interesse lag, „jede Verteidigungsmittel verkaufen,
       schenken, im Tausch übergeben, verpachten, ausleihen oder sonst wie zur
       Verfügung stellen“.
       
       So erhielten die Briten US-Rüstungsmaterial sowie Rohstoffe und
       Nahrungsmittel gratis. Der Mechanismus wurde noch im gleichen Jahr auf das
       von Japan angegriffene China sowie nach dem deutschen Überfall vom Juni
       1941 auf die Sowjetunion ausgeweitet. Bis Kriegsende 1945 exportierten auf
       dieser Grundlage die USA kriegswichtige Güter im Wert von damals 50,1
       Milliarden, nach heutigen Preisen 690 Milliarden US-Dollar.
       
       ## Produktion direkt für den Alliierten-Einsatz
       
       Der Clou: US-Rüstungsfabriken produzierten auf US-Staatskosten direkt für
       den Einsatz durch die Alliierten. Güter im Wert von 31,4 Milliarden
       US-Dollar gingen an Großbritannien, zweitgrößter Empfänger mit über 11
       Milliarden war die Sowjetunion. Jüngst freigegebene Dokumente belegen das
       Ausmaß der westlichen Unterstützung für die Rote Armee, die ohne diese
       Hilfe gerade in der ersten Phase des Kriegs, bevor die eigene sowjetische
       Rüstungskapazität hochgefahren werden konnte, wohl nicht gegen die deutsche
       Wehrmacht hätte bestehen können.
       
       Ende 1941, sechs Monate nach dem deutschen Überfall, hatte die Sowjetunion
       von rund 21.000 Panzern gerade 670 übrig. Aber 466 aus britischer
       Produktion, finanziert durch Lend Lease, waren bereits über das Nordmeer
       losgeschickt worden. Später folgten Direktlieferungen aus den USA über den
       Pazifik und über den Persischen Golf mit Iran als Transitland. Spitzenmonat
       war der Juli 1944, der Monat der alliierten Eroberung Frankreichs.
       Besonders wichtig waren Lieferungen für die sowjetische Logistik –
       Treibstoffe, Schienen, Reifen, Telefonkabel, Lastwagen, aber auch über
       7.000 Panzer und fast 15.000 Flugzeuge.
       
       Die offizielle russische Geschichtsschreibung blendet diesen Aspekt des
       Bündnisses zwischen den Weltkriegsalliierten mittlerweile aus. Geradezu
       glorifiziert wurde Lend Lease hingegen lange in Großbritannien, das dem
       US-Programm hauptsächlich die Versorgung mit Lebensmitteln verdankte. Von
       der „selbstlosesten finanziellen Tat in der Geschichte der Nationen“
       sprach Premierminister Churchill in seinen Kriegsmemoiren. Im Frieden war
       das anders: Ab Sommer 1945 wollten die USA für ihre Lieferungen bezahlt
       werden, woraufhin London einen Milliardenkredit in den USA aufnehmen
       musste.
       
       Ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg macht Lend Lease es auch heute möglich,
       fabrikneue Rüstungsgüter in unbegrenzten Mengen an die Ukraine zu liefern –
       etwas, was Großbritannien mit Panzerabwehrraketen bereits tut, aber sich
       nicht unbegrenzt leisten kann. Andere europäische Länder wie Deutschland
       liefern hauptsächlich ausgemusterte Rüstungsbestände.
       
       Symbolträchtig ist die Wahl des 9. Mai, Tag des [3][sowjetischen Sieges
       über Nazideutschland], als Tag der Wiedergeburt von Lend Lease. Damit wird
       die Kraftanstrengung gegen Putin in eine Linie mit der gegen Hitler
       gestellt und der Kampf der Ukraine mit dem Kampf der Weltkriegsalliierten.
       Der endete nach vier Jahren Lend Lease mit der deutschen Kapitulation. Das
       Programm für die Ukraine läuft bis September 2023.
       
       10 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.congress.gov/bill/117th-congress/senate-bill/3522/text
 (DIR) [2] /Weiteres-US-Hilfspaket/!5851488
 (DIR) [3] /Vereinnahmung-des-Tages-des-Sieges/!5850567
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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