# taz.de -- Spitzensportler in Großbritannien: Der Mann, den sie Mo Farah nannten
       
       > Bei Olympia 2012 jubelte Großbritannien über seinen somalischstämmigen
       > Langstreckenläufer. Zehn Jahre später enthüllt Mo Farah, wer er wirklich
       > ist.
       
 (IMG) Bild: Hussein Abdi Kahin, wie Mo Farah eigentlich heißt, bei seinem Olympia-Triumph 2012
       
       LONDON taz | Einer der bekanntesten britischen Sportler, der von der Queen
       sogar zum Ritter geschlagen wurde, hat sich als illegal eingereistes
       Flüchtlingskind geoutet, das eigentlich ganz anders heißt. „Die meisten
       Menschen kennen mich als Mo Farah. Das ist aber weder mein Name noch die
       Wirklichkeit“, sagt der Athlet [1][in einer BBC-Dokumentation], die am
       Mittwochabend ausgestrahlt wird.
       
       [2][Der Brite somalischer Herkunft] wurde weltberühmt, als er bei den
       Olympischen Sommerspielen in London 2012 zweimal Gold im Langstreckenlauf
       holte. Sein Markenzeichen war das mit den Händen über den Kopf
       gestikulierte M. Nun enthüllt er seine Lebensgeschichte.
       
       „Die wirkliche Geschichte ist, dass ich in Somaliland, nördlich von
       Somalia, als Hussein Abdi Kahin auf die Welt kam. Entgegen allem, was ich
       in der Vergangenheit angegeben habe, lebten meine Eltern nie im Vereinigten
       Königreich“, erzählt der heute 39-Jährige da.
       
       Seine Geschichte solle nun einen Beitrag zur öffentlichen Meinung in Sachen
       Menschenschmuggel und Sklaverei leisten. „Ich war mir nie bewusst, dass
       viele Menschen genau das Gleiche erleben, wie ich es einst tat.“
       
       ## Aus Somalias Bürgerkrieg geflohen
       
       Tief ins Detail gehend, berichtet Farah darüber, dass er nur vier Jahre alt
       war, als sein Vater im somalischen Bürgerkrieg ums Leben kam und seine
       Familie auseinandergerissen wurde. Seine Mutter schickte ihn als
       Achtjährigen zunächst zu Verwandten nach Dschibuti und ein Jahr später mit
       völlig Fremden ins Vereinigte Königreich. Dies geschah unter dem Namen
       Mohammed Farah und mit dem Pass eines anderen Jungens.
       
       Am Anfang habe er sich darüber gefreut, zum ersten Mal zu fliegen, doch
       schon bald wich die Begeisterung düsteren Realitäten, erinnert er sich. Die
       Familie, die den Kleinen in London nach seiner Ankunft aufnahm, hatte nicht
       sein Bestes im Sinn. Sie nutzte ihn als Haushaltshilfe aus.
       
       Farah, selbst noch klein, musste für die Familie kochen und kleine Kinder
       pflegen und auf sie aufpassen. Jahrelang ließ man ihn nicht in die Schule
       gehen. Ein Zettel mit den Angaben zu seiner wahren Familie wurde vor seinen
       Augen in Stücke zerrissen.
       
       „In diesem Moment wurde mir klar, dass ich Probleme hatte“, erzählt Farah.
       Die Frau in der Familie habe ihm gesagt, dass er arbeiten müsse, um zu
       essen, und dass er schweigen solle, wenn er seine Familie je wiedersehen
       wollte. „Ich schloss mich oft im Bad ein und weinte“, so Farah.
       
       ## Der Sport war seine Rettung
       
       Als man ihn schließlich im Alter von etwa 12 Jahren in die 7. Klasse einer
       Schule im Westlondoner Stadtteil Hounslow schickte, fiel er dort als
       ungepflegt und emotionell und kulturell fremdelnd auf, mit wenig
       Englischkenntnissen, erinnert sich eine der Lehrerinnen in der
       Dokumentation.
       
       Farah sei ein Flüchtlingskind aus Somalia, wurde den Lehrkräften gesagt –
       ohne dass jene, die behaupteten seine Eltern zu sein, je zu den
       Elternbesprechungen kamen.
       
       Die Sprache, die dieser Schuljunge verstand, war die des Sports. „Rausgehen
       und Laufen war mein Lebensretter.“ Es war schließlich sein Sportlehrer,
       Alan Watson, dem Farah die Wahrheit über sich selber erzählte. Dieser
       überwies den Jungen an die Sozialdienste, was dazu führte, dass er in die
       Pflege einer anderen somalischen Familie kam, wo es ihm besser ging. Der
       gleiche Lehrer half Farah, im Jahr 2000 britischer Staatsbürger zu werden.
       
       Mo Farahs leibliche Familie lebt immer noch in Somaliland. Die Frau, die
       Farah nach London gebracht hatte, reagierte nicht auf Versuche der BBC, sie
       zu kontaktieren.
       
       Mehr Erfolg hatte Farah beim Versuch, die Person zu kontaktieren, deren
       Namen er trägt. In einem Telefongespräch dankte er dem Mann. „Du bist mein
       Bruder“, antwortete dieser.
       
       ## Streitthema Bootsflüchtlinge
       
       Seine wahre Geschichte erzählt Mo Farah in einer Zeit, in der die Versuche
       vieler Flüchtlinge, [3][über den Ärmelkanal] in das Vereinigte Königreich
       zu gelangen, um dort Asyl zu beantragen, ein großes politisches Streitthema
       gewesen sind. Menschen, die auf diesen Weg einreisen, sollen in Zukunft
       nach Ruanda geschickt werden.
       
       Doch man werde „keinerlei Maßnahmen gegen Sir Mo Farah ergreifen“,
       bestätigt das Innenministerium der taz auf Anfrage. „Laut unseren
       Richtlinien ist ein Kind nicht für einen gefälschten oder vorgetäuschten
       Antrag auf britische Staatsangehörigkeit verantwortlich.“
       
       Für die involvierten Erwachsenen könnte das weniger eindeutig sein,
       berichtet die britische Times. Laut einem Anwalt, den die Zeitung befragte,
       sollten die ehemaligen LehrerInnen Farahs allerdings vor Strafverfolgung
       sicher sein, weil sie ein geschmuggeltes Kind aus der Sklaverei retteten.
       
       Menschenschmuggel sei ein abscheuliches Verbrechen, sagte ein Sprecher des
       Innenministeriums der taz und bestätigte, es sei unwahrscheinlich, dass es
       im Fall des Sportlehrers zu einem Verfahren kommen werde.
       
       12 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bbc.com/news/uk-62123886
 (DIR) [2] https://worldathletics.org/athletes/great-britain-ni/mo-farah-14189197
 (DIR) [3] /Flucht-nach-Grossbritannien/!5701919
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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       10.000-Meter-Laufs.