# taz.de -- Eskalierter Polizeieinsatz in Berlin: Mit gezückter Schusswaffe
       
       > Die Polizei wollte in Kreuzberg einem wohl verwirrten Mann einen
       > Krankenwagen rufen, dann eskalierte es. Am Ende zog ein Beamter gar seine
       > Pistole.
       
 (IMG) Bild: Aus dem Ruder gelaufen: Es gibt Kritik an einem Polizeieinsatz in Berlin-Kreuzberg
       
       BERLIN taz | Nach einem offenbar aus dem Ruder gelaufenen Einsatz im
       Kreuzberger Wrangelkiez gibt es Kritik an der Polizei. Die
       Anwohner*innen-Initiative „Wrangelkiez United“, die sich unter anderem
       gegen Racial Profiling einsetzt, bezeichnete den Vorfall als „krassen
       Polizeiübergriff“ und veröffentlichte ein Foto von dem Einsatz, der am
       Sonntag, den 21. August, kurz nach 18 Uhr stattgefunden haben soll.
       
       Das Bild vermittelt tatsächlich einen martialischen Eindruck und wurde auf
       [1][Twitter tausendfach geteilt]. Der Betroffene der Maßnahme, ein
       Schwarzer Mann, ist gepixelt und liegt auf dem Bürgersteig der
       Falckensteinstraße. Auf ihm knien zwei Polizist*innen, einer hat einen
       Taser in der Hand. Dahinter steht ein Polizist, der seine Dienstpistole
       gezückt hat und vor der Brust hält, die Mündung Richtung Bürgersteig.
       
       Zeuge des Polizeieinsatzes wurde David Kiefer, der bei „Wrangelkiez United“
       aktiv ist und auch das Foto gemacht hat. Er stellt [2][die Situation so
       dar]: Der Schwarze Mann sei von der Polizei kontrolliert worden,
       verweigerte dabei das Anlegen von Handschellen „aufgrund einer schweren
       Handverletzung“. Daraufhin sei er mit Gewalt zu Boden gebracht worden –
       „Hände auf dem Rücken, ein Knie im Nacken, ein Knie auf den Beinen“. Weil
       der Mann vor Schmerzen geschrien habe, hätten mehrere Passant*innen,
       darunter auch Kiefer, den Polizeieinsatz deutlich kritisiert.
       
       Daraufhin hätten die Polizisten die Nerven verloren: Einer habe seine
       Pistole gezogen, ein weiterer den Taser. Deeskaliert hätten die Situation
       daraufhin nicht die Einsatzkräfte, sondern Passant*innen und
       Nachbar*innen. Der fixierte Mann habe weiter geschrien und schließlich das
       Bewusstsein verloren, während die Beamten auf ihm knieten.
       
       ## Gewalt und Rassismus verknüpft
       
       Nachdem der Mann ohnmächtig war, hätten ihn die Polizisten in stabile
       Seitenlage gebracht und ein eintreffender Rettungswagen hätte ihn in die
       Klinik gefahren. Insgesamt habe die Situation 10 bis 15 Minuten gedauert.
       Kiefer, der Kontakt zum Betroffenen habe, berichtet, dass es dem Mann den
       „Umständen entsprechend“ gehe. Besonders verwundert war er darüber, dass
       die Polizei gesagt habe, den Mann ursprünglich einem Arzt vorstellen zu
       wollen. „Zum Arzt musste er nach dem Einsatz, aber ohnmächtig“, sagt Kiefer
       bitter.
       
       Insbesondere vor dem Hintergrund der kürzlich bei Polizeieinsätzen
       getöteten Menschen in [3][Frankfurt, Köln], [4][Recklinghausen] und
       [5][Dortmund] kritisierte „Wrangelkiez United“ den Einsatz scharf: „Es darf
       nicht sein, dass Polizeieinsätze vor allem für People of Colour und
       Schwarze Menschen immer wieder zu lebensbedrohlichen Situationen führen!“
       Überforderte Polizisten dürften solche Banalitäten nicht eskalieren und „zu
       einer tödlichen Bedrohung für Betroffene, Umstehende und Anwohner*innen
       werden!“ Der Vorfall zeige, wie polizeiliches Handeln mit Gewalt und
       Rassismus verknüpft sei sowie die leichtfertige Bereitschaft, potenziell
       tödliche Waffen einzusetzen – „obwohl zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr
       bestand“.
       
       Die Polizei erklärt das Zücken der Waffen auf taz-Anfrage damit, dass die
       sich „ansammelnden Passanten und Schaulustigen zusehends emotional
       aufgeladen“ gewesen seien, diverse Personen hätten „den gebührenden
       Sicherheitsabstand“ unterschritten. Die Zahl der aggressiven Personen hätte
       stetig zugenommen, zudem sei vom Fixierten eine Gefahr für Einsatzkräfte
       und umstehende Personen ausgegangen, weil man ihm wegen der Verletzung
       keine Handfessel anlegen konnte. Zudem behauptete die Polizei, dass von
       Umstehenden „mindestens ein Fahrrad geworfen wurde, ohne dass hierdurch
       eine Dienstkraft getroffen wurde.“
       
       Kiefer hat das anders in Erinnerung: „Die Umstehenden haben die Polizisten
       darauf hingewiesen, dass der schreiende Mann Schmerzen hat und gerufen,
       dass diese mal locker machen sollten.“ Er sei kein Schaulustiger gewesen,
       sondern Zeuge. Und mit einem Fahrrad habe definitiv niemand geworfen,
       vielmehr sei ein Mann auf der Straße angehalten und mit einem Fahrrad
       umgekippt, daraufhin aber weiter gefahren. „Ich frage mich, wofür es
       notwendig ist, so massiv auf den Mann einzuwirken – mit Knien auf Rücken
       und Beinen, bis er ohnmächtig wird?“, fragt Kiefer.
       
       Warum der Einsatz eskalierte, kann die Polizei nicht plausibel erklären: Es
       habe sich „zunächst um eine gefahrenabwehrende Maßnahme“ gehandelt. Worin
       die Gefahr bestand, bleibt allerdings unklar: Einsatzkräfte hätten um 17:50
       Uhr „einen hilflosen Mann auf der Falckensteinstraße“ bemerkt, der nackt
       auf der Fahrbahn gelaufen sei. Der Mann habe ziellos und verwirrt gewirkt,
       sich kurz aber kurz darauf wieder angezogen.
       
       Bei der Ansprache sei klar geworden, dass er unter Drogen gestanden und
       eine Verletzung am Handgelenk aufgewiesen habe, woraufhin die Polizisten
       einen Rettungswagen angefordert hätten, um den Mann „einem Arzt
       vorzustellen“. Schließlich sei der Mann zu Boden gebracht worden, nachdem
       er versucht hätte „mit Kopfstößen zu agieren“ und eine „Eigenverletzung
       oder eine Verletzung der Dienstkräfte drohte“, so die Polizei.
       
       Nachdem der Mann in der liegenden Position bewusstseinsgetrübt und
       reaktionslos gewirkt habe, seien alle Zwangsmaßnahmen eingestellt worden
       und seine Vitalfunktionen bis zum Eintreffen des Rettungswagens überwacht
       worden. Am Ende heißt es: „Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen
       Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet.“
       
       Das Gebiet um den Görlitzer Park gilt als sogenannter
       kriminalitätsbelasteter Ort (KBO), wo die Polizei Personen [6][auch
       anlasslos kontrollieren darf]. Das leistet Racial Profiling Vorschub, wie
       nicht nur Aktivist*innen kritisieren. n der vergangenen Legislatur hat
       der ehemalige Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit der Polizeireform zudem
       eine Brennpunkteinheit (BPE) der Berliner Polizei auf die Beine gestellt,
       die an den kriminalitätsbelasteten Orten eingesetzt wird.
       
       In dieser BPE sind rund 125 Beamt*innen, Teile der Anwohnerschaft
       kritisieren die permanent präsente Polizei, andere sind über deren Präsenz
       dankbar. Laut Anfrage der taz waren die Beamten beim kritisierten Einsatz
       auch Teil der BPE. Allerdings habe es in diesem Fall keine anlasslose
       Kontrolle gegeben.
       
       Neben Vorwürfen über Racial Profiling gab es konkret gegen zwei Beamte der
       BPE am Görlitzer Park auch auch Ermittlungen wegen [7][weiterer
       Rechtsverstöße]. Ihnen wurde zeitweise Volksverhetzung, rassistische
       Beleidigungen sowie sexuelle Belästigung gegen Polizeiangehörige
       vorgeworfen. Zumindest einer der Polizist*innen sei daraufhin
       „umgesetzt“ worden, hieß es Ende vergangenen Jahres auf Nachfrage.
       
       29 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/WrangelkiezU/status/1563903767354957829
 (DIR) [2] https://wrangelkiezunited.noblogs.org/trigger-warnung-polizeigewalt/#more-1737
 (DIR) [3] https://www.t-online.de/region/dortmund/id_100037296/tod-eines-16-jaehrigen-experte-wirft-polizei-systemfehler-bei-ermittlungen-vor.html
 (DIR) [4] https://www1.wdr.de/nachrichten/dortmund-recklinghausen-polizeieinsatz-ermittlungen100.html
 (DIR) [5] /Polizist-erschiesst-Teenager/!5872147
 (DIR) [6] /Rassismus-bei-der-Berliner-Polizei/!5818905
 (DIR) [7] /Rassismus-bei-der-Berliner-Polizei/!5818905
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polizeigewalt
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 (DIR) Racial Profiling
 (DIR) Polizei Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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 (DIR) Barbara Slowik
       
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