# taz.de -- Aufnahmeprogramme für Afghanistan: Warten auf Nancy Faeser
       
       > Hessen will afghanische Geflüchtete aufnehmen, braucht dafür aber das Ja
       > vom Bundesinnenministerium. Eben daran scheiterten derlei Versuche
       > bisher.
       
 (IMG) Bild: August: In Berlin demonstrieren Menschen ihre Solidarität mit Schutzbedürftigen aus Afghanistan
       
       BERLIN taz | Hessen will nicht mehr warten. Zwar hat die Bundesregierung im
       Koalitionsvertrag ein humanitäres Aufnahmeprogramm für die Menschen in
       Afghanistan versprochen. Doch Konkretes gibt es bis heute nicht. Nun hat
       Hessen sein eigenes Landesaufnahmeprogramm beschlossen. Ob es auch starten
       kann, ist aber ungewiss.
       
       Die letzten Schreckensnachrichten aus Afghanistan gab es erst wieder Anfang
       Oktober: Mehr als 50 Menschen starben bei einem Selbstmordanschlag auf eine
       Bildungseinrichtung. Die meisten von ihnen waren Mädchen und Frauen,
       Angehörige der Minderheit der Hazara. [1][Tausende Schutzbedürftige sitzen
       unter dem Talibanregime] fest.
       
       Das Aufnahmeprogramm der schwarz-grünen hessischen Landesregierung soll
       1.000 Menschen aus Afghanistan Zuflucht bieten, die bereits familiäre
       Beziehungen nach Hessen haben. Dazu zählen nicht nur Ehegatten, Eltern und
       Kinder, sondern auch Großeltern, Enkel und Geschwister. Auch will das Land
       die Flugkosten [2][der Geflüchteten übernehmen]. „Wir stehen zu unserer
       Verantwortung für Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung fliehen
       müssen“, sagte Mathias Wagner, Grünen-Fraktionsvorsitzender im hessischen
       Landtag.
       
       „Das ist ein bundesweit bedeutsames Signal“, sagte Günter Burkhardt,
       Geschäftsführer von Pro Asyl. Es sei „mutmachend“, dass nach
       Schleswig-Holstein, Thüringen, Bremen und Berlin im vergangenen Jahr nun
       auch Hessen diesen Schritt gehe. Und tatsächlich ist Hessen nicht das erste
       Bundesland mit einem solchen Beschluss. Dennoch gibt es bisher kein
       einziges aktives Landesaufnahmeprogramm.
       
       ## Scharfe Kritik von Pro Asyl
       
       Denn [3][solchen Vorhaben] muss das Bundesinnenministerium zustimmen. Und
       genau daran hat es in der Vergangenheit immer gefehlt. Der ehemalige
       Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab Schleswig-Holstein keine
       Starterlaubnis – und seine Amtsnachfolgerin Nancy Faeser (SPD) versagte
       diese Thüringen, Bremen und Berlin: Ein Landesaufnahmeprogramm sei
       „verfrüht“ angesichts des anstehenden Bundesaufnahmeprogramms. Die
       Entscheidung werde solange vertagt.
       
       Das war im März, und noch immer ist [4][das Bundesaufnahmeprogramm] nicht
       in Sicht. In einer Fragestunde im September [5][antwortete der Bremer Senat
       auf Anfrage der Linksfraktion], es sei „davon auszugehen“, dass die
       Vorbereitungen „bis Ende 2022 abgeschlossen werden können und das Programm
       Anfang 2023 beginnen kann“.
       
       Ein Umstand, den Pro Asyl scharf kritisiert. „Noch immer hat Ministerin
       Faeser [6][kein Bundesaufnahmeprogramm] unter Benennung der Größenordnung,
       der Abläufe und der Kriterien veröffentlicht. Mehr als ein Jahr nach der
       Bundestagswahl ist das enttäuschend“, sagte Burkhardt. Auch müsse die
       Bundesregierung endlich wie versprochen [7][das Ortskräfteverfahren
       reformieren].
       
       ## „Keine weitere Verschleppung“
       
       Sie begrüße, dass ein weiteres Bundesland ein Aufnahmeprogramm beschlossen
       habe, sagte auch Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der
       Linksfraktion im Bundestag. „Leider bringt das aber nicht viel, solange
       Innenministerin Faeser die Aufnahmeinitiativen der Länder blockiert. Da hat
       sich seit dem Wechsel von Seehofer zur selbsternannten
       Fortschrittskoalition nichts geändert.“
       
       Dass das Bundesaufnahmeprogramm womöglich erst 2023 starten werde, sei eine
       „Katastrophe für die Menschen, die in Afghanistan ausharren müssen und auf
       den Schutz der Bundesregierung vertraut haben“. Vieles deute darauf hin,
       dass die Taliban immer skrupelloser gegen politische Gegner*innen
       vorgingen. „Diese Menschen brauchen jetzt sofort Hilfe, nicht erst in ein
       paar Monaten oder gar Jahren“, sagte Bünger.
       
       Etwas weniger kritisch, aber ähnlich fordernd klingt es aus einer der
       Regierungsfraktionen. „Es ist klar, dass Nancy Faeser jetzt ihre Zustimmung
       zu dem hessischen Programm und denen der anderen Länder geben muss“, sagte
       der Grünen-Abgeordnete Julian Pahlke gegenüber der taz. Den Start des
       Bundesprogramms habe das Innenministerium kürzlich für den Herbst
       angekündigt. „Das muss dringend so passieren. Es darf zu keiner weiteren
       Verschleppung kommen.“
       
       Eine Anfrage der taz an das Bundesinnenministerium blieb bis
       Redaktionsschluss unbeantwortet. In Hessen ist man jedoch optimistisch, die
       nötige Zustimmung bald zu bekommen. Ein „entsprechendes Signal“ aus Berlin
       gebe es seit Anfang August im Rahmen einer Bund-Länder-Besprechung. „Daher
       gehen wir davon aus, dass die Bundesinnenministerin, Nancy Faeser, sehr
       schnell grünes Licht für unser hessisches Programm gibt“, sagte Wagner.
       „Denn vorher können wir nicht loslegen und es können auch keine Anträge
       gestellt werden.“
       
       6 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] /Bundesaufnahmeprogramm-fuer-Afghanen/!5868881
 (DIR) [5] https://www.linksfraktion-bremen.de/fileadmin/2022/Buergerschaftsfraktion/Senatsantworten/2022/Senatsantworten_Fragestunde_September_2022.pdf
 (DIR) [6] /Ortskraefte-in-Afghanistan/!5874286
 (DIR) [7] /Ortskraefte-der-Bundeswehr-in-Afghanistan/!5868444
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
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