# taz.de -- Linke Proteste gegen die Gasumlage: Eine explosive Mischung
       
       > Vor der Grünen-Parteizentrale protestiert ein linkes Bündnis gegen
       > unsoziale Krisenpolitik. Auch Verschwörungsideolog:innen folgten
       > dem Aufruf.
       
       „Das ist kein Entlastungspaket, das ist eine Kampfansage an die Ärmsten!“
       Es sind deutliche Worte, mit denen der Linken-Politiker Ferat Koçak am
       Montagabend während seines Redebeitrags die Regierungskoalition kritisiert.
       Die Teilnehmer:innen applaudieren lautstark. Sie sind dem Aufruf des
       neugegründeten linken Bündnisses „Heizung, Brot und Frieden“ gefolgt, vor
       der Parteizentrale der Grünen unter dem Motto „Protestieren statt frieren“
       gegen die [1][unsoziale Krisenpolitik] zu demonstrieren.
       
       Der Platz vor dem Neuen Tor im Bezirk Mitte, an dem sich die Parteizentrale
       befindet, ist gut gefüllt, die Stimmung kämpferisch. Die
       Organisator:innen sprechen von mehr als tausend Demonstrierenden, die
       Polizei zählte 600 – beide Angaben sind deutlich mehr als die 300
       Teilnehmer:innen, die zuvor angemeldet waren.
       
       „So werden wir es nicht über den Winter schaffen, ohne dass Menschen
       hungern und frieren werden“, fürchtet Demonstrantin Louisa Hotzelmann. Die
       21-Jährige, die gerade ihr Studium beendet hat und nun arbeitssuchend ist,
       fordert, dass die Energiepreise gedeckelt und das 9€-Ticket verlängert
       werden sollten.
       
       In den Redebeiträgen werden immer wieder linke Lösungen für die
       Energiekrise gefordert. „Sämtliche Energieversorgung sollte in öffentliche
       Hand“, schlägt Linken-Politiker Uwe Hiksch in seinem Redebeitrag vor, „Und
       dann sehen wir, wie wir das gerecht verteilen.“
       
       ## Friedensbewegung stark vertreten
       
       Außergewöhnlich ist weniger die Zahl der Teilnehmer:innen, als das
       politische Spektrum, das sich an diesem Abend versammelt hat. Schon vor
       Beginn der Kundgebung schwenken Aktivist:innen der kommunistischen
       Organisationen rote Hammer und Sichel Fahnen. Zahlenmäßig stark vertreten
       sind auch Mitglieder der [2][Friedensbewegung], die mit
       anti-militaristischen und Nato-kritischen Bannern deutlich sichtbar sind.
       
       Klar wird an diesem Abend auch – es ist nicht die empörte Mitte, die durch
       die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise auf die Straße drängt,
       sondern überwiegend Menschen und Gruppen, die bereits politisch aktiv sind
       und die den Anspruch haben, den Ton der zu erwartenden Protestwelle
       anzugeben.
       
       Während die Forderungen des offiziellen Aufrufs sich auf die Abschaffung
       der Gasumlage und die Vergesellschaftung von Energiekonzernen
       konzentrieren, wird besonders in den Redebeiträgen der an dem Bündnis
       beteiligten Naturfreunde und [3][der von Sarah Wagenknecht gegründeten
       Aufstehen-Bewegung] wiederholt das Ende der Sanktionen gegen Russland
       gefordert.
       
       Eine Meinung, die viele der Teilnehmenden hier teilen. „Frieden kann man
       nur durch Verhandlung erreichen“ erklärt Sasa Zivkovic. Der 50-Jährige ist
       noch immer entsetzt, dass die Grünen sich für Waffenexporte einsetzten und
       fordert ein Ende aller Waffenlieferung.
       
       ## Schwurbel-Unterwanderung abgewehrt
       
       Der Antimilitarismus geht bei einigen Teilnehmenden so weit, dass sie von
       den Inhalten der verschwörungsideologischen Mahnwachenbewegung keinen
       Abstand nehmen. „Lebenslänglich für Habeck – Nordstream 2 öffnen!“ steht
       auf dem Schild, dass sich ein älteres Paar umgehängt hat. „Das ist eine
       linke Demo, was soll dieser Quatsch?“ reagiert ein anderer Teilnehmer
       empört.
       
       Im Vorfeld wurde auch in einschlägigen verschwörungsideologischen
       Nachrichtenportalen für die Teilnahme am Protest mobilisiert – einem
       Aufruf, dem nicht Wenige gefolgt zu sein scheinen. Bereits vor Beginn der
       Kundgebung lieferten sich Antifa-Aktivist:innen mit dem aus dem
       [4][Querdenken-Umfeld] zuzuordnenden Mitgliedern der Partei „die Basis“ und
       der Gruppe der „Freien Linken“ heftige Wortgefechte.
       
       Im Laufe der Kundgebung gelingt es den Antifa-Aktivist:innen mit Erfolg,
       die Querdenker:innen ohne Handgreiflichkeiten von der Demo
       auszuschließen. Trotzdem kommt es innerhalb der Kundgebung vereinzelt zu
       Pöbeleien von Querdenker:innen gegenüber Maskenträger:innen.
       
       ## „Erfolgreicher Testballon“
       
       Die Redner:innen distanzieren sich dabei immer wieder von der AfD und
       anderen rechten Gruppen. Am deutlichsten gelingt dies Koçak: „Wir lassen
       uns unsere sozialen Kämpfe nicht von rechts vereinnahmen, Rassisten und
       Antisemiten verpisst euch!“, ruft der Abgeordnete, der selbst das Ziel
       rechter Gewalt wurde, der Menge entgegen, die mit „Siamo Tutti
       Antifascisti“ Sprechchören antwortet.
       
       Nach nur anderthalb Stunden beenden die Organisator:innen die
       Kundgebung. Viele Teilnehmer:innen gehen mit gemischten Gefühlen. „Ich
       finde es problematisch, wenn geopolitische Positionen zum Ukraine-Krieg
       vertreten werden“, kritisiert Philip, der seinen Nachnamen nicht in der
       Zeitung lesen will, die Forderungen nach der Beendigung der Sanktionen.
       Trotzdem will er bei weiteren Aktionen wieder dabei sein. „Ich bin froh,
       dass es einen progressiven Protest gibt. Wir dürfen den Rechten nicht das
       Feld überlassen und müssen nächstes Mal noch mehr Präsenz zeigen.“
       
       Mit-Organisator Michael Prütz bezeichnete die Kundgebung im Gespräch mit
       der taz als erfolgreichen „Testballon“, mit der man das Potenzial für
       größere Aktionen ausgelotet habe. Am 3. Oktober soll nun eine weitere
       Aktion organisiert werden, gefolgt von einer Großdemo Ende November.
       
       Neben einer Aktion vor der FDP-Parteizentrale Ende August die das
       [5][Bündnis „Wer hat, der gibt“] organisiert hatte, ist die Kundgebung die
       zweite linke Protestaktion gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung.
       
       6 Sep 2022
       
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