# taz.de -- Umwelt- und Sozialpaket in den USA: Klimawandel im Weißen Haus
       
       > Der US-Senat hat ein milliardenschweres Gesetz beschlossen. Dieses soll
       > komplett durch eine Anhebung der Steuern für Superreiche finanziert
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Glücklicher Biden: Das beschlossene Paket gilt als Erfolg für den US-Präsidenten
       
       NEW YORK CITY taz | Selbst im Endspurt, nachdem auch die beiden skeptischen
       Demokraten Joe Manchin und Kyrsten Synema ihre Zustimmung als
       Gegenleistung für massive Zugeständnisse erklärt hatten, sorgten die
       Republikaner noch mit Verfahrenstricks für 16 Stunden Verzögerungen. Am
       Sonntagabend stimmten sämtliche Mitglieder der konservativen Partei im
       US-Senat geschlossen gegen die Klima- und Steuerreform.
       
       Das [1][historische Gesetz], das den schwerfälligen Namen
       „Inflationsverringerungsgesetz“ trägt, kam nur dank US-Vizepräsidentin
       [2][Kamala Harris] zustande. Ihre Stimme war die nötige letzte für das
       51-gegen-50-Votum im Senat. Am Freitag wird das Abgeordnetenhaus über das
       Gesetz abstimmen. Falls es, wie erwartet, Ja sagt, kann Joe Biden das
       Gesetz noch vor Monatsende unterschreiben. Als „historisch“ gefeiert hat
       der US-Präsident es bereits am Sonntagabend.
       
       „Es wird Amerika für Jahrzehnte verändern“, sagte auch der sichtlich
       erleichterte demokratische Vorsitzende des Senats Chuck Schumer am
       Sonntagabend in die Kameras, „und es wird einen Unterschied für meine Enkel
       machen.“ Der New Yorker Senator Schumer hatte bis zuletzt den
       Gesprächskanal zu den beiden Demokraten vom rechten Rand, Manchin aus West
       Virginia und Sinema aus Arizona, offen gehalten.
       
       Manchin, der das Gesetz noch vor Wochen kippen wollte, bekam als
       „Gegenleistung“ für sein Yes unter anderem eine Ölpipeline für seinen
       Bundesstaat West Virginia sowie die Aussicht auf weitere Öl- und
       Gasförderlizenzen. Sinema, die als Allerletzte auf die Linie ihrer Partei
       umschwenkte, bekam unter anderem den Verzicht auf eine Anhebung der
       Spekulationssteuer für Hedgefondsmanager auf 36 Prozent.
       
       Selbst der linke Senator aus Vermont und ehemalige Präsidentschaftskandidat
       Bernie Sanders stimmte dem Gesetz zu. Noch wenige Tage zuvor hatte er
       versucht, einige der ursprünglich im Gesetz vorgesehenen sozialen Reformen
       zu retten – darunter Kindergeld, Beihilfen zur zahn- und augenmedizinischen
       Versorgung von Armen, die Streichung von Studienschulden, allgemeine
       Obergrenzen für verschreibungspflichtige Medikamente – darunter Insulin –
       und die Gründung eines „Zivilen Klimakorps“ auszuhandeln.
       
       Belohnung für klimakorrektes Verhalten 
       
       Nachdem der [3][„Green New Deal“], den Linke in den USA vorgeschlagen
       haben, gescheitert ist, sieht das Inflationsverringerungsgesetz Reformen
       für das nächste Jahrzehnt vor. Sie funktionieren nach dem Prinzip von
       Belohnungen für klimakorrektes Verhalten in Form von Steuernachlässen.
       Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher werden davon profitieren.
       
       Das Gesetz hat einen Gesamtwert von knapp 740 Milliarden Dollar. Davon
       sollen 375 Milliarden in das Klima investiert werden. Der Rest geht in den
       Schuldenabbau sowie die Gesundheitsversorgung. Die im Gesetz vorgesehenen
       Strategien zur Bekämpfung der Klimakrise sollen in verschiedenen Bereichen
       eingesetzt werden. Sie gehen – als Steuernachlässe – an Käufer und
       Hersteller von Elektroautos. Nutzen haben werden auch die Hersteller von
       angeblich sauberen Energien, die mit Wind und Sonne und mit Atomkraft
       erzeugt werden. Bis ins Jahr 2030 sollen damit die CO2-Abgaben der USA, die
       weltweit die größten sind, um 40 Prozent gesenkt werden.
       
       Mindeststeuer für Superreiche 
       
       Andere Investitionen aus dem Gesetz gehen in die Gesundheitsversorgung von
       Rentnern und in Beihilfen für Familien. Trotz der Größenordnung des
       Gesetzes sollen dem Staat keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die
       Finanzierung kommt komplett aus einer Anhebung der Steuern für Superreiche.
       Großkonzerne in den USA, von denen viele bislang überhaupt keine
       Unternehmensteuern zahlen, müssen künftig eine Mindeststeuer von 15 Prozent
       entrichten.
       
       Mit diesen Steueranhebungen erwarten die Senatoren in den nächsten zehn
       Jahren 740 Milliarden Dollar Einnahmen. Davon sollen 300 Milliarden zur
       Senkung des Defizits der USA verwendet werden. Haushalte mit Einnahmen
       unter 400.000 Dollar im Jahr bekommen keine Steuererhöhungen.
       
       Die Republikaner, die das Gesetz verhindern wollten, warnen jetzt vor
       zusätzlichen Inflationseffekten des Gesetzes. Die linken Demokraten, die
       ein anderes und umfangreicheres Gesetz wollten, reagieren mit gedämpftem
       Optimismus. Eine Sprecherin der jungen Klimaorganisation Sunrise Movement,
       die sich für einen Green New Deal eingesetzt hat, sagte am Sonntagabend:
       „Dieses Gesetz ist nicht, was unsere Generation verdient. Aber es ist
       alles, was wir bekommen können.“
       
       8 Aug 2022
       
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