# taz.de -- Gaslieferungen aus Nordstream 1: Die Turbine und der Kanzler
       
       > Wladimir Putins Bluff scheint entlarvt. Olaf Scholz verschafft sich
       > selbst einen Eindruck über das Gerät und vergibt das Prädikat: perfekter
       > Zustand.
       
 (IMG) Bild: Ein Ding mit Swing: Bundeskanzler Olaf Scholz und die Turbine in Mülheim an der Ruhr
       
       BERLIN taz | Mit diesem Besuch hatte nun wirklich niemand gerechnet. Mitten
       in der Sommerpause an einem heißen Mittwoch: Bundeskanzler Olaf Scholz
       besucht kurzfristig die derzeit wichtigste Turbine Deutschlands, wenn nicht
       die bekannteste weltweit, in Mülheim an der Ruhr. Zuvor lag sie in Kanada
       zur Reparatur, jetzt wartet sie seit Mitte Juli im Ruhrgebiet auf den
       Weitertransport nach Russland.
       
       Scholz traf am Mittwoch also auf die Turbine mit der Seriennummer 9260,
       Modell SGT-A65, rund 12 Meter lang, 18,5 Tonnen schwer. Ihr eigentlicher
       Platz ist in der russischen Gasverdichterstation Portowaja. [1][Dort sorgt
       sie mit anderen Turbinen dafür, dass richtig Druck aufgebaut wird in der
       Ostseepipeline, damit das Gas fließen kann.]
       
       Jetzt also Mülheim. Ihre Reise gerät gerade ins Stocken, weil der russische
       Energiekonzern Gazprom behauptet, dass die Turbine gar nicht da sei. Es
       würden Dokumente und Informationen zur Reparatur des Geräts fehlen, so die
       Behauptung. Die Folge: [2][reduzierte Gaslieferungen über Nord Stream 1]
       und nicht erfüllte Gaslieferungsverträge. Der Betreiberkonzern Siemens
       Energy hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Nun aber macht sich der Kanzler
       ein Bild von dem Stahlungetüm und kann dann via Twitter vermelden: „Bei
       Siemens Energy konnte ich mit eigenen Augen sehen: Die gewartete Turbine
       ist da und jederzeit einsatzbereit.“
       
       Bekanntermaßen ist Scholz nicht derjenige, der gerne launige PR-Bilder
       macht, sondern nur dann, wenn Außenbesuche nötig sind. Ein kurzes „Rein und
       raus“ ist ja eigentlich nicht sein Fall. Solche Aussagen haben ihm in
       anderen heiklen Situationen, etwa als es um einen Besuch in der Ukraine
       ging, um Präsident Selenski seine Solidarität auszusprechen, viel Häme
       eingebracht. Bei der Turbine sieht das offenbar anders aus. Bis vor Kurzem
       ließ die Bundesregierung immer wieder ausrichten, dass ihr genauer Standort
       nicht bekannt gegeben werden dürfe. Aus Sicherheitsgründen.
       Verständlicherweise. Nun gibt es schöne Fotos mit Scholz am Gerät, eine
       Pressekonferenz und das Signal: Schluss mit dem Mythos um die Turbine. Er –
       Scholz – habe sich gedacht, es wäre vielleicht ganz sinnvoll, „wenn wir uns
       sie mal gemeinsam anschauen, damit man sieht, es gibt sie wirklich, sie
       steht hier, sie ist einsatzbereit“.
       
       ## Putins Energiespielchen lassen Scholz posieren
       
       Aus technischer Sicht spricht offenbar nichts dagegen, dass die Turbine
       dort zum Einsatz kommt, wo sie wirklich gebraucht wird. Das bestätigt auch
       Siemens-Energy-Vorstandschef Christian Bruch. „Sie brauchen fünf von
       solchen Turbinen, damit 100 Prozent Leistung erzeugt wird. Davon läuft
       heute eine. Deswegen sind wir bei 20 Prozent“, sagte Bruch beim
       Kanzlerbesuch in Mülheim.
       
       Putins Energiespielchen haben dafür gesorgt, dass Kanzler Scholz sich sogar
       mit der SGT-A65 ablichten lässt. Nun ist Gazprom am Zug. Doch so einfach
       wird es nicht. Der Scholzsche Besuch kommt im russischen Staatsfernsehen
       alles andere als gut an. Unmittelbar im Anschluss an den Turbinen-Besuch
       wurden Videos mit Hitler-Vergleichen zu Scholz verbreitet. (mit dpa)
       
       3 Aug 2022
       
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