# taz.de -- Verkehrswende konkret: Hamburg räumt Autos weg
       
       > Im Hamburger Szene-Stadtteil Ottensen sollen private PKW künftig weniger
       > Raum bekommen. Das schafft Platz zum Radeln, Flanieren und Verweilen.
       
 (IMG) Bild: Rückeroberung der Straße: Verkehrsversuch in Ottensen
       
       HAMBURG taz | In einem zentralen Hamburger Stadtteil sollen private Pkw
       künftig nur noch eine marginale Rolle spielen. Das Projekt „Freiraum
       Ottensen“ soll in dem eng bebauten Szeneviertel Platz schaffen zum
       Flanieren, Radfahren und Verweilen – und das Leben in dem ohnehin schon
       recht lebenswerten Viertel noch schöner machen.
       
       Ein entsprechender [1][Verkehrsversuch war im Januar 2020 kurz vor Schluss
       von Anwohnern gerichtlich gestoppt worden]. Doch der Versuch war so
       erfolgreich, dass die zuständige Bezirksversammlung Altona jetzt
       beschlossen hat, damit Ernst zu machen.
       
       Ottensen liegt direkt neben dem Bahnhof Altona. Es ist ein Ort, an dem sich
       Konflikte um den Straßenraum buchstäblich verdichten. In dem ehemaligen
       Dorf entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung
       Glashütten, Schiffsschrauben- und Kranfabriken. In den engen verwinkelten
       Straßen wurden Gründerzeithäuser direkt neben Fabriken errichtet. Heute ist
       das charmant, weil es überall in den Straßen kleine Geschäfte, Cafés und
       Kneipen gibt.
       
       Wer hier durchfahren will, muss sich auf Schritttempo beschränken wegen der
       Radfahrer, die ihm entgegenkommen, und wegen der Fußgänger, die von den
       schmalen Gehsteigen auf die Straße treten. Abends beim Feiern sitzen die
       Leute auf den Kantsteinen, weil sie rauchen wollen oder die Bar überfüllt
       ist.
       
       ## Erfolgreicher Verkehrsversuch
       
       Die Anwohner profitieren von der Lebendigkeit und leiden zugleich darunter,
       weil es eng, voll und mitunter laut ist. Sie haben weniger Autos als in
       anderen Stadtteilen und wählen häufiger grün als anderswo.
       
       2017 hat sich eine Bürgerinitiative für eine Verkehrswende im Quartier
       gegründet. Die Politik hat diesen Impuls aufgegriffen und im September 2019
       den Verkehrsversuch gestartet, der wissenschaftlich ausgewertet wurde.
       [2][56 Prozent der Anwohner und 44 Prozent der Gewerbetreibenden waren am
       Ende dafür], das Projekt weiterzuentwickeln. Das Ergebnis ist eine
       [3][„Vorzugsvariante“, die jetzt im Detail ausgearbeitet werden soll].
       
       Das Konzept sieht ein Kreuz von Quartiers-Achsen und dazu noch einige kurze
       Straßenabschnitte „ohne allgemeinen Kfz-Verkehr“ vor. Anwohner sollen
       zwischen 23 und 11 Uhr einfahren können. Ausnahmen gibt es für Menschen mit
       Behinderung, Anwohner mit Parkplätzen im Hof oder Taxen.
       
       In höchstens 150 Metern Entfernung von den Geschäften und Wohnungen soll es
       Ladezonen geben, an denen Pkw und Lieferfahrzeuge halten können. Der
       Autoverkehr soll in vielen separaten Schleifen durch das Quartier geführt
       werden, sodass Schleich- und Durchgangsverkehr vermieden wird. Insgesamt
       330 öffentliche Parkplätze im Straßenraum fallen weg, 90 bleiben erhalten.
       
       Bei der [4][vertieften Planung] wird es darum gehen, Konflikte zwischen
       Radfahrern und Fußgängern zu entschärfen. Es ist zu klären, wie
       Ausnahmegenehmigungen beschafft werden können, etwa für Geschäfte, die mit
       den Ladezonen nicht zurande kommen, oder für Handwerker, die in dem Gebiet
       zu tun haben. Dazu kommt die Sorge mancher Anwohner, das Viertel könnte
       noch attraktiver für Auswärtige werden als heute. Mit diesem Paradox werden
       sie wohl leben müssen.
       
       5 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Das-Ringen-um-den-Parkraum/!5807133
 (DIR) [2] /Verkehrsberuhigung-in-Hamburg--Ottensen/!5658130
 (DIR) [3] /Verkehrswende-in-Hamburg/!5853641
 (DIR) [4] https://sitzungsdienst-altona.hamburg.de/bi/vo020.asp
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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