# taz.de -- Verkehrsversuch im Bergmannkiez: Wenn die Rüttelstreifen wirken
       
       > Die Bergmannstraße ist eine Spielwiese der Verkehrswende.
       > Rücksichtslosigkeiten, die dabei entstehen, nimmt nun ein Versuchsaufbau
       > ins Visier.
       
 (IMG) Bild: Die vorgeschriebenen 10 Stundenkilometer langsam fährt hier – definitiv – niemand
       
       „Oops, sorry!“ Na, immerhin: Bei Weitem nicht jede FußgängerIn, die den
       Radweg auf der Kreuzberger Bergmannstraße überqueren will, bekommt eine
       Entschuldigung von denen zu hören, die ihr oder ihm auf dem Fahrrad rasant
       die Vorfahrt nehmen. Es geht, wohlgemerkt, um völlig legale
       Querungsversuche, auf einem von zwei Mini-Zebrastreifen über den
       „Zweirichtungsradweg“, der [1][seit einem guten Jahr auf einem Teilstück
       der Ausgehmeile] verläuft.
       
       Der stete Strom an RadlerInnen, die hier tagaus, tagein von Ost nach West
       und zurück rollen, ist beachtlich. Kein Wunder, schließlich ist das Fahren
       hier besonders angenehm: Das laufende Konzept zur Verkehrsberuhigung hat
       den Großteil des Autoverkehrs verdrängt, gleichzeitig ist hier kein
       Kopfsteinpflaster verlegt wie im restlichen Kiez. Der östliche, leerere
       Teil der Bergmannstraße zwischen Marheinekeplatz und Südstern ist dann
       sowieso als Fahrradstraße ausgewiesen.
       
       Da aber, wo sich nun der nichtmotorisierte Verkehr ballt, fehlt es oft an
       Rücksichtnahme. Wer zu Fuß vom nördlichen auf den südlichen Gehweg wechseln
       will, kreuzt zunächst recht problemlos die verbliebene Kfz-Spur, die hier
       als Einbahnstraße verläuft und mit zahlreichen schwarz-gelben Schwellen
       gespickt ist. Dann jedoch, hinter einer Doppelreihe von Pflanzkästen aus
       Aluminium, rollen flott die Fahrräder in engem Takt in beide Richtungen –
       an das Tempolimit von 10 Stundenkilometern, [2][das gerade in zweiter
       Instanz vom Oberverwaltungsgericht bestätigt worden ist], hält sich exakt
       niemand.
       
       Irgendwie ungut, finden viele AnwohnerInnen, und auch das Bezirksamt hat
       Wind von der wenig befriedigenden Situation bekommen (wobei bislang
       offenbar lediglich ein einzelner Fuß-/Rad-Unfall aktenkundig ist). Erste
       Abhilfe könnte nun ein kleines Verkehrsexperiment schaffen, das ein
       TU-Student im Rahmen seiner Masterarbeit durchführt und das von der
       Senatsverwaltung für Mobilität mit 15.000 Euro finanziert wird.
       
       ## Forschungsobjekt Anhaltewillen
       
       Um zu ermitteln, wie sich die sogenannten Querungskonflikte am besten
       reduzieren lassen, werden RadfahrerInnen bei der Annäherung an die
       Zebrastreifen derzeit mit den folgenden Elementen konfrontiert: 1.
       Querstreifen, erst schmal, dann breiter, 2. ein Fußgängerpiktogramm, 3.
       gelb blinkende Bodenlichter und 4. erhabene Riffel bzw. „Rüttelstreifen“.
       Im November werden laut Bezirksamt vergleichende Zählungen des
       Nachwuchsforschers vorliegen und Aufschluss über den jeweiligen
       „Anhaltewillen“ geben.
       
       Das Ganze soll dabei auch dem größeren Ganzen dienen, indem die
       „Erkenntnisse in die Überlegungen zu Standards für Fußgängerüberwege über
       Radverkehrsanlagen einfließen“, so das Bezirksamt weiter. Exakte
       Geschwindigkeitsmessungen sind im Rahmen des Versuchs übrigens genauso
       wenig geplant wie eine Aufhebung der komplett nichtigen 10-km/h-Regelung:
       „Die Missachtung der Regelung kann nicht Anlass für eine Änderung der
       Anordnung sein“, teilt eine Sprecherin der taz mit.
       
       Irgendwann geht es den RadlerInnen ohnehin an den im Fahrtwind flatternden
       Kragen: Die derzeitige Gestaltung des Straßenabschnitts ist nämlich nur
       eine Zwischenlösung bei der [3][Umsetzung des „Modellprojekts
       Bergmannkiez“]. Bald steht ein städtebaulicher Wettbewerb für diesen
       Straßenabschnitt an, zur Einrichtung einer FußgängerInnenzone sowie die
       „klimaresiliente Umgestaltung“, vielleicht sogar mit einem kleinen Bach.
       Bis das alles so weit ist, kann es erfahrungsgemäß noch eine Weile dauern.
       Vielleicht gibt es dann ja schon eine Eins-A-Fahrradbahn auf der
       Gneisenaustraße – und alle sind, endlich, zufrieden.
       
       25 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verkehrsberuhigung-der-Bergmannstrasse/!5762811
 (DIR) [2] /Verkehrswende-in-Berlin-Kreuzberg/!5883499
 (DIR) [3] https://www.berlin.de/bergmannkiez/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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