# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Rojava und Regenbogen
       
       > Die queeren Bewegungen und die Revolution in Rojava machen es vor: Auch
       > wenn der Weg steinig ist, kann es gesellschaftlichen Fortschritt geben.
       
 (IMG) Bild: Schon gegen den türkischen Angriff 2019 kam es zu Protesten in Berlin
       
       „Es ist einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des
       Kapitalismus“ – angesichts der Nachrichtenlage wirkt das dem marxistischen
       Kulturwissenschaftler Fredric Jamesons zugeschriebene Zitat schmerzlich
       aktuell.
       
       Ob Klimakrise, Killerviren oder Atomkrieg – das Weltgeschehen scheint
       gerade deutlich schnellere Schritte hin zu diversen apokalyptischen
       Endzeit-Szenarien zu machen als in Richtung einer befreiten Gesellschaft,
       die nicht auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert.
       
       Ein wenig Hoffnung macht ein Blick auf [1][die Revolution in Rojava]. Vor
       10 Jahren befreiten sich die Menschen in der im syrischen Nordosten
       gelegenen Region von der Kontrolle des syrischen Regimes und errichteten
       eine auf basisdemokratische Rätedemokratie orientierte Selbstverwaltung.
       Nachhaltigkeit, Feminismus, direkte Demokratie und die Gleichberechtigung
       aller Ethnien sind die ideologischen Grundpfeiler des Projekts.
       
       Obwohl [2][die reale Situation in Rojava] noch weit entfernt von einer
       anarcho-kommunistischen Utopie sein mag, ist es umso erstaunlicher, was die
       Revolutionäre angesichts der immensen Widerstände geschaffen haben. So
       wurde die Stellung der Frau in den [3][traditionell sehr patriarchalisch
       geprägten Gesellschaften] enorm verbessert: Zum Beispiel gibt es eine
       Frauenquote von 50 Prozent in politischen Institutionen sowie Frauenräte
       und eine eigene Gerichtsbarkeit für patriarchale Gewalt wie Zwangsehen und
       Femizide.
       
       ## 10 Jahre Revolution
       
       Seit der Gründung wird die Existenz Rojavas durch militärische Aggression
       bedroht. Vor allem der Türkei ist das mehrheitlich kurdische Gebiet an der
       Grenze ein Dorn im Auge. [4][Aktuell bereitet Erdoğan eine weitere
       Bodeninvasion vor,] mit der weitere Teile der Region unter türkische
       Kontrolle fallen könnten.
       
       Angesichts dieser Bedrohung bleibt internationale Solidarität unerlässlich,
       damit Rojava weiter bestehen kann. Deswegen ruft anlässlich des [5][zehnten
       Jahrestags der Revolution in Rojava] das „Widerstandskomittee Berlin“ zu
       einer Demonstration auf. (Dienstag, 19. Juli, 19:30 Uhr, S-Bahn
       Humboldthain).
       
       Ebenfalls hoffnungsvoll stimmt der [6][Christopher Street Day], der in
       Berlin das erste mal seit zwei Jahren wieder ohne Beschränkungen
       stattfindet. Denn obwohl [7][Vorwürfe der Kommerzialisierung und
       Entpolitisierung der Parade] zutreffend sind, leistet sie einen nicht zu
       unterschätzenden Beitrag zur steigenden gesellschaftlichen Akzeptanz
       gegenüber queeren sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten.
       (Samstag, 23. Juli, 12 Uhr, Start: Leipzigerstraße / Axel-Springer-Straße).
       
       ## Anti-Israel-CSD?
       
       Deutlich radikaler wird es beim [8][Internationalistischen Queer Pride]
       zugehen. „Queere Befreiung kann nur durch den Abbau der systemischen
       Unterdrückung erreicht werden, auf der unsere Gesellschaften aufgebaut
       sind“, heißt es in dem Aufruf der Organisator:innen.
       
       Die Demo hat den Anspruch, verschiedene internationalistische,
       antikoloniale und antikapitalistische Freiheitskämpfe mit queerer Politik
       zu verbinden. So wird es Demoblöcke unterschiedlichster queerer Communities
       geben: unter anderem für Armenier:innen und Assyrer:innen,
       Lateinamerikaner:innen, Refugees und Sexarbeiter:innen.
       
       Für Kontroversen dürfte aber der palästinensische Flinta-Block sorgen, der
       von den antizionistischen Gruppen [9][Palestine Speaks und BDS-Berlin]
       mitorganisiert wird. Die Gefahr besteht also, dass die
       Internationalistische Pride eher den Charakter einer Pro-Palästina-Demo
       haben wird, auf der wie [10][in der Vergangenheit häufig geschehen
       antisemitische Äußerungen und Übergriffe toleriert werden.] (Samstag, 23.
       Juli, 17 Uhr, Hermannplatz).
       
       Dabei gilt das Motto des Internationalistischen Prides „Keiner ist frei bis
       wir alle frei sind“ für sämtliche emanzipatorischen Bewegungen. Queere
       Gleichberechtigung lässt sich nicht in einem Staat feiern, in dem Menschen
       regelmäßig vor allem aufgrund ihrer Hautfarbe verhaftet werden und dann im
       Gefängnis umkommen.
       
       ## Todesursache: Rassistisches System
       
       Vor knapp zwei Jahren [11][starb Ferhat M. durch einen Brand in seiner
       Zelle in der JVA Tegel.] Obwohl Ferhat depressiv war und deshalb mehrmals
       um ärztliche Hilfe bat, wurde diese ihm versagt. Trotz lauten Klopfens und
       Klingels brauchte das Personal viel zu lange, um den Brand zu bemerken und
       die Zelle zu öffnen.
       
       Ferhat, der lediglich wegen eines Diebstahlvorwurfs in Untersuchungshaft
       saß, könnte noch leben, wenn das Gefängnispersonal richtig gehandelt hätte,
       sind sich die Organisator:innen der [12][Gedenkdemo „Kein Vergeben,
       kein Vergessen!“] sicher. (Samstag, 23. Juli, 15 Uhr, Carl von Ossietzky
       Park).
       
       Dass vor allem migrantische und marginalisierte Personen in deutschen
       Gefängnissen zu Tode kommen, ist kein Einzelfall. Die
       Mitorganisator:innen von [13][Death in Custody], die Tode in
       Haftanstalten dokumentieren und recherchieren, zählen 210 Todesfälle seit
       1992. Aufgeklärt werden die wenigstens.
       
       Sich eine Welt vorzustellen, in der diese Zahl nicht mehr weiter steigt, in
       der Queers, Kurd:innen und alle anderen Menschen überall selbstbestimmt,
       frei und in Frieden leben können – so schwer kann es doch nicht sein?
       
       19 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pro--Contra-Deutsche-Linke-und-Kurden/!5490064
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 (DIR) [4] /Aktivist-ueber-Revolution-in-Rojava/!5863890
 (DIR) [5] https://kontrapolis.info/7515/
 (DIR) [6] https://csd-berlin.de/
 (DIR) [7] /Berliner-CSD-soll-politischer-werden/!5864264
 (DIR) [8] https://iqpberlin.org/en/
 (DIR) [9] /Einschuechterung-von-Journalistinnen/!5785734
 (DIR) [10] /Nach-antiisraelischer-Demo-in-Berlin/!5850094
 (DIR) [11] /Berliner-Strafvollzug/!5700086
 (DIR) [12] https://stressfaktor.squat.net/node/250854
 (DIR) [13] https://doku.deathincustody.info/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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