# taz.de -- Höhenflug von Union Berlin: Gegenmodell zum Großkotz Hertha
       
       > Dass Union Berlin jetzt Europa League spielt, ist eine Sensation. Die
       > Fußballfolklore der Underdogs erzählt einiges über vernünftiges
       > Wirtschaften.
       
 (IMG) Bild: Kümmert sich ums große Ganze und auch Details: Urs Fischer, Trainer vom 1. FC Union
       
       Es soll Menschen geben in Köpenick, die sich die aktuelle Tabelle der
       Männer-Bundesliga ausschneiden. Oder, vielleicht zeitgemäßer,
       abfotografieren. Union Berlin, Tabellenführer in der Fußballbundesliga.
       Dass sie das noch erleben. Es ist [1][eine beispiellose Geschichte des
       Aufstiegs], gegen die Aschenputtel geradezu nach Establishment aussieht.
       
       Union also, dem viele im ersten Jahr Oberhaus nicht mal den Klassenerhalt
       zutrauten, hat den neureichen Rivalen Hertha hinter sich gelassen und sich
       bis an die Spitze gemausert. Und es ist wirklich bemerkenswert, wie dieser
       Aufstieg verlief: Platz 11 im ersten Ligajahr, dann Platz 7, dann Platz 5.
       
       Schon die Tatsache, dass Union jetzt Europa League spielt, ist eine
       Sensation. Und die erste Liga eh. Union, nie richtig groß gewesen, war in
       den Neunzigern kurz vor klinisch tot. Gefälschte Bankbürgschaften,
       Schuldenberge, verweigerte Lizenzen, Rettungsaktionen der Fans, zuletzt das
       [2][Darlehen von Michael Kölmel]: Der Weg zur Rettung ist längst Folklore.
       Auferstanden aus Ruinen, hat der Köpenicker Klub einen Marsch wie kaum
       einer zuvor hingelegt, von der dritten Liga in die erste. Die sportlichen
       Ursachen – von der hervorragenden Personalpolitik bis zur klugen Mischung
       aus Kampf und Spiellust, von den mittlerweile sehr guten Strukturen bis zur
       Geduld der Fanszene – sind hinreichend analysiert worden.
       
       Union Berlin ist freilich nicht der Ritter in der goldenen Rüstung. Immer
       wieder gab es in den Jahren wachsenden Erfolgs auch andere Geschichten aus
       dem Inneren: Rassismusvorwürfe am Nachwuchsleistungszentrum, Beschwerden
       aus dem weiterhin stiefmütterlich behandelten Frauenteam wegen fehlender
       Unterstützung.
       
       ## Üblicher Fußballverein mit allerlei Untiefen
       
       Union Berlin, das ist auch ein üblicher deutscher Fußballverein mit
       allerlei Untiefen. Allerdings einer, dem gelungen ist, was die meisten
       anderen Klubs niemals schaffen: mehr über sich zu erzählen als den
       sportlichen Erfolg. Eine Marke, die gerade deshalb sportlich so erfolgreich
       ist, weil sie keinen derart hohen Druck hat, sportlich erfolgreich sein zu
       müssen. Man kann es sich leisten, sich Zeit zu nehmen, günstig einzukaufen,
       immer noch den Nichtabstieg als Ziel auszurufen. Das Gegenmodell zu
       Großkotz Hertha.
       
       Von Märchen sagt man, dass sie auch dazu dienen, Gesellschaftsmodelle zu
       erhalten. Das arme, bescheidene Mädchen, das eben doch den reichen Prinzen
       kriegen kann. „Aufstieg ist möglich“ statt „Klassengesellschaft
       abschaffen“. Und wenn Union Berlin mit einem Zehntel des Marktwerts, den
       der FC Bayern hat, aktuell an der Spitze steht, ist das natürlich auch so
       eine Erzählung. Man kann es doch schaffen. Wunder gibt es noch. Manche
       fühlen sich gar an den englischen Außenseitermeister Leicester City
       erinnert.
       
       Faktisch natürlich bestätigen solche Ausnahmen die Regel. Und dennoch ist
       Union vielleicht ein Vorbild, wie ein zumindest etwas sinnvolleres
       Wirtschaften des Fußballs funktionieren kann. Mit ein bisschen weniger
       absurden Summen, ein bisschen nachhaltigerer Arbeit, einer etwas anderen
       Story. Das alles findet jetzt auch Uli Hoeneß gut. Ein Sensationsmeister
       Union Berlin würde viele Probleme des kaputt gewirtschafteten Fußballs sehr
       wirksam übertünchen.
       
       17 Sep 2022
       
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