# taz.de -- Energie sparen in Kriegszeiten: Politik unter der Dusche
       
       > Robert Habeck will, dass Bürger:innen kürzer duschen. Dabei lädt er
       > die Handlungsmacht Einzelner moralisch auf – als ob sie nicht genug Last
       > trügen.
       
 (IMG) Bild: „Ich dusche schnell“, sagt Wirtschaftsminister Habeck von sich (hier nicht im Bild)
       
       Heute Morgen stand ich unter der Dusche und habe mich gefühlt wie Wolfgang
       Kubicki von der FDP. Der hat nämlich als Entgegnung auf den grünen
       Wirtschaftsminister Robert Habeck gesagt: „Ich dusche so lange, bis ich
       fertig bin“ – und ich habe tatsächlich auch erst aufgehört zu duschen, als
       ich fertig war.
       
       Hinzu kommt, dass ich beim Duschen ganz vergessen habe, die Zeit zu
       stoppen, und deshalb, anders als Minister Habeck, gar nicht sagen kann, wie
       lange genau ich da stand. Die Lage auf den Gasmärkten spitzt sich wegen des
       andauernden Kriegs zu. Habeck appelliert deshalb an die Bevölkerung,
       Energie zu sparen, wo es geht. Wie es sich für einen Minister gehört, der
       mit Hundeblicken die politische Kommunikation revolutioniert, geht er im
       [1][Spiegel-Interview von vergangenem Freitag] mit gutem Beispiel voran:
       „Meine Duschzeit habe ich noch mal deutlich verkürzt (…). Ich hab noch nie
       in meinem Leben fünf Minuten lang geduscht. Ich dusche schnell.“
       
       Dabei weiß Habeck natürlich, dass man als Minister heutzutage seine
       Privilegien checken muss: „Aber ich bin ein schlechtes Beispiel. Als
       Minister habe ich ein Gehalt, von dem andere nur träumen können.“ Und dass
       man, zumindest rhetorisch, die Leute nicht vergessen darf, „die so wenig
       Geld haben, dass sie schon längst alles, was man sparen kann, sparen“.
       Diese Menschen aufzufordern, noch mehr zu sparen, könne „zynisch“ sein.
       
       ## Demonstratives soziales Bewusstsein
       
       Doch bekommt dieses demonstrative soziale Bewusstsein eben einen
       kalkulierten, berechtigter Kritik zuvorkommenden Charakter, wenn
       Kommunikationsmeister Habeck gleichzeitig nicht möchte, dass sich Menschen
       mit materiellen Fragen aufhalten: Er wolle nicht „[2][in einem Land leben,
       wo man sich nur noch bewegt], wenn es Geld dafür gibt“, hat er kürzlich im
       ZDF-„heute journal“ auf die Frage nach möglichen Energiesparanreizen
       geantwortet.
       
       Aber wofür denn dann, Alter?
       
       „Menschen sollen sich nicht fragen müssen, was sie kriegen, sondern sie
       sollen es tun, weil sie Bock haben, in diesem Land zu leben, weil sie Stolz
       und Freude dabei empfinden, für andere etwas zu tun“, so Habeck weiter.
       Wahrscheinlich ist das auch nur einer der Widersprüche eines angesichts der
       widersprüchlichen Weltlage performativ unter den Widersprüchen leidenden
       Wirtschaftsministers.
       
       Wenn man sich nun im Duell Habeck vs. Kubicki für einen der beiden
       entscheiden müsste?
       
       Dann lautete meine Antwort: Für keinen, weil sich beide gleichen. Während
       die einen davon ausgehen, dass die Marktlogik über die instinktiven
       Handlungen der Einzelnen automatisch zum Idealzustand führt, überhöht der
       andere die Handlungsmacht der Einzelnen und lädt sie moralisch auf – als ob
       viele Menschen nicht schon genug Last trügen. Beide lenken davon ab, dass
       die Frage der Energiekrise keine individuelle, sondern eine politische ist.
       Und politische Fragen klärt man nicht unter der Dusche.
       
       30 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/robert-habeck-ueber-wladimir-putin-und-gasmangel-in-deutschland-a-2940bf18-8cf0-4ec5-88f4-50536f7493df
 (DIR) [2] https://twitter.com/heutejournal/status/1540065902787530754
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Volkan Ağar
       
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