# taz.de -- Studie über Frauen in der Pandemie: Der politische Wille fehlt weiter
       
       > Frauen gehören zu den Verliererinnen der zurückliegenden Corona-Jahre.
       > Das kommt nicht überraschend, macht aber dennoch wütend. Ein
       > Wochenkommentar.
       
 (IMG) Bild: So idyllisch wie auf diesem Pressebild ist das Homeoffice in der Realität eher nicht
       
       Es ist ja nicht so, dass man es nicht schon vor Corona gewusst hätte, all
       diese gesellschaftlichen Schieflagen bei der leidigen [1][Frage nach der
       Gleichberechtigung der Geschlechter.] Frauen verdienen im Schnitt
       schlechter als Männer [2][(„Gender Pay Gap“)], weil sie häufiger in
       schlechter bezahlten Berufen arbeiten. Mitunter werden sie auch gar nicht
       bezahlt, das nennt sich „Care-Arbeit“, meint die Pflege von Angehörigen und
       die Beaufsichtigung der Kinder, und auch da sind Frauen überrepräsentiert.
       
       Natürlich hängt das erstere auch mit dem letzteren zusammen: Wer weniger
       verdient, nimmt meist die längere Auszeit, macht ja finanziell auch Sinn –
       zum Beispiel, wenn die Kinder klein sind. 27,6 Prozent der Väter in Berlin
       bezog 2021 überhaupt Elterngeld, weiß das Statistische Bundesamt. Man
       könnte sagen: Super, das war ja eine Generation zuvor noch anders! Man
       könnte auch sagen: Puh, nicht mal ein Drittel der Väter.
       
       Zudem blieben die Berliner Väter 2020 im Schnitt maximal fünf Monate zu
       Hause (Mütter: 13 Monate). Das wiederum haut viele Frauen nachhaltig aus
       ihrem Job raus. Und dann ist es auch nicht mehr weit bis zum Thema
       Altersarmut.
       
       Wie sehr also alles mit allem zusammenhängt, hat jetzt auch noch mal das
       Wissenschaftsentrum Berlin für Sozialforschung in einem Bericht
       zusammengefasst: „Die Auswirkungen von Covid-19 auf die wirtschaftliche und
       soziale Situation von Frauen in Berlin“, heißt die Studie. Sie wurde diese
       Woche vorgestellt.
       
       „Für eine große Anzahl von Frauen – insbesondere Mütter – war es zu Beginn
       der Pandemie wahrscheinlicher, ihre Arbeitszeit zu reduzieren als für
       Männer“, schreiben die Autor*innen der Studie. Warum? Naja, sie
       verdienen halt schlechter, also können sie sich im Homeoffice um die Kinder
       kümmern. Oder, wie die Studie es formuliert: „Aufgrund
       geschlechterspezifischer Einkommensunterschiede waren die mit Kurzarbeiter-
       oder Ar-beitslosengeld einhergehenden finanziellen Einkommensverluste für
       Frauen besonders gravierend.“ Bei der „Aufteilung der Sorgearbeit“
       leisteten Frauen weiterhin „den Löwenanteil“.
       
       Das ist nicht die Schuld der Frauen. Auch wenn man mitunter fragen möchte,
       warum sich längst nicht mehr Frauen, gerade auch in akademischen Berufen,
       nicht – zum Beispiel – eine gerecht aufgeteilte Elternzeit aushandeln in
       den gleichberechtigten Partnerschaften, die sie zu führen vorgeben.
       Finanziell müssten viele verzichten, aber nicht für alle wäre es ein
       unmöglicher Verzicht.
       
       Und damit das niemand falsch versteht: Jede Frau, die 12 Monate beim Kind
       sein will, soll das tun, es ist eine großartige Zeit. Aber die Statistiken
       spiegeln seit Jahren sicherlich nicht nur die freie Entscheidung von Frauen
       für 12 bis 14 Monate Elternzeit wieder.
       
       ## Nicht die Frauen sind schuld
       
       Und deshalb sind nicht die Frauen schuld, sondern die gesellschaftlichen
       Rahmenbedingungen, die letztlich auch diese Generation, die jetzt auch
       politisch am Ruder ist, weiter fortschreibt. Corona, schreiben die
       Studienautor*innen, habe „die bestehenden Geschlechterungleichheiten wie
       durch ein Brennglas sichtbarer“ gemacht und „teilweise verstärkt“.
       
       Dem muss man keineswegs ohnmächtig zusehen. Man könnte, nach all der
       Analyse, auch ins Handeln kommen. Zum Beispiel könnte man endlich mal die
       finanzielle [3][Nicht-Wertschätzung der sogenannten „systemrelevanten
       Berufe“] (erinnert sich noch jemand an diese Vokabel?) angehen, die vor
       allem von Frauen gemacht werden: der Kassenjob im Supermarkt, der
       Erzieherinnenjob im Kindergarten.
       
       Die Berliner [4][Grünen-Abgeordnete Bahar Haghanipour forderte kürzlich in
       einem Gastkommentar in der taz], dass Konjunkturprogramme post-corona
       stärker auf Frauen zielen müssten: Gerade mal 4,25 Prozent der staatlichen
       Gesamthilfen entfielen derzeit auf frauendominierte Branchen.
       
       Immerhin: Für die Kita-Erzieherinnen im kommunalen Dienst hat die
       Gewerkschaft Verdi diese Woche 130 Euro mehr pro Monat und zusätzliche
       Entlastungstage ausgehandelt (dieser Tarifvertrag gilt aber nicht in
       Berlin).
       
       Das ist vermutlich einfach das Tempo, mit denen es in Sachen
       Gleichberechtigung vorangeht.
       
       21 May 2022
       
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