# taz.de -- Noiserock-Erneuerer Dog Dimension: An der Krachmacherfront
       
       > Dog Dimension nennt sich eine Band, die sehr gekonnt den Noiserock der
       > Neunziger ins Heute holt. Ihre EP „Rabies“ stellen sie nun auch live vor.
       
 (IMG) Bild: Klamotten rocken, die Band rockt auch: Dog Dimension aus Berlin
       
       Manche Stränge in der Pop- und Musikgeschichte verlieren sich einfach so,
       und man weiß gar nicht richtig, warum. Der [1][Noiserock] der
       Neunzigerjahre ist so ein Fall – eine Spielart der Rockmusik, die sich
       während dieser Ära vor allem in den USA stark ausdifferenziert hat.
       
       Es gab so unterschiedliche Bands wie die [2][Melvins], The Jesus Lizard,
       Girls Against Boys, Chokebore und Shellac. Deren Labels Touch and Go und
       Amphetamine Reptile Records hatten nicht ohne Grund zu dieser Zeit ihre
       produktivste Phase.
       
       Die Berliner Band Dog Dimension setzt genau dort an, wo die
       US-amerikanische Krachmacherfront einst aufhörte. Im Mai ist die nun schon
       vierte EP der Gruppe erschienen. „Rabies“, übersetzt „Tollwut“, heißt sie,
       und es ist ein wahrhaft tolles und wütendes Werk geworden. Vieles, was den
       damaligen Noiserock auszeichnete – Gitarren mit Wums, Staccatoriffs,
       groovige Bassläufe, ein dichter, dicker, dringlicher Sound – findet sich in
       diesen sechs Songs.
       
       Dank der Stimme von Sängerin Josefine Lukschy kommt noch ein gewisser
       Grunge-Faktor dazu, der Sound weckt auch Assoziationen an Bands mit
       weiblichem Gesang aus dieser Zeit – etwa L7 oder Babes in Toyland. Am
       Samstag wird Dog Dimension das Album im Neuköllner Bechereck vorstellen –
       gerade live ist diese Band ein Ereignis.
       
       Gegründet haben sich Dog Dimension vor drei Jahren, Josefine Lukschy und
       Gitarrist Alex Meurer hatten zuvor schon in der Band Bechamel
       zusammengespielt. Beide kennt man auch aus der experimentellen Musikszene
       Berlins: Meurer betreibt das Label B[3][ohemian Drips], auf dem auch Acts
       aus der Echtzeitmusikszene vertreten sind, beide zusammen spielen zudem bei
       der Klangkunst-Combo „Die Milchstraße Flockt“ und in einem
       Theatermusikprojekt.
       
       Als Schlagzeuger ist im vergangenen Jahr Immo Hoffmann dazugekommen, auch
       er ist noch in verschiedene andere Projekte eingebunden, mit Sängerin
       Lukschy betreibt er The Queef of England (sic), und er ist Drummer der
       Düsterpopband Glymmar.
       
       Während die Vorgängerband Bechamel ein Underground-Phänomen blieb, ist Dog
       Dimension zu wünschen, dass ihnen größere Aufmerksamkeit zuteil wird.
       „Rabies“, Anfang des Jahres aufgenommen und gemischt von Schlagzeuger
       Hoffmann, ist extrem gut produziert, die eingangs erwähnten Bands sind wohl
       auch für die wuchtige Albumproduktion Inspiration gewesen.
       
       Dass alle Bandmitglieder viel Erfahrung im Songwriting haben und lange into
       music sind, ist der EP anzuhören. Lukschy, gebürtige Berlinerin, lernte als
       kleines Kind Klavierspielen und brachte sich später selbst Gitarre bei, kam
       dann zu Hip-Hop, Punk und Metal. Meurer, der im bulgarischen Varna
       aufgewachsen ist und über den Umweg Bayern nach Berlin kam, hat früher
       Santur und Zither bei der Band Kolophonium gespielt.
       
       Der aus Baden-Württemberg stammende Hoffmann hat Schlagzeug für sehr viele
       verschiedene Künstler eingespielt, etwa Toni Kater und Fugalo.
       
       Natürlich gab es – gerade in Deutschland – in den vergangenen Jahren auch
       schon andere Bands, die an die Grunge- und Noiserock-Tradition angeknüpft
       haben, etwa der ganze Zirkel um die [4][Stuttgarter Band Die Nerven]. Doch
       die Einflüsse scheinen bei Dog Dimension noch breiter gestreut. Metal ist
       neben Noiserock die wohl wichtigste Inspiration für das Trio.
       
       Spricht man etwa mit der Gitarrenfraktion Lukschy/Meurer über die Kultcombo
       Slipknot, hören sie gar nicht mehr auf, abzunerden. Auch das
       Schlagzeugspiel Hoffmanns ist – etwa durch den Einsatz der Double Bass –
       gelegentlich recht metallisch geraten.
       
       Musikalisch beeindruckt die Vielschichtigkeit der EP, die Möglichkeiten des
       Genres werden voll ausgereizt. In „Do It Again“, einem der Kernstücke,
       arbeiten Dog Dimension mit Gitarrenausbrüchen und Laut-Leise-Kontrasten,
       wie man sie von der New Yorker Band Helmet kennt.
       
       In „Crust“ hört man hohe, schräge Gitarrentöne, ehe sich gegen Ende die
       Gitarrenattacken häufen. Ein Ausreißer ist das abschließende „Grand Prix“,
       das mit einem Trip-Hop-Rhythmus daherkommt und sich nicht ganz einfügen
       will in den Gesamtsound.
       
       Dog Dimension haben bereits begonnen, Songs für ein Album zu komponieren.
       Zur Überbrückung der Wartezeit ist allen indiegitarrenaffinen Menschen da
       draußen das Konzert im Bechereck im Schillerkiez am Samstagabend wärmstens
       zu empfehlen.
       
       27 Aug 2022
       
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