# taz.de -- Dyke*March in Hamburg: Frauen bedrohen Frauen
       
       > Hunderte Lesben haben beim Hamburger Dyke*March am Freitag gemeinsam
       > friedlich demonstriert. Doch Radikalfeministinnen wollten Gewalt
       > provozieren.
       
 (IMG) Bild: „Alle Lesben sind schön“ – diese Einstellung vertreten nicht alle Menschen innerhalb der Community
       
       HAMBURG taz | Es sollte ein feierlicher und solidarischer Umzug der
       lesbischen Community sein, doch dann gab es mal wieder Feindlichkeit gegen
       eine Gruppe unter ihnen: Am Freitag warteten beim [1][Dyke*March] in
       Hamburg etwa zehn Frauen mit transfeindlichen Plakaten auf den
       vorbeiziehenden Umzug. Sie drängten sich in den Block, der für trans und
       genderdiverse Menschen vorgesehen war, und wollten eine aggressive
       Ablehnungsreaktion seitens der Teilnehmer*innen provozieren, erzählten
       die Organisator*innen der taz.
       
       Statt darauf einzugehen, antwortete der Block mit einem gewaltfreien
       Zeichen des Widerstands, sagt Cornelia Kost, Vertreterin des Hamburger
       Bündnisses für trans und non-binäre Menschen – sie legten sich auf den
       Boden, ließen andere Demonstrant*innen an sich vorbeiziehen und machten
       so auf die Situation aufmerksam. Weil parlamentarische
       Beobachter*innen anwesend waren und die Polizei schnell reagierte,
       konnte Kost zufolge eine Eskalation verhindert werden. 
       
       Organisiert wurde der Dyke*March vom Lesbennetzwerk Hamburg. Obwohl die
       [2][Demonstrationen deutschlandweit] als transinklusiv gelten, werden immer
       noch häufig trans Menschen ausgegrenzt. Das [3][Lesbische Aktionszentrum
       Berlin] (LAZ Reloaded) und Women’s Declaration International Germany (WDI)
       hatten bereits eine Woche zuvor bei Twitter ihre Empörung darüber
       ausgedrückt, dass trans und gender-diverse Menschen beim Dyke*March
       mitlaufen.
       
       ## Verschiedene Maßnahmen
       
       Cornelia Kost und auch Eva Burgdorf, Versammlungsleiterin und Vertreterin
       des Lesbennetzwerkes Hamburg, sehen darin eine Provokation. Das Hauptziel
       des Verhaltens der LAZ Reloaded und des WDI sei es, Bilder zu produzieren,
       auf denen trans und nonbinäre Menschen als gewalttätig dargestellt werden,
       sagt Kost: „Der trans Community wird Aggressivität unterstellt und diese
       Gruppen werfen uns oft Angriffe gegen ihre Mitglieder vor. Deshalb haben
       wir darauf geachtet, mit unserer Reaktion eindeutig friedlich zu sein und
       diese Bilder nicht zu reproduzieren.“ Die Hamburger
       Linken-Fraktionssprecherin Carola Ensslen, die als parlamentarische
       Beobachterin vor Ort war, bestätigte Kosts Schilderung auf taz-Anfrage.
       
       Wegen der vorherigen Ankündigungen von LAZ Reloaded und WDI hat das
       Lesbennetzwerk zusammen mit dem Bündnisfür trans und nicht-binäre Personen
       verschiedene Maßnahmen beschlossen: Sie haben parlamentarische
       Beobachter*innen angefragt und die Polizei über mögliche Vorfälle
       informiert. Sowohl am Anfang der Demo als auch währenddessen haben die
       Organisator*innen betont, dass der Dyke*March transinklusiv ist.
       
       Doch trotz aller Vorkehrungen empfanden die Teilnehmer*innen des trans
       Blocks die Situation als bedrohlich. „Trans Personen erleben oft Gewalt auf
       offener Straße. Dementsprechend hatten alle Personen im Block massive
       Angst. Viele Mitglieder standen unter Schock. Wir wussten nicht, was
       passieren würde – nur dass körperliche Gewalt provoziert werden sollte“,
       sagt Kost. Sich auf den Boden zu legen statt auf die Provokation zu
       reagieren, sollte nicht nur eine Eskalation verhindern, sondern auch ein
       Zeichen setzen, sagt Kost. „Radikalfeministinnen wollen uns die Teilnahme
       am Dyke*March verweigern. Sie behaupten, trans Menschen würden gar nicht
       existieren“, sagt sie. „Aber wenn wir nicht existieren sollen, sind wir
       faktisch tot. Unsere Aktion sollte ihnen vor Augen führen, was ihre
       Aussagen und Forderungen eigentlich bedeuten.“
       
       ## Bündnisse statt Lager
       
       Nach dem Vorfall löste die Polizei den Organisator*innen und Ensslen
       zufolge schnell und friedlich die Situation: Die Frauen mit den Plakaten
       wurden vom Dyke*March entfernt und mussten im Anschluss ihre eigene
       Versammlung anmelden. Die Demonstrant*innen durften weiterziehen.
       
       Dennoch wünscht sich Burgdorf, es wäre nicht so weit gekommen. Das
       Lesbennetzwerk war ihr zufolge gewillt, den Dialog zu suchen: „Es hätte im
       Netzwerk eine offene Diskussion über der Teilnahme von LAZ Reloaded und WDI
       an der Demonstration gegeben. Miteinander reden ist immer der erste Schritt
       der Gewaltprävention. Stattdessen wirkte ihre Anwesenheit bedrohlich.“
       
       Die Spannungen in Hamburg spiegeln die Diskussion darüber wider, ob trans
       Menschen bei Veranstaltungen einbezogen werden sollen, bei denen es
       vordergründig um lesbische Sichtbarkeit und Öffentlichkeit geht. Es sei
       aber notwendig, Bündnisse zu schließen, statt in Lagern gegeneinander zu
       kämpfen, betont Burgdorf: „Wir in Hamburg üben Solidarität aus,
       insbesondere wenn wir klar wissen, wogegen wir gemeinsam kämpfen – nämlich
       gegen patriarchale Strukturen!“
       
       9 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.dykemarch-hamburg.de/
 (DIR) [2] /Berliner-CSD-soll-politischer-werden/!5864264
 (DIR) [3] /Forscherin-ueber-lesbische-Geschichte/!5517383
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valeria Bajaña Bilbao
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
 (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA-Communitys
 (DIR) Lesben
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
 (DIR) Trans
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
 (DIR) Kolumne Subtext
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
 (DIR) Kolumne Hot und hysterisch
 (DIR) Queer
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Lesbischer Dyke* March in Berlin: Aufruf zur Einigkeit
       
       Der Nahost-Konflikt schwebte über dem diesjährigen Dyke* March am Vorabend
       des CSD. Doch die Organisator*innen wollten Spaltungsversuche nicht
       hinnehmen.
       
 (DIR) Dyke* March in Berlin: Auf die Straßen!
       
       Schon zum 10.Mal zieht am Freitagabend der Dyke* March durch die Stadt. Auf
       Motorrädern und zu Fuß fordern Demonstrierende lesbische Sichtbarkeit.
       
 (DIR) Sichtbarkeit lesbischer Frauen: Wir sind Schönheitskönigin!
       
       Die Schönheitsköniginnen Fabiola Valentín und Mariana Varela haben
       geheiratet. Lesben haben damit auch die letzte heterosexuelle Bastion
       infiltriert.
       
 (DIR) Forscher über Hamburger Demo-Streit: „Wir sollten einander zuhören“
       
       Der Geschlechterforscher Till Amelung wirbt nach dem Konflikt beim
       Dyke*March für Verständigung zwischen trans Aktivisten und
       Radikalfeministinnen.
       
 (DIR) Queer sein im Kapitalismus: You can stand under my umbrella
       
       Wer ist „queer genug“? Unsere Kolumnistin findet, diese Frage bringt uns
       nicht weiter. Denn genau so wenig kann man schön oder reich genug sein.
       
 (DIR) Hunderttausende beim Berliner CSD: Queerer Drahtseilakt
       
       Auf dem CSD drängten sich die Massen und Musiktrucks. Die politischen
       Botschaften blieben bisweilen auf der Strecke.
       
 (DIR) CSD-Wochenende in Berlin: 7,4 Kilometer Party
       
       Zum CSD in Berlin am Samstag werden Hunderttausende erwartet. Sie wollen
       nach den Corona-Einschränkungen der vergangenen Jahre wieder richtig
       feiern.