# taz.de -- Holz als Alternative zum teuren Gas: Platte oder Pellet?
       
       > Energie ist so teuer, dass inzwischen sogar Möbelholz im Kraftwerk
       > landet. Das Europaparlament will nun aus Klimagründen gegensteuern.
       
 (IMG) Bild: Was tun mit dem Holz? Hacken in Bagemühl in der Uckermark
       
       BERLIN taz | Das Gas wird knapp, her mit dem Holzofen! Knapp 650.000
       Pelletheizungen stehen inzwischen in deutschen Kellern, 150.000 mehr als
       vor zwei Jahren. Tendenz: steigend. Genauso [1][sieht es bei Strom- und
       Wärmekraftwerken aus, die jetzt mit Pellets statt mit Kohle Energie
       gewinnen]. Das Europaparlament will diese Entwicklung stoppen und die
       energetische Nutzung von Holz begrenzen.
       
       Umstritten ist, inwieweit Holzenergie tatsächlich zum Klimaschutz beiträgt.
       Umweltverbände oder der prominente Förster Peter Wohlleben rechnen vor,
       dass Holzöfen eine schlechtere Klimabilanz hätten als Ölheizungen. Dies ist
       zwar richtig, doch „es setzt als nachwachsender Rohstoff nun einmal nur das
       Kohlendioxid frei, das es zuvor während des Wachstums der Bäume gespeichert
       hat“, sagt Sebastian Rüter vom Institut für Holzwissenschaften am
       Thünen-Institut in Hamburg.
       
       Fossile Rohstoffe wie Öl und Kohle geben bei der Verbrennung hingegen vor
       Jahrmillionen gespeichertes CO2 frei – eine der Hauptursachen der
       Erderhitzung. Solange immer nur so viel Holz genutzt wird, wie
       gleichzeitig nachwächst, ist die CO2-Bilanz annähernd ausgeglichen. Rüter
       hält den zugespitzten Vergleich „Holzofen – Ölheizung“ daher für
       populistisch. Der Trend zum Pelletkraftwerk, in dem Millionen Tonnen Holz
       künftig Kohle ersetzen sollen, sei trotzdem falsch. „Das lässt sich mit
       heimischem Holz nicht machen“, sagt Rüter, „außerdem muss es mittlerweile
       darum gehen, Emissionen zu verringern“.
       
       Geht es nach dem Umweltausschuss des Parlaments, soll Holz in der neuen
       Richtlinie für erneuerbare Energien (im Jargon abgekürzt mit RED III) nur
       noch eine untergeordnete Rolle spielen. Zwar würden künftig alle
       Energieträger gebraucht, auch Biomasse, sagt Markus Pieper (CDU),
       Berichterstatter für RED III im Parlament.
       
       ## Möbelholz, Spanplatte, Kaminholz
       
       Aber es mache „keinen Sinn, hochwertiges Rundholz zu verbrennen, wenn es in
       Holzhäusern nachhaltig verbaut werden kann“. Notwendig sei das
       Kaskadenprinzip, also eine gestaffelte Nutzung. Holz sollte zunächst als
       Bau- oder Möbelholz genutzt werden, dann als Papier oder Spanplatte und
       erst zuletzt als Pellets oder Kaminholz.
       
       Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Fachverbands Holzenergie, hält die
       Vorgaben für „verheerend für die Wärmewende“ und in der Praxis nicht
       umsetzbar. Für die energetische Holznutzung würden „alleine schon aus
       Kostengründen nur die Holzsortimente genutzt, für die sich keine andere
       Nutzungsmöglichkeit ergibt“, sagt er – und erntet Widerspruch.
       
       „Wir befinden uns gerade in einer Extremsituation“, sagt Anemon Strohmeyer,
       Geschäftsführerin des Verbands der Deutschen Holzwerkstoffindustrie. Der
       russische Krieg in der Ukraine verstärke eine langfristige Entwicklung.
       „Bevölkerung und Industrie treffen derzeit Investitions- und
       Transformationsentscheidungen sehr schnell und zum Teil getrieben von
       Panik, kein Gas mehr zu bekommen“, sagt Strohmeyer.
       
       Sie stellen auf erneuerbare Energieerzeugung um – und zwar vielfach auf
       Biomasse. „Die Nutzung in der Kaskade funktioniert nicht mehr“, sagt sie,
       und berichtet etwa von Herstellern von Spanplatten, denen langjährige
       Lieferanten die Verträge kündigen, weil die Pelletproduktion lukrativer
       ist. „RED III ist eine hervorragende Gelegenheit, zu entscheiden, wie wir
       Holz künftig nutzen wollen“, sagt Strohmeyer. Für alle sei nicht genug da.
       
       ## Geschäftsmodell wie Erdölraffinerien
       
       Gegenwind bekommt die Holzenergiebranche nicht nur von Möbelbauern. Im
       sachsen-anhaltischen Leuna baut das finnische Unternehmen UPM Biochemicals
       gerade eine Bioraffinerie, die verschiedene Chemikalien für Verpackungen,
       Textilien oder Kosmetik auf Basis von Laubholz produzieren und Ende 2023 in
       Betrieb gehen soll. Mit einer Gesamtkapazität von 220.000 Tonnen bildet sie
       das Geschäftsmodell von Erdölraffinerien ab – in ungleich kleinerem
       Maßstab.
       
       „Die Anlagen sind erst in Planung und Aufbau“, sagt Klaus Richter,
       Holzwissenschaftler an der TU München und Mitglied des Bioökonomierats der
       Bundesregierung, „wir befinden uns derzeit in einer Übergangsphase“. Es
       sei wichtig, angesichts der derzeitigen Energiekrise keine falschen
       Pfadabhängigkeiten zu schaffen und große Kapazitäten etwa für
       Holzpelletkraftwerke aufzubauen.
       
       Den Einsatz von bisher energetisch genutztem Waldholz in Bioraffinerien
       hält er für sinnvoll: „Die Molekülketten, die von der Natur geschaffen
       wurden, kann man dort hochwertig einsetzen.“ Zudem seien Bioraffinerien, in
       denen Holz in seine Bestandteile Lignin und Zellulose zerlegt und diese
       dann weiterverarbeitet werden, Abnehmer auch für Holzarten jenseits der
       Fichte. „Im Zuge des klimabedingten Waldumbaus wird es mehr Bäume geben,
       die sich nicht als klassisches Bauholz eignen“, sagt Richter, „deren
       hochwertige Verwendung in Bioraffinerien ist auch für Waldbesitzer
       interessant“.
       
       Den Umweltverbänden wird bei all den Ansprüchen – Holz als
       Energielieferant, Baumaterial, Papier- und künftig auch noch als
       Chemierohstoff – angst und bange. „Der Wald ist in Klimazielen weltweit als
       CO2-Senke einberechnet“, sagt Kenneth Richter, Referent für Bioenergie beim
       Naturschutzbund Nabu. Aktuell wandele er sich durch Übernutzung und
       Klimaextreme in vielen Regionen zu einer CO2-Quelle.
       
       Die Senkenfunktion sei [2][nur durch weniger Einschlag und bodenschonende
       Bearbeitungsmethoden zu erreichen]. Schon jetzt sei die Nachfrage durch
       Pelletkraftwerke und -heizungen so hoch, dass sich in Osteuropa oder den
       USA Kahlschläge auch für Feuerholz lohnten. Eine Energieform, die zu einer
       Nettozunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beiträgt, dürfe nicht
       als erneuerbare Energie gefördert werden, sagt Richter.
       
       Am Mittwoch stimmt das EU-Parlament über seine Position zu RED III ab, dann
       beginnen Verhandlungen mit dem Rat der EU-Mitgliedstaaten und der
       EU-Kommission. Eine Einigung wird gegen Jahresende erwartet.
       
       14 Sep 2022
       
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