# taz.de -- Miniserie „The Baby“ bei Sky: Es dreht sich alles nur ums Baby
       
       > Ein Kind mit Superkräften wird zum Serienmörder. In der Horrorkomödie
       > „The Baby“ geht es aber vor allem um Mutterschaft und ihre Folgen.
       
 (IMG) Bild: Niedlich oder Horror? Natascha hat ein Problem: das Baby
       
       Natascha (Michelle de Swarte) hat keine Kinder, und sie möchte auch keine.
       Das macht sie in ihrem Umfeld, in dem sich gerade alles um Fortpflanzung
       dreht, zu einer Art seltenem Fabelwesen.
       
       Das Gefühl von Exklusion, das mit der Sonderstellung der 38-Jährigen
       verbunden ist, ist das erste von vielen Statements der Miniserie „The Baby“
       über Mutterschaft. Es ist ein Statement über bewusste Nicht-Mutterschaft
       und die Skepsis, die dieser Haltung mitunter entgegengebracht wird.
       
       [1][Ungewollte Schwangerschaft] hat immer schon Stoff für besonders
       verstörende Horrorfilme abgegeben. Man denke nur an „Rosemaries Baby“ oder
       „Die Wiege des Bösen“. Das Gleiche gilt für dämonische Kinder, die in „Das
       Omen“ und „Der Exorzist“ ihre Mitmenschen terrorisieren.
       
       Trozdem hat die Koproduktion von HBO und Sky mit den genannten Filmen nicht
       viel gemein. Denn „The Baby“ versteht sich als Horrorkomödie, was für einen
       anderen, einen ironisch-leichten Ton sorgt. Darüber hinaus werden das
       (Nicht-)Muttersein und seine Implikationen wirklichkeitsnäher verhandelt.
       
       ## Kulleraugen, keine Hörner
       
       Der alltägliche Horror – durch eine gewisse Metaphorik überzeichnet – steht
       im Vordergrund, weniger das Übernatürliche und Monströse. Dementsprechend
       ist das titelgebende Baby (Albie Pascal Hills und Arthur Levi Hills)
       zumindest äußerlich ziemlich durchschnittlich.
       
       Es hat keine feuerroten Augen, keine Hörner oder spricht gar mit
       dämonischer Stimme. Mit seinen blauen Kulleraugen und dem blonden Haarflaum
       könnte man es sogar als süß bezeichnen. Wäre da nicht die Schneise der
       Verwüstung, die es im Leben der Frauen hinterlässt, an die es sich bindet.
       
       Selbstverständlich ist ausgerechnet Natascha die nächste Auserwählte des
       etwa sechs Monate alten Säuglings. Eigentlich ist sie gerade in eine
       abgelegene Hütte am Fuße einer Klippe gereist, um ihre Gedanken zu
       sortieren. Doch nur wenig später stürzt neben ihr eine junge Frau in den
       Tod. Gefolgt von besagtem Baby, das direkt in Nataschas Armen landet.
       
       ## Das Grauen der Selbstaufgabe
       
       Vor der ereignisreichen Nacht kommt es zu einem ebenso ereignisreichen
       Treffen mit zwei Freundinnen. Als ihr Rita (Isy Suttie) eröffnet, dass sie
       im dritten Monat schwanger ist, reagiert Natascha mit einer provokanten
       Frage: „Oh, dann ist es also noch nicht zu spät?“
       
       Alle Beteuerungen, dass sie nur einen blöden Witz machen wolle, helfen
       nichts. Der Abend ist gelaufen, ihre beiden Freundinnen können nicht
       fassen, dass Natscha sich nicht für sie freuen kann, sondern einen Witz
       über einen Schwangerschaftsabbruch gemacht hat, und ziehen beleidigt ab.
       
       Die Stimmung des regelmäßigen Pokerabends war bereits zuvor angespannt,
       denn Mags (Shvorne Marks) hatte ihr Kleinkind mitgebracht. Als der
       Sprössling wiederholt ihre Zuwendung einforderte, fragte Natascha entnervt,
       ob das Kind ihr Leben denn besser gemacht habe. Ihre Antwort: Ausweichend
       und damit vielsagend, ohne Reue, aber wohl mit einem Gefühl von
       Überforderung. In „The Baby“ dominiert dieses Grauen der Selbstaufgabe, der
       Aufopferung von Zeit und Ressourcen, die Mutterschaft mit sich bringt.
       
       Als Natascha versucht, sich mit dem Baby zu arrangieren, erlebt sie das
       selbst: Sie wird von all ihren Freundinnen isoliert, jeglicher Kontakt zur
       Außenwelt wird zur Stresssituation. Fremde kommen nur über den Säugling mit
       ihr ins Gespräch, jede Konversation dreht sich einzig um ihn. Ganz so, als
       gäbe es sie selbst gar nicht mehr.
       
       Damit bildet „The Baby“ ein Gefühl ab, von dem viele Mütter berichten. Dass
       die von Lucy Gaymer and Siân Robins-Grace kreierte Miniserie trotzdem nie
       in Bitterkeit verfällt, ist dem trotz allem präsenten Humor zu verdanken.
       Der speist sich auch aus Nataschas „What the fuck?!“-Haltung, ihrer
       nüchternen Schlagfertigkeit, mit der sie auf die skurrile Situation
       reagiert.
       
       ## Ängste und Wünsche
       
       Denn ihr Versuch das Baby einfach wieder loszuwerden, scheitert an den
       übernatürlichen Kräften, die es besitzt – und dafür nutzt, alle zu töten,
       die sich zwischen es und Natascha stellen. Einziger Ausweg scheint die
       kauzige Mrs. Eaves (Amira Ghazalla) zu sein, die das Baby bereits seit
       Langem beobachtet und weiß, dass es zunächst das Leben der auserwählten
       Frauen zerstört, ehe es auch sie tötet.
       
       Gemeinsam begeben sie sich auf eine Odyssee, um dem Säugling das Handwerk
       zu legen. Die führt Natascha auch in ihre eigene Vergangenheit und damit zu
       Schwester Bobbi (Amber Grappy). Die wünscht sich wiederum nichts
       sehnlicher, als ein Kind zu adoptieren. So verpasst es das komplett
       weibliche Team hinter der Serie nicht, auch andere Empfindungen, Hoffnungen
       und Wünsche, gegenüber [2][Mutterschaft] zu integrieren.
       
       Ein Fazit von „The Baby“ könnte damit lauten: Vor dem Kinderwunsch gibt es
       kein Entrinnen, zumindest als Frau. Ob man ihn nun teilt oder nicht. Eine
       provokante These durchaus, aber auch eine, die nicht leicht von der Hand zu
       weisen ist – und hier außerdem unglaublich unterhaltsam erzählt wird.
       
       21 Jul 2022
       
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