# taz.de -- Internationale Klima-Abkommen: Wir sind nicht vorbereitet
       
       > Auf der internationalen Bühne spielt die Klimakatastrophe zurzeit nur
       > eine Nebenrolle. Das muss sich ändern: Die Industrienationen sind
       > gefragt.
       
 (IMG) Bild: Zerstörte Häuser nach den schweren Regenfällen in Umgababa, Südafrika
       
       Von der Coronapandemie über Russlands Krieg in der Ukraine hin zu einer
       beispiellosen Inflation und drohenden Hungerkatastrophe: Je mehr Krisen
       auftauchen und die Verantwortlichen in Politik und Medien auf Trab halten,
       desto stärker rückt das Thema Klimaschutz auf der internationalen Agenda in
       den Hintergrund. Selbst eingeschworene Klimaaktivisten stehen nun vor der
       Frage, wie sie weiterhin überzeugend auf die dringend notwendigen Maßnahmen
       für einen gerechten Umstieg auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft pochen
       können.
       
       Doch auch wenn Schlagzeilen regelmäßig wechseln und immer neue Krisen
       erschütternd sind – das Klima sollte nicht auf die lange Bank geschoben
       werden. Die Klimakrise ist ein Dauerzustand; sie verschärft sich rasant und
       erfasst alle Bereiche unseres wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Und
       aus eben diesem Grund sollten wir die aktuelle Reihe globaler Krisen unter
       dem Aspekt des Klimas betrachten.
       
       Der [1][Glasgower Klimapakt] liegt mittlerweile praktisch am Boden, und es
       ist klar, dass etwas geschehen muss. Ende Juni hätte der G7-Gipfel in
       Deutschland eine hervorragende Chance geboten, den Kampf gegen die
       Klimakatastrophe wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Doch auch hier
       versagten die weltgrößten Emissionsländer. Sie gaben eine vage Erklärung
       ab, in der sie versprachen, „[2][zusammenzuarbeiten, um einen sauberen und
       gerechten Übergang zur Klimaneutralität zu beschleunigen und gleichzeitig
       die Energiesicherheit zu gewährleisten]“.
       
       Tatsächlich aber haben sie sich für den einfachen Weg entschieden, indem
       sie die Klimaresilienz auf die lange Bank schoben und der kurzfristigen
       Sorge um steigende Ölpreise den Vorrang gaben. Das Resultat liegt auf der
       Hand: ein Ausbau fossiler Brennstoffe, der steigende Emissionen in den
       wohlhabenden Staaten und prekäre Verhältnisse in armen Ländern nach sich
       zieht.
       
       ## Nicht den Kopf in den Sand stecken
       
       Damit nehmen die G7-Staaten in Kauf, dass sich die Lebensumstände all jener
       verschlechtern, die den Klimarisiken am stärksten ausgesetzt sind – und das
       nur wenige Monate vor der nächsten UN-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm
       al-Scheich (COP27) im November.
       
       Unsere Verantwortlichen in der Politik dürfen nicht den Kopf in den Sand
       stecken. Wenn wir die globalen Treibhausgasemissionen nicht jetzt deutlich
       reduzieren, werden wir nie in der Lage sein, dieses Ziel zu erreichen. Die
       Dringlichkeit, die in den [3][jüngsten Berichten des Weltklimarats] zum
       Ausdruck kommt, verdeutlicht die Notwendigkeit sofortigen Handelns.
       
       Jeden Tag sehen wir in den Nachrichten, wie die Klimakrise die
       Lebenssituation einiger der am meisten gefährdeten Gemeinschaften der Welt
       zusehends verschlechtert. Diese Menschen tragen kaum Verantwortung für die
       Erderhitzung. Als im April [4][schwere Überschwemmungen und Erdrutsche in
       Südafrika] zum Tod von mindestens 443 Menschen und Vertreibung von mehr als
       40.000 führten, erwähnten viele internationale Medien nicht einmal das Wort
       „Klimawandel“.
       
       Derartige Naturkatastrophen ereignen sich indes nicht nur in weit
       entfernten Ländern. In Deutschland und Belgien richteten im vergangenen
       Jahr Überschwemmungen verheerende Schäden an, bei denen mindestens 180
       Menschen ums Leben kamen; ganze Ortschaften wurden überflutet, Bahngleise
       weggeschwemmt. In den kommenden Jahren werden wir vermehrt und in
       beschleunigtem Tempo mit solchen Katastrophen konfrontiert werden – und wir
       sind überhaupt nicht darauf vorbereitet.
       
       ## Das Finanzpaket der G7 reicht nicht aus
       
       Aktuell stellen wir jedoch fest, dass viele Länder ihren Verpflichtungen
       zur Emissionsreduzierung nicht nachkommen – insbesondere diejenigen, von
       denen man eine Vorreiterrolle erwartet hatte. Laut UN-Generalsekretär
       António Guterres lügen einige dieser Länder schlichtweg, wenn es darum
       geht, die angestrebte Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius
       einzuhalten.
       
       Auch das Finanzpaket der G7 greift zu kurz und kommt zu spät, zumal die
       angekündigten Finanzierungsquellen nicht wirklich als neu zu bezeichnen
       sind. Solche widersprüchlichen Verhaltensweisen untergraben das Vertrauen
       und schwächen die zukunftsweisenden Bündnisse zwischen Industrie- und
       Entwicklungsländern.
       
       Trotzdem dürfen wir nicht aufgeben und eine Niederlage akzeptieren. Es
       werden alle verfügbaren Mittel benötigt. Jeder Akteur, ob im öffentlichen
       oder privaten Sektor, muss seinen Beitrag leisten und Verantwortung
       übernehmen.
       
       Strategische Rechtsverfahren und juristische Befugnisse sind viel zu wenig
       genutzte Instrumente, mit denen der für einen Wettbewerb notwendige Druck
       aufgebaut werden kann, anstatt das beliebte Nullsummenspiel namens
       Kompensation fortzusetzen. Wir müssen unsere Bemühungen um Klimalösungen
       für eine grünere Wirtschaft verstärken – doch das erfordert Solidarität.
       
       ## Es braucht Solidarität mit Klimaflüchtlingen
       
       Nach Angaben der Weltbank könnte es bis 2050 mehr als 200 Millionen
       Klimaflüchtlinge geben. Werden wir ihnen die gleiche Solidarität
       entgegenbringen, wie sie derzeit zu Recht den Geflüchteten aus der Ukraine
       zuteil wird? Wie können wir glaubwürdig eine Wende anstreben, von der alle
       profitieren, wenn wir nicht die irreversiblen Verluste derer einbeziehen,
       die am schutzbedürftigsten sind? Ein „globaler Rettungsschirm“ ist ein
       außergewöhnlicher Leitgedanke, doch damit er tatsächlich zu konkreten
       Ergebnissen führt, sind Ressourcen erforderlich, die die reichen Länder
       bislang nicht bereitgestellt haben.
       
       Es ist an der Zeit, dass die führenden Industrienationen sich wieder auf
       den Geist der Solidarität besinnen, der zum Pariser Klimaabkommen geführt
       hat. Es war nicht einfach, aber es war unerlässlich, 200 nationale
       Interessen und unterschiedliche Prioritäten zu entzerren, um eine Einigung
       im Kampf gegen den Klimawandel und für das Allgemeinwohl zu erzielen. Es
       ist noch nicht zu spät.
       
       31 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-glasgow-climate-pact-key-outcomes-from-cop26
 (DIR) [2] https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2022/06/28/g7-leaders-communique/
 (DIR) [3] https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg2/
 (DIR) [4] /Unwetter-und-Ueberschwemmung/!5846655
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Yamide Dagnet
       
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