# taz.de -- Tarifabschluss bei der Lufthansa: Mehr als ein klassischer Kompromiss
       
       > Von der Tarifeinigung für das Bodenpersonal bei der Lufthansa profitieren
       > vor allem die unteren Einkommensgruppen. Das ist sinnvoll und notwendig.
       
 (IMG) Bild: Bereit für Kompromisse: Fluggesellschaft Lufthansa
       
       Am späten Donnerstagabend war es soweit. Nach einem eintägigen Warnstreik
       in der vergangenen und zweitägigen Verhandlungen in dieser Woche hat sich
       die Lufthansa mit Verdi geeinigt. Das Ergebnis: Die Löhne für die rund
       20.000 Bodenbeschäftigten des Luftfahrtkonzerns werden spürbar steigen –
       nicht so hoch, [1][wie es die Gewerkschaft gefordert], aber deutlich höher,
       als es die Konzernführung zuvor angeboten hatte. Auf den ersten Blick ein
       klassischer Tarifkompromiss, allerdings lohnt ein genaues Hinschauen.
       
       Der neue Tarifvertrag besteht aus einem Mix aus Festgeldkomponenten und
       prozentualer Steigerung. Das heißt: Rückwirkend zum 1. Juli erhalten die
       Bodenbeschäftigten einen zusätzlichen monatlichen Festbetrag von 200 Euro.
       Am 1. Januar 2023 gibt es weitere 2,5 Prozent, mindestens aber 125 Euro.
       Schließlich folgt am 1. Juli 2023 eine weitere Gehaltssteigerung um 2,5
       Prozent.
       
       Zudem wurde vereinbart, dass die diversen Lufthansa-Gesellschaften ab dem
       1. Oktober – also wenn der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro steigt –
       einen Stundenlohn von mindestens 13 Euro zahlen werden. Zusammengenommen
       bedeutet das, dass es für die Beschäftigten, über die gesamte Laufzeit von
       18 Monaten gerechnet, monatlich brutto zwischen 377 Euro und 498 Euro mehr
       geben wird. Das kann sich sehen lassen.
       
       Durch die starke Festgeldkomponente profitieren diesmal überproportional
       die unteren Einkommensgruppen von dem jetzt vereinbarten Abschluss – also
       jene, [2][für die der letzte Tarifabschluss 2018 schlecht war]. Denn die
       damals vereinbarten Prozentsteigerungen fielen so mickrig aus, dass bis
       heute Menschen in einzelnen Lufthansa-Gesellschaften für einen Stundenlohn
       von nur knapp über elf Euro brutto arbeiten müssen. Während der Coronakrise
       war es Dank Kurzarbeit noch weniger – und auf ihr Weihnachts- und
       Urlaubsgeld mussten sie auch noch verzichten.
       
       Wer bisher mit einem Bruttogehalt von 2.000 Euro nach Hause gegangen ist,
       kann sich nun über eine Lohnerhöhung von insgesamt 19,2 Prozent freuen. Das
       klingt sehr viel. Aber das relativiert sich schnell angesichts der
       dramatisch steigenden Lebenshaltungskosten. Da wird man auch mit 2.384 Euro
       brutto keine großen Sprünge machen können. Alleine die horrend anwachsenden
       Gaspreise werden nicht viel übrig lassen.
       
       Verdi stand in einer Bringschuld, ja einer moralischen Verpflichtung,
       diesmal gerade für die mehr herauszuholen, die es besonders nötig haben.
       Dass dies gelungen ist, hat allerdings weniger moralische als knallharte
       ökonomische Gründe. Wer bei der Lufthansa für die Passagier-, Gepäck- oder
       Frachtabfertigung zuständig ist, verdient zwar nicht allzuviel – aber er
       oder sie ist systemrelevant. Das haben nicht nur die Bodenbeschäftigten
       [3][eindrucksvoll mit ihrem Warnstreik] in der vergangenen Woche bewiesen,
       als sie [4][zwischen Mittwoch- und Donnerstagmorgen für mehr als 1.000
       Flugausfälle] sorgten.
       
       Auch die seit Juni mehr als 7.000 Flüge, die die Lufthansa aufgrund von
       Personalmangel streichen musste, sind dafür ein Beleg. In der Coronakrise
       hat die Lufthansa äußerst kurzsichtig massiv Personal abgebaut, bei den
       Bodenbeschäftigten beinahe ein Drittel. Das rächt sich jetzt, wo der
       Flugbetrieb wieder in alte Höhen gebracht werden soll. Denn dafür bräuchte
       sie das Personal, das sie abgebaut hat. Doch die, die gehen mussten, haben
       zum großen Teil inzwischen etwas Besseres gefunden. Die Folge davon ist das
       gegenwärtige Flugchaos.
       
       Der Bedarf ist hoch: Rund 5.000 neue Mitarbeiter:innen will der
       Konzern bis Ende dieses Jahres einstellen, die gleiche Anzahl im folgenden
       Jahr. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Aufstockung des Bodenpersonals.
       Doch dafür müssen die Arbeitsplätze hier lukrativer werden. Das hat die
       Lufthansaspitze offenkundig inzwischen erkannt. Sonst wäre dieser
       Tarifabschluss so nicht möglich gewesen.
       
       5 Aug 2022
       
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