# taz.de -- Neuer Podcast über Missbrauch: Das Böse mitten unter uns
       
       > Im neuen Podcast der „Süddeutschen Zeitung“ geht es um die
       > Missbrauchskomplexe der vergangenen Jahre. Er ist detailliert, aber
       > zurückhaltend.
       
 (IMG) Bild: Hier haben zwei Dauercamper hundertfach Kinder missbraucht: Campingplatz in Lüdge, NRW
       
       2011 fliegt der massenhafte [1][sexuelle Missbrauch] in der katholischen
       Kirche auf. Im Dezember 2018 nimmt die Polizei einen Mann auf einem
       Campingplatz in Elbrinxen in Nordrhein-Westfalen fest, bei dem ein kleines
       Mädchen als Pflegekind lebt.
       
       Er missbraucht das Kind – neben anderen Jungen und Mädchen – jahrelang. Der
       Fall wird als „Missbrauchsfall von Lügde“ bekannt. Es folgen weitere
       [2][sogenannte Missbrauchskomplexe] in Münster und Bergisch-Gladbach. Und
       im Frühsommer 2022 wird in Wermelskirchen ein Ring von Pädokriminellen
       ausgehoben.
       
       Das sind nur die bekanntesten Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und
       Jugendlichen. Missbrauch ist keine neue Erscheinung, aber erst seit einigen
       Jahren wird deutlich, welches Ausmaß das hat. Eigentlich dürfte es
       niemanden mehr überraschen, dass es sexuellen Kindesmissbrauch gibt. Denn
       das, was die Betroffenen zu erleiden haben, spielt sich mitten in unserer
       Gesellschaft ab, vielleicht sogar in der eigenen Nachbarschaft, wenn man so
       will, vor aller Augen.
       
       Daher ist es nur folgerichtig, dass die Süddeutsche Zeitung [3][ihren
       aktuellen Podcast] zu sexueller Gewalt an Kindern „Vor aller Augen“ nennt.
       Die neunteilige Serie, von denen bislang drei Teile zu hören sind, ist
       zugleich Nahaufnahme und Annäherung an ein überaus bitteres Thema.
       
       ## Wie ein Krimi
       
       Dem Autor:innenteam – Vinzent-Vitus Leitgeb, Leiter des SZ-Audioteams,
       SZ-Korrespondentin in Nordrhein-Westfalen, Jana Stegemann, und die Autorin
       für Digitales, Marisa Gierlinger – ist es gelungen, so detailliert zu
       erzählen wie nötig und so zurückhaltend wie möglich.
       
       Entstanden ist eine Podcastserie, die wie ein Krimi anmutet. Wer einmal
       eingestiegen ist, möchte weiter hören, möchte wissen, was Michael Esser,
       Kriminaldirektor der Polizei in NRW, der Kölner Oberstaatsanwalt Markus
       Hartmann, Opferanwalt Roman von Alvensleben, ja sogar was NRW-Innenminister
       Herbert Reul zu sagen haben.
       
       Dazu muss man wissen, dass in Nordrhein-Westfalen besonders viele Fälle
       offengelegt werden. Aber nicht, weil NRW ein Eldorado von Pädokriminellen
       wäre, sondern weil das Bundesland seit „Lügde“ enorme Anstrengungen in den
       Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern legt.
       
       Polizei und Justiz bekommen mehr Personal und mehr Geld, um
       Missbrauchsfälle und pädokriminelle Netzwerke aufzudecken und zu verfolgen.
       Es gibt mehr Schulungen für Kriminalbeamte und intensive Hilfe für
       Menschen, die Datenträger mit Missbrauchsabbildungen auswerten.
       
       Allein im „Fall Wermelskirchen“ hat die Polizei 3,5 Millionen Bilder und
       1,5 Millionen Videos sichergestellt, insgesamt 32 Terabyte Daten. Die
       müssen gesichtet, katalogisiert und zum Abgleich mit anderen Datenbanken
       verschickt werden. Doch es ist gar nicht so einfach, solch riesige
       Datenmengen zu versenden.
       
       ## Bewaffnete Beamte in Schutzwesten
       
       Jetzt wird da schon mal ein Hubschrauber gestartet, um ein Datenpaket von
       Köln nach Passau zu fliegen. „Sexuelle Gewalt wird in Nordrhein-Westfalen
       mittlerweile so behandelt wie Terrorbekämpfung“, sagt Jana Stegemann.
       Pädokriminelle sind mittlerweile so vernetzt wie in der organisierten
       Kriminalität.
       
       Der kommt man nur näher, wenn Razzien monatelang und genau geplant sind. So
       wie der sogenannte Action Day im Januar 2021, von dem Leitgeb und seine
       Kolleginnen erzählen. Der Tag beginnt für Kriminaldirektor Michael Esser
       morgens um 4 Uhr. Vor dem Haus eines Verdächtigen in Köln stehen zivile
       Polizeiwagen, darin sitzen bewaffnete Beamte in Schutzwesten.
       
       Sie warten darauf, dass ein mutmaßlicher Täter, der Mitglied eines
       bundesweiten Netzwerks Pädokrimineller ist, aus dem Haus kommt. Als sich
       dieser um 6 Uhr auf den Weg zur Arbeit macht, schlagen die
       Ermittler:innen zu. Der „Zugriff“ erfolgt ohne Gegenwehr, rasch werden
       dem Mann Handys und Speicherkarten abgenommen, sein Computer wird
       beschlagnahmt – so kann er niemanden aus dem Netzwerk mehr warnen.
       
       Während am „Action Day“ an anderen Orten der Republik weitere
       Tatverdächtige festgenommen werden – 64 Männer und 2 Frauen – treten
       Kriminaldirektor Esser und Oberstaatsanwalt Hartmann vor die Presse. Sie
       wollen nicht nur die Öffentlichkeit über die kriminellen Machenschaften und
       die Festnahmen informieren, sondern vor allem auch Täter abschrecken. Esser
       sagt: „Das funktioniert.“
       
       21 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] /SZ-Podcast-71-Schuesse/!5852161
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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