# taz.de -- Herzklopfen beim Kindabholen?: Es gilt die Rabenmuttervermutung
       
       > Äußert sich eine Mutter kritisch zur Elternschaft, wird an der Liebe zu
       > ihren Kindern gezweifelt. Sie soll still die Härten ertragen – so wie
       > früher.
       
 (IMG) Bild: Schön und süß aber für Eltern Alltag: die Kita-Umkleide
       
       Eine Mutter von zwei Kindern, der ich auf Instagram folge, hat mal
       geschrieben, dass sie täglich Herzklopfen kriegt vor lauter Vorfreude, wenn
       sie ihr großes Kind von der Kita abholt. Instagram ist keine reale Welt.
       Dennoch hab ich mich schlecht gefühlt, als ich das gelesen habe. Denn mit
       Herzklopfen kann ich nicht dienen. Wenn ich die Abholsituationen der
       letzten Monate Revue passieren lasse, erinnere ich mich lediglich an den
       ein oder anderen Asthmaanfall, ausgelöst durch das Gehetze in der
       sommerlichen Hitze und Blütenstaub. Atemnot wird aber nicht mit Mutterliebe
       assoziiert.
       
       Nein, Herzklopfen habe ich nicht, wenn ich die Kinder aus der Kita abhole.
       Sobald ich das schreibe, muss ich zwingend auch schreiben, dass ich meine
       Kinder dennoch liebe. Eine Mutter muss das ständig wiederholen. Wie oft sie
       es dem Kind sagt, ist den meisten Leuten total egal – nur der Gesellschaft
       muss sie es regelmäßig sagen. Sonst wird sie verdächtigt, eine schlechte
       Mutter zu sein.
       
       Es braucht diese performative Liebesbekundung, denn es wird nie von einer
       guten Mutter ausgegangen. Es gilt die Rabenmuttervermutung. Vor allem wenn
       man auch noch Kritik übt an den Zuständen, die man zu seinen Kindern
       dazubekommt. Schlechtere Berufschancen, schlechtere Bezahlung, wenig
       Betreuungsangebot, keine mentale Gesundheitsvorsorge, kein Schutz vor Armut
       und unfassbar viele Stunden Gratisarbeit. Die einzige Gratismentalität
       übrigens, die keinen FDP-Politiker auf den Plan holt.
       
       Es ist [1][ein vollkommen fremdbestimmtes Leben], das einen erwartet. Davon
       hat man vor seiner Elternschaft oft keine Ahnung, weil auch die Generation
       davor von der Rabenmuttervermutung wusste und meistens geschwiegen hat.
       Viele blicken heute verklärt auf frühere Generationen. Sie preisen die
       [2][Härte der Mütter] damals und nennen die Eltern von heute verweichlicht.
       Wobei sie total außer Acht lassen, wie viele diese Jahre zwischen
       Medikamenten, Kettenrauchen oder Alkohol verbracht haben.
       
       ## Gleichzeitigkeiten existieren
       
       Vor einigen Tagen wurde auf Twitter eine Mutter dafür kritisiert, dass sie
       sinngemäß gesagt haben soll: Hätte sie gewusst, wie schwer es ist, hätte
       sie keine Kinder bekommen. Diese Aussage könne ihre Kinder verletzen, wurde
       kritisiert. Einige merkten an, dass die Mutter das in einem größeren
       Kontext gesagt hatte und angab, mit ihren Kindern über diese Belastung zu
       sprechen. Dennoch war es bemerkenswert, wie viele Leute von der Mutter
       erwarteten, [3][ihre Unzufriedenheit still zu ertragen.] Wie sie als
       lieblos dargestellt wurde.
       
       Natürlich kann man aber diese Zustände hassen und gleichzeitig seine Kinder
       lieben. So wie man seine Arbeitsstelle unerträglich finden kann, obwohl man
       seinen Beruf liebt. Das Internet ist nicht der Ort für Gleichzeitigkeiten.
       Dennoch sollte man nie vergessen, dass sie existieren. Und dass Mütter
       Menschen sind, keine sich aufopfernden Wesen ohne eigene Bedürfnisse oder
       Gefühle.
       
       15 Aug 2022
       
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